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Startseite » Forenübersicht » Kreativbereich » Vor der Aufnahme » Irrtümer über Einwilligungspflicht bei Fotos von Menschen
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Alt 30.06.2025, 14:58   #1
DerGoettinger
 
 
Registriert seit: 02.04.2019
Ort: Lübeck
Beiträge: 1.171
Irrtümer über Einwilligungspflicht bei Fotos von Menschen

In einem anderen Thema tauchte folgender Kommentar auf.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
.... na ja wenn plötzlich der Mensch wegen seiner fancy Mütze zum Star deines Fotos wird, brauchst du seine Erlaubnis – sonst wird’s rechtlich schnell ungemütlich. Die Regeln sind da ziemlich eindeutig. Du willst die Brücke ja als Hauptmotiv und nicht als Beiwerk im Mützen-Drama.
Das Thema ist sicherlich kompliziert, aber so, wie die Aussage hier getroffen wurde, ist sie schlichtweg falsch. Mit Bezug auf deutsches Recht sieht die Situation aktuell wie folgt aus: Ja, eigentlich dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Aber für diesen Grundsatz gibt es eine ganz zentrale Einschränkung:
Zitat:
Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
§ 23
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
  1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
  2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
  3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
  4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Wichtig ist hier das "höhere Interesse der Kunst", weil damit das im Grundgesetz Art. 5 Abs. 3 verankerte Recht auf Kunstfreiheit gemeint ist. Lt. Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Link) vom 8. Februar 2018 ist Streetfotografie als Kunstform anerkannt und fällt somit unter den Schutz des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG.

Das BVG sagt ausdrücklich, dass ein grundsätzlicher "Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung" von Streetfotos nicht besteht, weil dies das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unangemessen beinträchtig. Konkret sagt das BVG, dass Streetfotos Kunstwerke seien, weil sie "eine freie schöpferische Gestaltung" darstellen, "in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier der Fotografie, zur Anschauung gebracht werden." Es ist auch keine besondere künstlerische Formensprache notwendig, weil (Zitat BVG): "Es ist gerade Ziel der Straßenfotografie, die Realität unverfälscht abzubilden, wobei das spezifisch Künstlerische in der bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts und der Gestaltung mit fotografischen Mitteln zum Ausdruck kommt." Und: "Von der Kunstfreiheit ist nicht nur das Anfertigen der Fotografie, sondern auch deren Zurschaustellung im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Ausstellung erfasst."

Grundsätzlich funktionieren die Grundrechte so, dass alle Grundrechte gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es gibt kein Grundrecht, dass "höherwertiger" ist. Kein Grundrecht steht also über den anderen. Wenn sich ein Konflikt zwischen zwei Grundrechten ergibt, dann erfolgt eine sog. Abwägung: beide Grundrechte müssen Einschränkungen hinnehmen, und zwar soweit, dass beide Grundrechte bei Würdigung der konkreten Umstände quasi wieder "im Gleichgewicht zueinander stehen".

Auch die Kunstfreiheit kann akso durch andere Grundrechte einschränkt werden - z.B. durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer anderen Person gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Aber das gilt eben auch umgekehrt: das allgemeine Persönlichkeitsrechts einer Person kann durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit einer anderen Person eingeschränkt werden.

Lt. dem zitierten Urteil des BVG hat das Persönlichkeitsrecht in der Abwägung nur dann Vorrang gegenüber der Kunstfreiheit, wenn die Veröffentlichung eines Bildes eine konrekte und schwerwiegende Beeinträchtigung darstellt. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die Person unvorteilhaft oder herabsetzend abgebildet wird. Eine andere schwerwiegende Beeinträchtigung kann sein, dass das Foto "Einzelheiten der Privatsphäre" thematisiert oder das Foto in einer "von räumlicher Privatheit geprägten Situation" aufgenommen wurde. Wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege, dann ist das jedoch keine "von räumlicher Privatheit geprägten Situation".

Eine geringfügige Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen aber angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit eben nicht aus. Das sind Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, die von der fotografierten Person hingenommen werden müssen.

Im konstruierten Fall vom Anfang geht es um einen Menschen, der eine "fancy Mütze" trägt und "plötzlich" zum "Star" wird. Wie dies geschieht, ist nicht klar. Üblicherweise wird dies passieren, dass irgendwer (eine sog. "dritte Person") zufällig ein veröffentliches Bild sieht, es teilt und es dann "viral" geht.

Muss man dann als Fotograf sich (möglicherweise nachträglich) eine Einwilligung des Fotografierten holen? Nur dann, wenn bestimmte Umstände vorliegen.

Wo wurde das Foto gemacht:
Wenn ich von diesem Menschen ein Foto mache, während er mit der "fancy Mütze" auf dem Kopf in seiner eigenen Badewanne sitzt, dann ist das sicherlich ein schwerwiegender Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte und ich darf es ohne seine Einwilligung überhaupt nicht veröffentlichen, weil ihn das Foto in einer "von räumlicher Privatheit geprägten Situation" zeigt. Mache ich jedoch ein Foto von ihm auf der Straße, ist das keine "von räumlicher Privatheit geprägten Situation". Ich brauche also für die Veröffentlichung (also das "in Kontakt bringen des Bildes mit der Öffentlichkeit") grundsätzlich keine Einwilligung.

In welcher Situatiuation befindet sich der Fotografierte insgesamt
Fotografier ich ihn, während er Mütze tragend gerade am Rande des Oktoberfestes sturzbesoffen in den Holunderbusch kotzt, wird man wohl von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte ausgehen müssen, weil ihn das "unvorteilhaft oder herabsetzend abbildet". Wenn das Foto ihn hingegen "in einer gewöhnlichen Alltagssituation in der Öffentlichkeit" zeigt, wird es schwerlich eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte sein. Dann darf ich es im Rahmen der Kunstfreiheit veröffentlichen.

Und selbst wenn es "unvorteilhaft oder herabsetzend" ist, muss geprüft werden, ob die Person konkret als Einzelperson persönlich identifizierbar ist, zum Beispiel, ob man sein Gesicht erkennt oder nicht. Kotzt eine nicht identifizierbare Person am Rande des Oktoberfestes sturzbesoffen in den Holunderbusch, braucht man keine Einwilligung dieser Person, auch wenn sie eine "fancy Mütze" trägt ("Keine Ahnung wer das ist, aber wenigstens 'ne stylische Mütze"). Anders sieht es aus, wenn diese "fancy Mütze" so eigentümlich ist, dass man die kotzende Person allein aufgrund seiner Mütze als "diese eine Person (und keine sonst)" identifizieren kann ("Ah, schau mal, die Mütze. Der Hans Dosenkohl hab mal wieder zu sehr gefeiert"). Das geht nicht.

Wie wird das Bild veröffentlicht
Die "normale, für ein Foto im Allgemeinen übliche" Veröffentlichung wie zum Beispiel im Rahmen einer Fotoausstellung, eines Fotowettbewerbes oder ähnlichem, ist vom Begriff der Kunstfreiheit abgedeckt. Je mehr aber "vom Üblichen" abgewichen wird, desto mehr müssen andere Grundrechte dagegen abgewogen werden. Die überlebensgroße Darstellung eines Streetfotos mit einer Person darauf zum Zwecke der Werbung wird ohne Einwilligung schwierig. Zwar werden Fotos regelmäßig für Werbezwecke verwendet, aber die werden typischerweise auch genau dafür hergestellt. Für Streetfotos ist das nicht das, was man "im Allgemeinen und normalerweise" damit macht.

Wie konkret ist die Gefährdung
Und: die Beeinträchtigung muss nicht nur schwerwiegend sein, sondern die Beeinträchtigung muss mit der Veröffentlichung auch "konkret" werden. Die "bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung" (Zitat BVG) reicht nicht aus.

Ist von mir schon mal ein Bild viral gegangen? Nein. Ist es möglich, dass irgendwann mal ein Bild von mir viral geht (z.B von einem "Mann mit einer fancy Mütze")? Ja, möglich ist das schon. Könnte das dann eine "schwerwiegende Beeinträchtigung" der Persönlichkeitsrechte des Mannes bedeuten? Ja, möglicherweise schon. Aber das BVG sagt ja gerade ausdrücklich: "Die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung" reicht nicht aus, um die Veröffentlichung zu verbieten, weil das Grundrecht der Kunstfreiheit eben so stark ist.

Ergebnis mit Bezug auf das Eingangsposting:

Nur weil der Mensch möglicherweise wegen seiner fancy Mütze "plötzlich" zum Star eines Fotos werden könnte, braucht man seine Einwilligung für die Veröffentlichung nicht, auch nicht nachträglich. Aber es kann andere Gründe geben, warum man seine Einwilligung braucht.
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"Die ersten 10.000 Bilder sind die schlechtesten" - wahlweise Henri-Cartier Bresson, Jackson Pollock oder Helmut Newton zugeschrieben

Geändert von DerGoettinger (30.06.2025 um 16:29 Uhr)
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Alt 30.06.2025, 15:14   #2
HoSt
 
 
Registriert seit: 13.03.2006
Ort: Idstein
Beiträge: 3.781
Das Problem an der ganzen Thematik besteht mMn doch darin, dass Recht haben und Recht bekommen zwei Paar Schuhe sind...

Im konkreten Fall: Wenn der Mensch mit der Fancy Mütze Dir über seinen RA eine strafbewehrte Unterlassungserklärung schickt, wird das Ganze erst einmal teuer - weil du selbst einen RA brauchst... und ob du dann vor einem Gericht Recht bekommst
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Grüße aus dem Taunus
Holger

Kritik und Kommentare zu meinen Bildern sind immer wollkommen, auch im Bildercafé
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Alt 30.06.2025, 15:23   #3
kiwi05
 
 
Registriert seit: 01.10.2011
Ort: Alf / Mosel
Beiträge: 17.991
Genau meine Gedanken, Holger.
Beim Lesen ist das zwar alles ganz schlüssig, bis jemand kommt, der es anders sieht und anders interpretiert.
Und die persönliche Herabsetzung ist auch ein mehr als subjektiver Begriff.

Ich wünschte es wäre so klar und einfach.
Aber zumindest in Deutschland erlebe ich es nicht so.
Da wird häufig schon argwöhnisch geschaut, nur weil man eine „richtige Kamera“ trägt….und wehe man zückt sie.
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Kritik und Kommentare an meinen Bildern sind immer willkommen.
Euer Feedback hilft mir, mich fotografisch weiter zu entwickeln.

Grüße aus Alf an der Mosel
Peter
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Alt 30.06.2025, 15:43   #4
DerGoettinger

Themenersteller
 
 
Registriert seit: 02.04.2019
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Beiträge: 1.171
Zitat:
Zitat von kiwi05 Beitrag anzeigen
Genau meine Gedanken, Holger.
Beim Lesen ist das zwar alles ganz schlüssig, bis jemand kommt, der es anders sieht und anders interpretiert.
Ja, und? Muss man doch keine Angst vor haben. Nur weil eine andere Person es anders sieht und anders interpretiert, hat sie noch lange nicht Recht.

Zitat:
Zitat von kiwi05 Beitrag anzeigen
Und die persönliche Herabsetzung ist auch ein mehr als subjektiver Begriff.
Eben genau deswegen prüft ein Gericht das an objektiven Kriterien. Dass Du Dich möglicherweise persönlich herabgesetzt fühlst, ist dafür irrelevant.

In dem von mir verlinken Fall ging es um ein Streetfoto, das nicht einfach in der Ausstellung zu sehen war, sondern "über Wochen auf einer großformatigen Stelltafel an einer der verkehrsreichsten Straßen einer Millionenstadt", und das vor allem auch in unmittelbarer Nähe zum Aufnahmeort, also in dem Kiez, wo die abgebildete Person wahrscheinlich lebte. "Insofern sei die Klägerin einer breiten Masse als Blickfang ausgesetzt worden und nicht, wie in einer Kunstausstellung regelmäßig zu erwarten, lediglich der Betrachtung durch kunstinteressierte Besucher."

Darin (und nur darin) hat das erstinstanzliche Gericht (bestätigt durch das BVG) die besondere Persönlichkeitsverletzung gesehen. Dass das Bild ausgestellt wurde, war kein Problem. Problematisch war allein das Wie. Insoweit musste der Beklagte die Anwaltskosten der Klägerin für die Abmahnung / strafbewehrte Unterlassungserklärung tragen (weil das eben "abmahnungswürdig" war). Die Klägerin wollte aber zusätzlich auch noch eine Geldentschädigung sowie eine fiktive Lizenzgebühr (und auch die Anwaltskosten für diesen Teil der Klage). Und damit ist sie krachend gescheitert und auf ihren Anwaltskosten hängen geblieben.
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Geändert von DerGoettinger (30.06.2025 um 16:33 Uhr)
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Alt 30.06.2025, 15:53   #5
kiwi05
 
 
Registriert seit: 01.10.2011
Ort: Alf / Mosel
Beiträge: 17.991
Auf solche Rechstreitigkeiten muss man aber im Zweifel richtig Lust haben.

Mir wären es weder Nerven noch Zeit wert in einen Rechtsstreit mit offenem Ausgang zu gehen…..nur wegen eines Bildes für einen Hobbyfotografen.
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Grüße aus Alf an der Mosel
Peter
kiwi05 ist offline   Mit Zitat antworten
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Alt 30.06.2025, 16:00   #6
DerGoettinger

Themenersteller
 
 
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Ort: Lübeck
Beiträge: 1.171
Zitat:
Zitat von kiwi05 Beitrag anzeigen
Auf solche Rechstreitigkeiten muss man aber im Zweifel richtig Lust haben.

Mir wären es weder Nerven noch Zeit wert in einen Rechtsstreit mit offenem Ausgang zu gehen…..nur wegen eines Bildes für einen Hobbyfotografen.
Ich dreh die Frage mal um: Wieviele Fotografierte haben wohl Lust auf einen Rechtsstreit mit einem Fotografen, der seine Rechte aus § 23 KUG im Zusammenhang mit Art 5 Abs. 3 GG kennt?

Und hängst Du ernsthaft Streetfotos in 120 x 140 über Wochen draußen an einer der verkehrsreichsten Straßen in einer Millionenstadt auf mit Menschen darauf, die auch noch in dem Kiez wohnen? Ja, dann musst Du wohl damit rechnen, dass Du die Anwaltskosten für die Abmahnung zahlen musst. Aber auch nur dann. Und keine Bange: selbst dann brauchst Du keine Angst vor Schmerzensgeld oder fiktiven Lizenzgebühren haben (siehe der verlinkte Fall des BVG).

Meine Veröffentlichungsmethoden sind deutlich "normaler".
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Geändert von DerGoettinger (30.06.2025 um 16:24 Uhr)
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Alt 30.06.2025, 15:42   #7
DerGoettinger

Themenersteller
 
 
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Beiträge: 1.171
Zitat:
Zitat von HoSt Beitrag anzeigen
Das Problem an der ganzen Thematik besteht mMn doch darin, dass Recht haben und Recht bekommen zwei Paar Schuhe sind...

Im konkreten Fall: Wenn der Mensch mit der Fancy Mütze Dir über seinen RA eine strafbewehrte Unterlassungserklärung schickt, wird das Ganze erst einmal teuer - weil du selbst einen RA brauchst... und ob du dann vor einem Gericht Recht bekommst
Wir bleiben beim Thema Rechtsirrtümer:

Nur weil mir jemand eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zuschickt, muss ich sie ja nicht unterschreiben. Und wenn ich nichts unterschreibe, muss ich auch keinen gegnerischen Anwalt bezahlen. Wofür denn? Dass ich einen Brief bekommen soll, war allein seine Entscheidung.

Was wird dann weiter passieren? Wahrscheinlich wird die Gegenseite Klage erheben. Dann würde ich mir zur Unterstützung sicherlich einen Rechtsanwalt. Aber genau für die Fälle habe ich ja auch eine Rechtsschutzversicherung. Wichtig ist dabei, die Versicherungsbedingungen zu prüfen.

Und den Ball mit dem "Recht bekommen" spiel ich gern zurück: dass die Gegenseite Recht bekommt, ist genauso unklar. Man muss halt seinen Standpunkt gut argumentieren. Grundrechte sind immer starke Argumente, und Art. 5 Abs. 3 GG ist ein Grundrecht.
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Geändert von DerGoettinger (30.06.2025 um 15:45 Uhr)
DerGoettinger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt Gestern, 13:01   #8
Man
 
 
Registriert seit: 28.03.2004
Ort: D-53913 Swisttal
Beiträge: 2.697
Zitat:
Zitat von DerGoettinger Beitrag anzeigen
...Lt. dem zitierten Urteil des BVG ...
Kannst du das Urteil bitte mal einstellen (Link)?

Es gibt einen Beschluss des BVerfG vom 08.02.2018 zur Straßenfotografie - das war aber noch vor Inkrafttreten der DSGVO.

Das Landgericht Frankfurt hat in seinem Urteil vom 13. September 2018 den Fall zu entscheiden gehabt, dass ein Betreiber eines Friseursalons ein Video auf Facebook veröffentlichte, auf dem eine seiner Kundinnen während des Besuchs in dem Salon zu sehen war. Die Kundin hatte gerichtlich bestritten, Ihre Einwilligung dazu gegeben zu haben und bekam Recht.

Es gab der Erinnerung nach mal ein Urteil (ob das vom BVG war, weiß ich allerdings nicht), in dem es um desn Fall ging, dass eine Frau fotografiert wurde (Streetfotografie) und dieses Bild in einer Kunstausstellung gezeigt wurde.
In diesem speziellen Fall bekam die Frau, welche auf Unterlassung geklagt hatte, kein Recht.

Ich bin kein Rechtsanwalt, kann also keine Rechtsberatung geben, nur meine Meinung dazu äußern:
DSGVO erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese werden als Erlaubnistatbestände in der DSGVO aufgeführt.

Erlaubnistatbestände, die bei Fots zum tragen kommen können, sind:
- Einwilligung. Der Fotografierte, bei Minderhährigen deren beide Sorgeberechtigten, geben Ihre Einwilligung.
- Auftragsfotografie. Zum Beispiel Auftrag zur fotografischen Begleitung einer Hochzeit.
- Berechtigtes Interesse. Das hat zum Beispiel der Auftraggeber. Wird Recht am eigenen Bild (Einwilligung bzw. deren Widerruf) geltend gemacht, geht das immer vor.

In einigen Fällen zählt DSGVO nicht:
- Hauhaltsausnahme. Fotos im persönlichen oder familiären Umfeld.
- Fotos von Verstorbenen. Da gibt es "nur" ein nachwirkendes Persönlichkeitsrecht, welches z. B. den Verstorbenen verunglimpfende Fotos verbietet.
- Medienpriveleg. Personenfotos zu jounalistischen Zwecken. Das wird meines Wissens aber sehr eng ausgelegt = Bestitz eines Presseausweises reicht nicht, man muss den überwiegenden Teil seines Einkommens über dies Pressearbeit (Fotojournalist) verdienen.

Vertrag. Allgemein empfohlen wird gern der Abschluss eines Vertrages (kann auch TfP-Vertrag sein), um das Thema DSGVO zu umschiffen. Wird das Model bezahlt, könnte ich mir vorstellen, dass eine Geltendmachung der Rechte am eignen Bild (Verbot der Veröffentlichung) für das Model schwierig bis unmöglich sein wird - bei TfP-Verträgen halte ich das (Widerspruch hat Erfolg) zumindest für denkbar.

Es wäre schon interessant, ob und wie das BVG DSGVO (Einwilligung) im Verhältnis zum Beispiel zum KUG (Veröffentlichung) sieht.
Logisch wäre eigentlich dass es zu gar keiner Veröffentlichung gemäß KUG kommt, wenn das Foto lt. DSGVO nicht aufgenommen werden darf.
__________________
Das Leben ist hart, ungerecht.......und endet mit dem Tode.
Ich persönlich bevorzuge das Leben (trotzdem).
Man ist offline   Mit Zitat antworten
Alt Gestern, 13:30   #9
DerGoettinger

Themenersteller
 
 
Registriert seit: 02.04.2019
Ort: Lübeck
Beiträge: 1.171
Zitat:
Zitat von Man Beitrag anzeigen
Kannst du das Urteil bitte mal einstellen (Link)?
Urteil des BVerfG vom 8. Februar 2018 - 1 BvR 2112/15
Urteil des BGH vom 07.07.2020 - VI ZR 250/19

Zitat:
Zitat von Man Beitrag anzeigen
Das Landgericht Frankfurt hat in seinem Urteil vom 13. September 2018 den Fall zu entscheiden gehabt, dass ein Betreiber eines Friseursalons ein Video auf Facebook veröffentlichte, auf dem eine seiner Kundinnen während des Besuchs in dem Salon zu sehen war. Die Kundin hatte gerichtlich bestritten, Ihre Einwilligung dazu gegeben zu haben und bekam Recht.
Ist schwerlich vergleichbar, weil ein Video aus deinem Friseursalon schwerlich "einem höheren Interesse der Kunst dient". Zumindest war die Veröffentlichung sicher nicht "künstlerisch intendiert", sondern wohl eher allein zum Zwecke der Werbung. Da greift keine der Öffnungsklauseln des § 23 KUG. Insofern bedarf es tatsächlich der Zustimmung. Das Problem ist dann - und darum geht es eigentlich im Kern dieses Falles - die nachträgliche Beweisbarkeit der gegebenen Einwilligung. Nehmen wir an, die Kundin hat im Zusammenhang mit dem Filmen gesagt "Joah, kannste posten", dann haben wir rechtlich gesehen eine absolut gültige Einwilligung. Kommt es aber später zum Streit und die Kundin behauptet jetzt, sie hätte keine Einwilligung gegeben, dann braucht das Gericht entweder einen Beweis (z.B. "was Schriftliches" oder einen entsprechenden Videomitschnitt, auf dem die Kundin sagt "Joah, kannste posten"), oder muss nach den Umständen entscheiden. Und "Werbevideos" stehen nicht unter einem besonderen Schutz des Grundgesetzes.

Zitat:
Zitat von Man Beitrag anzeigen
Es gab der Erinnerung nach mal ein Urteil (ob das vom BVG war, weiß ich allerdings nicht), in dem es um desn Fall ging, dass eine Frau fotografiert wurde (Streetfotografie) und dieses Bild in einer Kunstausstellung gezeigt wurde.
In diesem speziellen Fall bekam die Frau, welche auf Unterlassung geklagt hatte, kein Recht.
Das wird der Fall sein, den ich eben beschrieben habe. Gegen die Verwendung des Bildes im Rahmen der Ausstellung konnte sie sich nicht wehren. Das musste sie hinnehmen. Problematisch allein war, dass das Bild von ihr (als eines von ganz wenigen) überlebensgroß dargestellt war und dadurch nicht nur von den Betrachtern der Ausstellung, sondern auch von der Masse der vorbeifahrenden Autos auf einer der meistbefahrenen Straßen Berlins als "besonders hervorgehoben" wahrzunehmen war. Dafür hat sie die Anwaltskosten von ca. 790,- € ersetzt bekommen, aber ansonsten weder Schadensersatz noch nachträgliche Lizenzgebühren. Und die Gerichtskosten musste sie auch noch zum größten Teil tragen.

Zitat:
Zitat von Man Beitrag anzeigen
Es wäre schon interessant, ob und wie das BVG DSGVO (Einwilligung) im Verhältnis zum Beispiel zum KUG (Veröffentlichung) sieht.
Genau das ist für journalistische Fotos geklärt: es zählt allein und ausschließlich das KUG (Link zum Urteil oben in diesem Posting)

Zitat:
Zitat von Man Beitrag anzeigen
Logisch wäre eigentlich dass es zu gar keiner Veröffentlichung gemäß KUG kommt, wenn das Foto lt. DSGVO nicht aufgenommen werden darf.
Dem widerspreche ich:
  1. Journalistische Fotos (als Teil der Pressefreiheit) und künstlerische Fotos (als Teil der Kunstfreiheit) sind grundsätzlich über Artikel 5 GG (Meinungsfreiheit) geschützt. Wenn der BGH für journalistische Fotos die Anwendbarkeit der DSGVO komplett ausschließt und allein das KUG als maßgeblich ansieht (siehe oben verlinktes Urteil), dann muss auch für künstlerische Fotos das KUG zumindest weit reichen (Öffnungsklausel in Art. 85 Abs. 2 DSGVO, der die "künstlerischen Zwecke" gleichberechtigt neben die "journalistischen Zwecke" stellt).
  2. Die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG schützt schon die Erstellung von Kunstwerken, nicht erst deren Verbreitung. Gleiches muss auch für § 23 KUG gelten. Auch wenn § 23 KUG ausdrücklich "nur" die "Verbreitung oder Schaustellung" erwähnt, ist damit das Fotografieren dennoch durch § 23 KUG mitgeschützt.
  3. Damit ist es schlichtweg unmöglich, dass die DSGVO dieses Grundprinzip aushebelt und das Veröffentlichen erlaubt, das (notwendige vorherige) Fotografieren aber untersagt.
__________________
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Geändert von DerGoettinger (Gestern um 13:38 Uhr)
DerGoettinger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt Gestern, 17:23   #10
Irmi
 
 
Registriert seit: 07.09.2003
Ort: Sauerland 59***
Beiträge: 11.201
Ihr seht, wie schwierig das Thema ist und deshalb habe ich für mich beschlossen, keine Menschen zu fotografieren, die man erkennen kann.
__________________
Gruß aus dem Sauerland Irmgard (IRMI) I.M.A f to / meine Glerie hier / I.M.A lerei
Ein Foto stellt den Augenblick dar, die Malerei die Interpretation
Irmi ist offline   Mit Zitat antworten
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