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Startseite » Forenübersicht » Kreativbereich » Vor der Aufnahme » Irrtümer über Einwilligungspflicht bei Fotos von Menschen
 
 
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Alt 01.07.2025, 11:19   #10
DerGoettinger

Themenersteller
 
 
Registriert seit: 02.04.2019
Ort: Lübeck
Beiträge: 1.198
Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Veröffentlichung, sondern bereits die Anfertigung eines Bildes. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH, VI ZR 272/94 vom 25.04.1995) eindeutig festgestellt:

„Das Anfertigen von Bildnissen gegen den Willen des Betroffenen kann bereits einen rechtswidrigen Eingriff darstellen.“
1. sagt das Wort "kann" ja schon, dass nicht jedes Foto, das ich von einem Menschen mache, auch ein rechtswidriger Eingriff ist.
2. steht KEIN Grundrecht, auch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, isoliert da, sondern wird IMMER auch von anderen Grundrechten eingeschränkt - wie eben durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
§ 22 KUG verlangt eine Einwilligung für jede Verbreitung – das ist bekannt. Aber was oft vergessen wird: § 23 KUG regelt Ausnahmen nur für die Veröffentlichung, nicht für das Fotografieren selbst.
Auch das ist so einfach falsch. Ja, das KUG erwähnt ausdrücklich nur das Veröffentlichen. Aber insb. § 23 KUG ist ja Folge der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG. Und Kunstfreiheit meint eben NICHT ausschließlich das Veröffentlichen. Auch die "Herstellung eines Kunstwerkes" ohne Absicht der Veröffentlichung ist bereits Ausdruck von Kunstfreiheit und damit grundgesetzlich geschützt. Es wäre ja geradezu widersinnig, dann die (grundgesetzlich geschützte) "Erstellung des Fotos" über § 23 KUG auszuschließen (weil dort nicht erwähnt), die "Veröffentlichung des Fotos" aber zu erlauben. Die (erlaubte) Veröffentlichung stellt doch einen weit schwerwiegenderen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar als das "Erstellen des Fotos".

Richtig, § 23 KUG spricht expressis verbis nur davon, wann Bilder "verbreitet und zur Schau gestellt werden" dürfen, und nicht von deren Erstellung. Wenn man aber über dieses Argument die Erstellung verbietet (weil eben ausdrücklich nicht erwähnt), unterbindet man damit auch alle Möglichkeiten der Verbreitung und Zurschaustellung - was § 23 KUG aber ja gerade erlauben will. Würde § 23 KUG die Erstellung von Bildern nicht schützen, würde § 23 KUG seinen kompletten Sinn, weil es damit die (geschützte) Verbreitung weitgehend unmöglich macht. Das ist weder vom Gesetzgeber noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung weder gewollt noch gemeint. Und ich zitiere gerne noch einmal ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht: "Von der Kunstfreiheit ist nicht nur das Anfertigen der Fotografie, sondern auch deren Zurschaustellung im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Ausstellung erfasst."

Nochmal: § 23 KUG ist eine unmittelbare Konkretisierung des Art. 5 Abs. 3 GG. Wenn Art. 5 Abs. 3 GG bereits die Erstellung von Kunstwerken schützt, dann muss auch § 23 KUG diese grundsätzlich schützen. § 23 KUG muss (indirekt) auch andere Grundrechte schützen (wie z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht), aber dieser Schutz anderer Rechte kann und darf nicht so sein, dass es die "Erstellung eines Kunstwerkes" mehr einschränkt als dessen Veröffentlichung.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Und diese Ausnahmen gelten nicht, wenn ein „berechtigtes Interesse“ der abgebildeten Person verletzt wird – etwa, wenn sie sich aktiv gegen die Aufnahme wehrt.
Erstens ist nicht jedes Interesse, das ein Mensch äußert, ein "berechtigtes" Interesse. Zweitens stehen selbst berechtigten Interessen die berechtigten Interessen anderer gegenüber. Ich habe nach § 23 KUG das gesetzlich geschütze berechtigte Interesse, eine Straßensituation zu fotografieren. Wenn mir in dieser Situation mir jemand ins Bild läuft, kann man über das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein "berechtigtes Interesse" (Recht am eigenen Bild) herleiten, nicht auf dem Bild drauf zu sein. ABER: dieses berechtigte Interesse steht nicht über allen anderen berechtigten Interessen, sondern kollidiert eben "gleichberechtigt" mit meinem berechtigten Interesse auf Kunstfreiheit (Erstellung von Kunstwerken), konkretisiert z.B. durch § 23 Abs. 1 Nr. 2 ("Personen als Beiwerk").

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Zusätzlich kommt die DSGVO ins Spiel:
Die DSGVO ist ebenso an das Gundgesetz gebunden und findet dort seine Grenzen. Das Kunsturhebergesetz ist als Gesetz ein unmittelbarer Ausfluss von Art 5 Abs. 3 GG. Die DSGVO ist als Verordung dem gegenüber eine nachrangige Rechtsnorm, die zwar ein Gesetz weiter konkretisieren kann, aber die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechte nicht "durch die kalte Küche" aushebeln kann.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Die oft bemühte Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) schützt die Veröffentlichung im künstlerischen Kontext, aber sie hebt keine Persönlichkeitsrechte auf. Sie kann im Konfliktfall abgewogen werden
Kann nicht, MUSS - aber in beide Richtungen. Das ist das, was ich die ganze Zeit sage.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Eine klare Ablehnung durch die betroffene Person wiegt schwer.
...ist aber kein Todschlagargument, das alles andere überdeckt. Zitat aus dem Urteil des BVerfG vom 08.02.2018 (Az.: 1 BvR 2112/15):
Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. [...] Es bedarf der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat; eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 67, 213 <228>; vgl. auch BVerfGE 30, 173 <195>; 75, 369 <380>; 119, 1 <27>)
Lasst Euch das auf der Zunge zuergehen: das Bundesverfassungsgericht sagt ausdrücklich, dass das Recht, sich auf die Kunstfreiheit zu berufen, nur dann gänzlich ausgeschlossen ist, wenn die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts schwerwiegend ist und dieses zweifelsfrei festzustellen ist. Solange das nicht vorliegt, besteht immer die Möglichkeit, dass die Kunstfreiheit auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränkt.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Ein Street Foto wird nicht automatisch zur Kunst im Sinne des Grundgesetzes.
Zitat aus dem Urteil des BVerfG vom 08.02.2018 (Az.: 1 BvR 2112/15):
Es ist [...] Ziel der Straßenfotografie, die Realität unverfälscht abzubilden, wobei das spezifisch Künstlerische in der bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts und der Gestaltung mit fotografischen Mitteln zum Ausdruck kommt (vgl. Hildebrand, ZUM 2016, S. 305).
Eine künstlerische Schöpfungshöhe ergibt sich aus der bewussten Auswahl eines Realitätsausschnittes mit dem Ziel, eben diese Realität unverfälscht darzustellen. Der "Grad der Schöpfungshöhe" (und damit der Umfang der Schutzwirkung aus der Kunstfreiheit) ergibt sich aus der "Intensität", mit der ich mich damit beschäftigt habe.
  • Hab ich meine Kamera eher zufällig "grob in die Richtung gehalten und abgedrückt", kann das schon für eine ausreichende künstlerische Schöpfungshöhe sprechen (auch das Momentum des Zufalls ist ein Aspekt der Kunst), wird aber nur einen eher geringen Schutzrahmen im Rahmen der Kunstfreiheit bieten.
  • Bemühe ich mich sichtbar um einen sehr geziehlten "Realitätsausschnitt" (ich stehe längere Zeit an einer Stelle, verändere die Brennweiten etc.), ist die Intensität, mit der ich den "Realitätsausschnitt" bewusst wähle, erkennbar hoch - und damit eben auch die grundsätzliche Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 3.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
Und wer trotz Widerspruch fotografiert, verletzt das Selbstbestimmungsrecht – egal, wie „künstlerisch“ die Szene ist. [...]

Fazit: Wer gegen den ausdrücklichen Willen einer Person fotografiert, bewegt sich nicht in der Grauzone der Kunstfreiheit, sondern überschreitet eine rechtliche Grenze – deutlich. Und zwar zivil- und datenschutzrechtlich.
Nein, nein, nein. Zitat aus dem Urteil des BVerfG vom 08.02.2018 (Az.: 1 BvR 2112/15):
"die Kunstfreiheit [...zieht...] dem Persönlichkeitsrecht Grenzen."
Und wir reden hier vom Bundesverfassungsgericht, nicht vom Amtsgericht Kleinkleckersdorf. Und die Datenschutzgrundverordnung mag die Persönlichkeitsrechte (und insbesondere das Recht am eigenen Bild) noch einmal besonders konkretisieren und damit besonders hervorheben. Aber eine Verordnung, und selbst wenn sie "Datenschutzgrundverordnung" heißt, setzt als nachrangiges Recht niemals, never ever, in keinem Fall ein Gesetz außer Kraft.
__________________
"Die ersten 10.000 Bilder sind die schlechtesten" - wahlweise Henri-Cartier Bresson, Jackson Pollock oder Helmut Newton zugeschrieben

Geändert von DerGoettinger (01.07.2025 um 11:42 Uhr)
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