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#91 | |
Moderator
Registriert seit: 14.04.2006
Ort: Bissendorf, Landkreis Osnabrück
Beiträge: 4.257
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Zitat:
![]() Setzen wir mal weiter vorne in der Kette an: Der erste Eingriff findet ja schon vor der eigentlichen Aufnahme statt. Du nutzt einen digitalen Sensor und damit tastest Du die Realität nur an endlich vielen Stellen mit endlicher Genauigkeit ab. Ab hier hat die Aufnahme schon viele Informationen verloren. Wie willst Du denn dieses "Problem" in den Griff bekommen? Und dann reduzierst Du auch noch die aufgenommene Punktdichte. Je weniger Bildpunkte Du aufzeichnest, desto mehr feine Details gehen verloren. Dir sagt sicher der Begriff "Abtasttheorem" etwas, falls nicht, kannst Du ja mal hier nachlesen. Und Du wirst sicher zustimmen, wenn ich behaupte, dass diese verlorenen Bildpunkte nachträglich nicht mehr zurückgewonnen werden können, so dass sie dem Original einer höher abgetasteten Bildversion nahekommen würden. Wieso sollte also dann Dein Bild mit nur einem Viertel an Bildpunkten besser die Realität abbilden, als das Bild mit voller Auflösung? Was Du vielleicht auch mit in Deine Betrachtung einbeziehen solltest, sind die physikalischen Grenzen der menschlichen Sinne. So ist z. B. die Farbauflösung eines menschlichen Auges 1000-fach geringer als die Auflösung für S/W-Strukturen (->Farbwahrnehmung). In der Folge kann man also Farbinformationen auch mit wesentlich geringerer Dichte abtasten als Helligkeitswerte (genau das macht sich ein Bayer-Sensor zu Nutze). Denn was nützen mir exaktere physikalische Farbwerte, wenn ich die bei üblicher Betrachtung des Bildes gar nicht unterscheiden kann? Sie führen nur zu größeren Dateien und ich könnte vielleicht weiter hineinzoomen, aber dann passt das Verhältnis zu den aufgezeichneten Helligkeitswerten nicht mehr, denn die müssten dann ebenfalls wiederum mit noch höherer Frequenz abgetastet werden. Das Verhältnis der Möglichkeit der Unterscheidung von Farbwerten und Helligkeitswerten im Auge wirst Du ja nicht verändern können, das bleibt bei etwa 1:1000 (Farb zu S/W-Empfindlichkeit). Das Ganze verändert sich auch noch mit der absoluten Helligkeit (Nachts sind alle Katzen grau.). Und hier habe ich nur einen begrenzenden Faktor ins Spiel gebracht, es gibt noch weitaus mehr. Diese Begrenzungen werden bei modernen Bildaufzeichnungs- und verarbeitungsverfahren meist berücksichtigt und zu Gunsten der Speichergröße etc. ausgenutzt (verlustbehaftete Komprimierung). Die Verfahren sind immer auf einen Zweck angepasst. Natürlich kann man die resultierenden Nachteile in der Auflösung bestimmter Strukturen später mit physikalischen Messmethoden nachweisen, nur in der Praxis sind sie für den bestimmungsmäßigen Gebrauch einfach irrelevant. Deshalb nennt man solche Arten der Komprimierung auch Irrelevanzreduktion. Man entfernt nur als irrelevant betrachtete Informationen und möglichst keine anderen. Ein geringer Verlust auch sichtbarer Anteile lässt sich natürlich meist nicht ganz vermeiden, weil die Algorithmen meist nicht auf das einzelne Bild optimal angepasst werden. Nur wirst Du das mit Deinen Methoden noch viel weniger erreichen. Um die Kurve zum eigentlichen Thema zurück zu bekommen: Es gibt verschieden Arten von Bildbearbeitungen. Die einen sollen technische Unzulänglichkeiten der verlustbehafteten Aufzeichnung wieder etwas ausbügeln (Bildverbesserung, -optimierung). Hierbei versucht man z. B. das zu geringe Kontrastverhältnis der Aufnahme, das durch den Sensor begrenzt ist und dem Sinneseindruck entgegensteht, zu verbessern (HDR, Lichter-/Schattenmanipulation). Andere Bearbeitungen hingegen sollen einen vorhandenen Eindruck, den ein Bild hinterlässt, gezielt verstärken. So kann man bei einer Aufnahme eines Sonnenuntergangs z. B. die Farben gezielt etwas verstärken, um den Eindruck quasi überhöht darzustellen, weil die physikalische Aufzeichnung des Phänomens den Sinneseindruck vor Ort vielleicht nicht ganz wiedergibt. Mman ist halt nicht an dem Ort, wo das Ereignis jemanden so beeindruckt hat. Die Umgebung hat beim Menschen oft einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung. Beispiel: Niemand empfindet im Zimmer das Licht so gelb wie es tatsächlich aufgezeichnet würde, deshalb wurde der Weißabgleich erfunden. Zumindest die Maßnahmen der EBV zur Bildverbesserung wird man bei professionellem Anspruch immer dann einsetzen müssen, wenn man möglichst realitätsnahe Aufnahmen haben möchte, denn jedes physikalische optische System hat Unzulänglichkeiten, die man damit zum Teil ausgleichen kann. Andererseits kann ein Bild technisch völlig unzulänglich sein und trotzdem einen Eindruck hinterlassen. Dieser ist dann meist der subjektiven Wahrnehmung geschuldet und das Bild wirkt auch ohne jegliche Bearbeitung. Hier beginnt dann aber die große Kunst, an der sich die meisten seit Jahren die Zähne ausbeißen. ![]()
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Gruß Frank „In der Informatik geht es genau so wenig um Computer, wie in der Astronomie um Teleskope.“ (Edsger W. Dijkstra) |
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#92 |
Registriert seit: 11.04.2012
Beiträge: 3.086
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Insgesamt gibt es kein Hype um Bildbearbeitung. Es ist nur zugänglicher und einfacher möglich geworden; sprich einfachste Effekte per Smartphone.
Was ist nun, wenn man ein Polfilter einsetzt und so das wahrgenommene verändert? Oder was ist mit selbst gebastelten Bokeh-Filter? Oder geht es darum, das einfach nur nach dem Abdrücken auf den Knopf nichts mehr verändert werden soll? Wieso sehen es manche so verwerflich an den Fotos später am PC stundenlang zu arbeiten? |
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#93 |
Registriert seit: 23.09.2008
Ort: München
Beiträge: 8.456
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#94 | |
ehemaliger Moderator
Registriert seit: 19.05.2004
Ort: Jüchen-Otzenrath
Beiträge: 11.408
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Aber auch hier muss man eigentlich weiter gehen und fragen, was ist eine realitätsnahe Aufnahme?
Ein Beispiel hast Du ja mit dem Weißabgleich schon gegeben. Was ist nun realitätsnah bei Glühlampenlicht? Gelb, weil es dem Spektrum entspricht oder weiß, weil wir es so sehen? Zitat:
![]() → Bild in der Galerie Dieses Bild hatte ich mal eingestellt, um das Stacken, also die Erweiterung der Schärfeebene durch Verrechnen mehrerer Aufnahmen mit unterschiedlicher Schärfeebene, zu erläutern. Warum hatte ich damals das Foto gemacht? Wahrscheinlich, weil mir der Pilz aufgefallen war und mir als Motiv lohnenswert erschien. Warum ist mir der Pilz aufgefallen? Weil ich mich auf ihn fokussiert hatte und die Umgebung in meinem Kopf ausblendete. Damit dies auch auf dem Foto so zur Geltung kommt, habe ich mit großer Blende gearbeitet und mehrere Fotos zu einem Bild verrechnet. Das ist sicher schon eine etwas aufwendigere EBV. Damit erreichte ich aber, dass der komplette Pilz scharf ist und der Hintergrund in Unschärfe verschwindet. Das ist so mit einer einzelnen Aufnahme nicht möglich, wie man auch an dem Bildvergleich sieht. Aber was ist nun eine realitätsnahe Aufnahme? Wäre dies ein Bild gewesen, bei dem der ganze Wald erkennbar gewesen wäre? Der Wald ist ja in Wirklichkeit tatsächlich vorhanden. Oder ist die Realität das gestackte Bild? Denn so habe ich das Motiv bei der Aufnahme gesehen bzw. empfunden und somit wäre die EBV nicht nur legitim, sondern sogar zwingend erforderlich. Aber auch bei einer einfachen Makroaufnahme kann man sich die Frage stellen. ![]() → Bild in der Galerie Die Fliege saß auf einem Grashalm in einer dichten Wiese. Bei diesem Abbildungsmaßstab ist aber die Schärfentiefe so gering, dass diese automatisch ausgeblendet wird. Das Bild entspricht damit sicher nicht der Realität. Die meisten Betrachter werden aber sicher der Meinung sein, dass dies eine legitime Verzerrung der Wirklichkeit ist. Ich denke, die Frage, was ist realitätsnah, ist gar nicht so einfach zu beantworten.
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Gruß Jörg Jubel, Trubel, Heiterkeit - seid zur Heiterkeit bereit (Bugs Bunny) |
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#95 |
Moderator
Registriert seit: 14.04.2006
Ort: Bissendorf, Landkreis Osnabrück
Beiträge: 4.257
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Da gebe ich Dir Recht. Die Trennung zwischen Realität und subjektiver Wahrnehmung ist meines Erachtens letztendlich unmöglich. Es muss immer das Gesamtsystem betrachtet werden. Die Betrachtung eines Objektes direkt mit dem Auge und im Vergleich dazu als Bild ist immer von der subjektiven Wahrnehmung beeinflusst. Unter Realität könnte man in diesem Zusammenhang am ehesten vielleicht verstehen, dass das Bild eine identische Wahrnehmung im Menschen auslösen sollte wie wenn die aufgenommene Szene direkt nur mit den menschlichen Sinnen in der realen Umgebung betrachtet wird. Das ist sicher schwer möglich, deshalb ist eine Annäherung in der Regel das einzig mögliche. Und hierzu kann man dann im Bild auch wieder zu EBV-Tricks greifen, um der Wahrnehmung etwas auf die Sprünge zu helfen, denn ein Bild wird ja meist in einer anderen Umgebung betrachtet als das Objekt vor Ort. Der Einfluss der Umgebung auf die Wahrnehmung wird somit versucht durch gezielte Manipulationen an der Aufnahme nachzustellen, die ein ähnliches "Gefühl" auslösen sollen. Sicher ist die Grenze zwischen Bildverbesserung (= nur Ausgleich der technischen Aufzeichnungsschwächen im Vergleich zum menschlichen Auge) und weiteren EBV-Maßnahmen nicht so klar zu ziehen. Zudem kann auch die technische Aufzeichnung in einigen Punkten dem menschlichen Auge überlegen sein, dann haben wir ein Potential, etwas verlustbehaftet zu komprimieren, ohne das es später bei der Betrachtung des Ergebnisses groß ins Gewicht fällt.
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#96 |
Registriert seit: 18.04.2012
Ort: A-4981 Reichersberg
Beiträge: 4.524
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Erstmal ich finde diesen Thread sehr informativ. Es ist schön die gegenteiligen Meinungen zu lesen.
Ich persönlich bin ein begeisterter Bildbearbeiter. Da wir in letzter Zeit viele Portraits machen, wären die Fotos ohne EBV einfach nicht das Selbe. Sicher kann man mit dem richtigen Licht und gezielter Lichtsetzung viel machen. Auch die richtige Schminktechnik kann einiges an Arbeit in der Nachbearbeitung ersetzen. Es würde unsere Models aber trotzdem nicht freuen wenn wir sie mit schlechter Haut oder Augenringen auf die Fotos bannen würden ![]() Jeder wünscht sich doch wenn man zum Fotografen geht, dass man möglichst schön abgebildet wird und nicht relatitätsnah mit den Augenringen von der Diskosession am Vortag. Natürlich kann man alles übertreiben und Portraits ala Fernsehzeitschriftcover machen. Selbst dieser Look hat seine Daseinsberechtigung irgendwo ![]() Wenn eine Retusche gut gemacht ist finde ich das schon sehr ansprechend. Ohne EBV könnte ich auch meine vielgeliebten Sternenfotos nicht realisieren, da mir das Geld für eine Nachführung fehlt, müssen hier Programme herhalten die den Sternenhimmel zusammenrechnen. Ich habe den Sternenhimmel ja so gesehen, die Kamera dreht sich halt leider nicht automatisch mit. Ich finde auch reine Photoshopkünstler faszinierend. Hier werden ganze Fantasiewelten geschaffen. Der Künstler muss aber trotzdem ein Gespür für Licht und Schatten haben und auch noch gut fotografieren können um die Personen richtig in das spätere künstlich erzeugte Bild perfekt einzufügen. Ich selbst habe auch ziemlich viel über die Fotografie bei der Bearbeitung meiner Bilder gelernt. Mir macht es einfach Spaß neue Filter auszuprobieren und am perfekten S/W Bild zu feilen.
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#97 |
Registriert seit: 11.04.2012
Beiträge: 3.086
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Realitätsnah ist für mich das, was man gesehen hat. Möglichst realistisch eben. Aber das ist weit schwieriger als man denkt. Ein Mensch sieht auch im Dunkeln. Aber das Auge passt sich an. Kommt man gerade in einen dunklen Raum rein, erkennt man fast nichts. Nach einer Weile aber kann man schon gut sehen. Beides ist realistisch, aber beides sind völlig unterschiedlich. Man könnte die Beispiele weiter fort führen. Auch die Brennweite und der Fokus des Auges auf einen Punkt und die Blende sind weitere Aspekte. Dann müsste man ja immer mit Blende 11 und 35mm oder so fotografieren.
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#98 |
Chefkoch, verstorben
Registriert seit: 11.02.2005
Ort: Starnberg
Beiträge: 13.622
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Diskussionen wie diese hier, kreisen letztendlich immer wieder um denselben Punkt: "Was ist Fotografie?" Für die einen ist es die möglichst unverfälschte Abbildung der Wirklichkeit.
Das Verb fotografieren leitet sich ab von altgriechisch photos graphia, zu Deutsch: malen mit Licht. Jetzt käme wohl kaum jemand auf die Idee, dass ein Maler nur dann ein guter Künstler ist, wenn er die Wirklichkeit möglichst unverfälscht abbildet. Warum wird dieser Anspruch immer wieder an den Fotografen gestellt? Ein Fotograf beschreibt die Welt so, wie er sie sieht oder sich vorstellt. Dazu gehört nun einmal auch, dass ich Bildbearbeitungssoftware benutze, um meine Vorstellung von der Welt umzusetzen. Das hat für mich übrigens nichts mit "Hype" zu tun. Ein Bildverarbeitungsprogramm ist für mich einfach ein Werkzeug, damit ich ein Bild so bekomme, wie ich es gerne hätte. LG Martin |
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#99 |
Registriert seit: 18.04.2012
Ort: A-4981 Reichersberg
Beiträge: 4.524
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Dank PS und Konsorten geht das so einfach wie nie, auch für kleines Geld. Lightroom hat mir schon das eine oder andere Foto gerettet, dass ich früher wegschmeißen musste.
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#100 |
Registriert seit: 14.01.2012
Ort: Landshut
Beiträge: 247
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Was ist der Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit?
Jeder hat seine eigene Realität aber es gibt nur eine Wirklichkeit. Oder anders: Jeder sieht die Dinge anders, hat also seine eigene Realität und so ist das auch in der Fotografie. Beim Film gibt es immer wieder heftige Diskussionen um Dokumentarfilme, die nach mancher Meinung die Wirklichkeit abbilden sollten, sie tun aber die Realität des Regisseurs oder Filmteams abbilden. Dazu gibt es einen Spruch eines Regisseurs: "Den letzen Dokumentarfilm, den ich gesehen habe, war die Aufnahme der Überwachungskamera in der Bank". Das kann man gut auf Fotografie übertragen: "Die einzigen Fotos, die die Wirklichkeit abbilden, sind die Fotos von Überwachungskameras." Fotos, die ich mache, bilden meine eigene Realität ab. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich diese Fotos nachträglich bearbeite oder nicht. Viele Grüße Martin |
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