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Registriert seit: 19.01.2009
Ort: Frankfurt
Beiträge: 259
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Hochzeit fotografieren? Na denn man tau ...
Ich bin hier meist stiller Mitleser, aber ich möchte nach langer Zeit doch einmal meinen Senf zu einem bestimmten Thema loswerden. Ich hoffe, ich tue das in der richtigen Kategorie.
Fangen wir an. Hier und da stolpere ich über Beiträge von Forenmitgliedern, die sich (zum ersten Mal) aufmachen eine Hochzeit zu fotografieren und nach Equipment-Tipps fragen. Und da fange ich mich immer an zu wundern. Denn es geht hier nicht nur um Technik. Es geht um so viel mehr. Vor allem geht es um Momente, die nicht wiederholbar sind und hinterher um vielleicht todunglückliche Brautleute. Eine Hochzeit ist m.E. die Königsklasse der Fotografie. Nichts ist vorher planbar, so wie etwa im Studio. Wir haben es mit wechselnden Lichtverhältnissen zu tun, mit in Bewegung befindlichen Menschen, es ist mal hell, mal dunkel und und und. Wir haben es mit LED-Licht zu tun, das wunderbare Streifen auf den Fotos hinterlässt - wenn man nicht weiß, wie man die einigermaßen in den Griff kriegt, falls man ohne A9 antritt. Ja dann eben mechanischer Shutter? Gute Idee. Mitten in der Kirche, klack, klack, klackididack. Warum nicht? Ging ja früher auch nicht anders. Ja, früher. Aber genau deswegen kriegt man heute recht oft Fotografie-Verbot vom Bediensteten Gottes oder den Standesbeamtinnen / Standesbeamten, weil die sich noch an die Klack-Orgien von früher erinnern und vor allem daran, dass manche Hochzeitsfotografen sich aufführten, als seien sie der Mittelpunkt der Hochzeit. Es gibt Schlüsselszenen, die unbedingt festgehalten werden sollten. Kennt man diese nicht bzw. weiß nicht wann diese kommen, hat man sich möglicherweise nicht richtig positioniert und es geht in die Hose. Dazu eine Geschichte von Onkel Bob, die ich ausnahmsweise als Gast auf einer Hochzeit erlebt habe. Onkel Bob ist in Fotografen-Kreisen Synonym für einen Bekannten oder Verwandten, der sich anbietet (oder der gebeten wird), die Hochzeit zu fotografieren. Weil Onkel Bob ja diese tolle Spiegelreflex-Kamera hat und ein „Zoom-Objektiv“, mit dem man „ganz breit fotografieren und ganz nah heranzoomen kann“. Nicht genug, dass Onkel Bob grundsätzlich falsch stand und Schlüsselmomente nicht mitbekam, nein, es mussten auch Szenen auf seine Ansage hin wiederholt werden. Was auch kein Wunder war. Der Mann war mit einem extrem lichtschwachen Objektiv und einer sehr günstigen Kamera bewaffnet. Das ist, (nicht nur) in einer dunklen Kirche, in etwa so, als käme man mit einem Messer zu einer Schießerei. Nicht nur nach diesem, sondern nach jedem Foto kontrollierte Onkel Bob das Ergebnis über das Kamera-Display und verzog das Gesicht in Pein. Kein Wunder. Die Kamera-Automatik hat die ISO-Einstellungen vermutlich auf Maximum geschraubt, weil es mit dem ISO-Wert und der Blendenvorgabe des Objektivs für die arme Kamera nicht anders machbar war. Und ich fürchte, als Onkel Bob die Fotos zu Hause dann in der Vollansicht sah, hat sich sein Gesichtsaudruck nicht zum Besseren gewandt. Auf einen Ausschuß von über 80 Prozent möchte ich wetten. Verrauscht, unscharf, unterbelichtet. Und gehen wir weiter davon aus, dass die Kamera so eingestellt war, dass sie gleich JPEGs ausgeworfen hat. Damit ist im Nachgang kaum noch etwas anzufangen, weil sich nur in RAW geschossene Fotos wirklich vernünftig bearbeiten lassen. Unscharfe Fotos lassen sich aber auch dann nicht mehr retten. Die sind verloren und damit der Moment. Für immer. Und nun doch noch ein paar Worte zur Technik. Die Geschichte oben zeigt, dass man sein Equipment blind beherrschen muss. Erst mal rumfummeln, bis man die richtigen Einstellungen gefunden hat, geht nicht. Weiter: man muss mit Redundanz aufwarten. Mindestens zwei Kameras, mit jeweils zwei Kartenslots. Objektive am besten Festbrennweiten und mit f4 braucht man gar nicht erst anzutanzen. In der Kirche mit irgendeinem f4 bis f-Schlagmichtod Suppenzoom aufzutauchen, geht sehr sicher in die Hose (s. oben). Kirchen sind oft dunkle Löcher. 2.8, 1.8, 1.4. Alles andere ist nur selten zu gebrauchen. Okay, auf der Party ist f8 angesagt, mit Blitz und mit immer gleichem Abstand zu den Tanzenden mitten ins Gesicht. Aber sonst ... eher nein. Ich garantiere, dass die Verwandten, Bekannten et al Erwartungen haben - auch wenn sie das Gegenteil behaupten und einen so in Sicherheit wiegen. Vermurkste Hochzeits-Fotos will keiner und das fällt ganz sicher auf einen zurück. Achja. Thema "Bearbeitung". Auch da kann man viel falsch machen. Tonnenweise Fancy-Presets (von angesagten Hochzeitsfotografen teuer gekauft) drüberklatschen, jedes mit einer anderen Stilistik, Klarheit 100%, Vignette bis zum Anschlag und Color-Key als Sahnehäubchen. Nur ... das ist alles sowas von 90er - auch wenn das letzten Endes immer noch eine Geschmacksfrage ist. Hier mal ein Artikel, den ich vor einiger Zeit zu dem Thema verfasst habe und in welchem ich mich in epischer Breite zur Frage auslasse, was Hochzeitsfotografie bedeutet. https://www.ng-wedding-photography.d...koenigsklasse/ Ich hoffe, niemand fühlt sich hier auf den Schlips getreten. Aber zu oft habe ich Anfragen von verzweifelten Brautleuten, die hoffen, ich könne ihre Bilder retten. Ja, aber wie dann anfangen? Ganz einfach. Wenn man eine Hochzeit fotografieren will und keine Erfahrung hat, hängt man sich als 2nd Shooter an einen erfahrenen Hochzeitsfotografen dran - und das über mehrere Hochzeiten hinweg.
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NG Wedding Photography Geändert von gmaniac (15.08.2021 um 14:05 Uhr) |
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