Hallo Heinz,
Ihren Überlegungen liegt kein Denkfehler zu Grunde! Der Spiegel bzw. Spiegelkasten ist bei Filmkameras notwendig, wenn man das Motiv so sehen will, wie es nachher auf den Film kommt. Bei "Guckloch-Knipskameras" gibt es immer Probleme mit der Parallaxe (besonders im Nahbereich, außer bei der Leica-M-Serie) und mit dem virtuellen Bild. Beim virtuellen Bild korrigiert das Auge bzw. Gehirn ständig, so dass man nie Schärfe und Schärfentiefe beurteilen kann. Beim reellen Bild einer einäugigen Spiegelreflexkamera mit Einstellscheibe/Mattscheibe kann man dagegen Schärfe und Schärfentiefe (mit Abblendtaste) bestens beurteilen.
Der Raum für den Spiegel bedingt für die so genannten Schnittweite (von der Hinterlinse bis zur Filmebene) große Kompromisse in der Objektivkonstruktion. Besonders bei Weitwinkelobjektiven mit deren kurzen Brennweite würde man die Hinterlinse am liebsten unmittelbar für der Film/Chip-Ebene postieren. Aber das geht wegen des Spiegels nicht. Deshalb muss man dort zu aufwändigen Retro-Konstruktionen greifen.
Bei digitalen Kameras mit elektronischem Sucher kann der Spiegel vollständig entfallen, und man hat größere Freiheiten in der Objektivkonstruktion. Der Haken liegt jedoch dann in den Problemen bei Weitwinkelobjektiven, wenn deren Hinterlinse sehr nah an der Chipebene liegt (kleine Schnittweite). Dann nämlich fallen die Randstrahlen des Motivs sehr schräg auf Chip/Sensoren. Dem chemischen Film ist der Auftreffwinkel egal, aber schräges Auftreffen auf CCD/CMOS-Sensoren heißt gegenüber senkrechtem Auftreffen starke Abnahme der Lichtempfindlichkeit. Das quitieren die CCD/CMOS-Chips also mit inakzeptabel extremer Abdunklung an den Bildrändern.
Dies ist wohl auch der Grund, dass es bis jetzt kein Hersteller gewagt hat, extreme Weitwinkel-Wechselobjektive mit kleiner Schnittweite für Digitalkameras anzubieten. Eine digitale Rückwand für die Leica-M-Serie (kein Spiegel, kleine Schnittweite) wäre also völlig sinnlos und wird es deshalb wohl auch nie für die vorhandenen M-Objektive geben.
Ich gehe mit Ihnen einig, dass es bei den Digitalkameras über kurz oder lang keine Spiegelreflexkameras mehr geben wird. Wenn die elektronischen Sucher erst mal so fein und gut auflösen, dass sie einen vollwertiger Ersatz der Mattscheibe bieten, dann werden die Gehäuse kleiner, leichter, einfacher, und es entfällt der lästige Spiegelschlag. Und man hat im Sucher eine Sofortansicht (die heute bei den DSLRs ja noch immer fehlt) und eine elektronische Sucherbildverstärkung bei schlechten Lichtverhältnissen (wo der Spiegelreflexsucher versagt).
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