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Startseite » Forenübersicht » Kreativbereich » Vor der Aufnahme » Irrtümer über Einwilligungspflicht bei Fotos von Menschen
 
 
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Alt 30.06.2025, 14:58   #1
DerGoettinger
 
 
Registriert seit: 02.04.2019
Ort: Lübeck
Beiträge: 1.187
Irrtümer über Einwilligungspflicht bei Fotos von Menschen

In einem anderen Thema tauchte folgender Kommentar auf.

Zitat:
Zitat von RWI Beitrag anzeigen
.... na ja wenn plötzlich der Mensch wegen seiner fancy Mütze zum Star deines Fotos wird, brauchst du seine Erlaubnis – sonst wird’s rechtlich schnell ungemütlich. Die Regeln sind da ziemlich eindeutig. Du willst die Brücke ja als Hauptmotiv und nicht als Beiwerk im Mützen-Drama.
Das Thema ist sicherlich kompliziert, aber so, wie die Aussage hier getroffen wurde, ist sie schlichtweg falsch. Mit Bezug auf deutsches Recht sieht die Situation aktuell wie folgt aus: Ja, eigentlich dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Aber für diesen Grundsatz gibt es eine ganz zentrale Einschränkung:
Zitat:
Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
§ 23
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
  1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
  2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
  3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
  4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Wichtig ist hier das "höhere Interesse der Kunst", weil damit das im Grundgesetz Art. 5 Abs. 3 verankerte Recht auf Kunstfreiheit gemeint ist. Lt. Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Link) vom 8. Februar 2018 ist Streetfotografie als Kunstform anerkannt und fällt somit unter den Schutz des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG.

Das BVG sagt ausdrücklich, dass ein grundsätzlicher "Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung" von Streetfotos nicht besteht, weil dies das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unangemessen beinträchtig. Konkret sagt das BVG, dass Streetfotos Kunstwerke seien, weil sie "eine freie schöpferische Gestaltung" darstellen, "in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier der Fotografie, zur Anschauung gebracht werden." Es ist auch keine besondere künstlerische Formensprache notwendig, weil (Zitat BVG): "Es ist gerade Ziel der Straßenfotografie, die Realität unverfälscht abzubilden, wobei das spezifisch Künstlerische in der bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts und der Gestaltung mit fotografischen Mitteln zum Ausdruck kommt." Und: "Von der Kunstfreiheit ist nicht nur das Anfertigen der Fotografie, sondern auch deren Zurschaustellung im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Ausstellung erfasst."

Grundsätzlich funktionieren die Grundrechte so, dass alle Grundrechte gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es gibt kein Grundrecht, dass "höherwertiger" ist. Kein Grundrecht steht also über den anderen. Wenn sich ein Konflikt zwischen zwei Grundrechten ergibt, dann erfolgt eine sog. Abwägung: beide Grundrechte müssen Einschränkungen hinnehmen, und zwar soweit, dass beide Grundrechte bei Würdigung der konkreten Umstände quasi wieder "im Gleichgewicht zueinander stehen".

Auch die Kunstfreiheit kann akso durch andere Grundrechte einschränkt werden - z.B. durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer anderen Person gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Aber das gilt eben auch umgekehrt: das allgemeine Persönlichkeitsrechts einer Person kann durch das Grundrecht auf Kunstfreiheit einer anderen Person eingeschränkt werden.

Lt. dem zitierten Urteil des BVG hat das Persönlichkeitsrecht in der Abwägung nur dann Vorrang gegenüber der Kunstfreiheit, wenn die Veröffentlichung eines Bildes eine konrekte und schwerwiegende Beeinträchtigung darstellt. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die Person unvorteilhaft oder herabsetzend abgebildet wird. Eine andere schwerwiegende Beeinträchtigung kann sein, dass das Foto "Einzelheiten der Privatsphäre" thematisiert oder das Foto in einer "von räumlicher Privatheit geprägten Situation" aufgenommen wurde. Wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege, dann ist das jedoch keine "von räumlicher Privatheit geprägten Situation".

Eine geringfügige Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen aber angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit eben nicht aus. Das sind Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, die von der fotografierten Person hingenommen werden müssen.

Im konstruierten Fall vom Anfang geht es um einen Menschen, der eine "fancy Mütze" trägt und "plötzlich" zum "Star" wird. Wie dies geschieht, ist nicht klar. Üblicherweise wird dies passieren, dass irgendwer (eine sog. "dritte Person") zufällig ein veröffentliches Bild sieht, es teilt und es dann "viral" geht.

Muss man dann als Fotograf sich (möglicherweise nachträglich) eine Einwilligung des Fotografierten holen? Nur dann, wenn bestimmte Umstände vorliegen.

Wo wurde das Foto gemacht:
Wenn ich von diesem Menschen ein Foto mache, während er mit der "fancy Mütze" auf dem Kopf in seiner eigenen Badewanne sitzt, dann ist das sicherlich ein schwerwiegender Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte und ich darf es ohne seine Einwilligung überhaupt nicht veröffentlichen, weil ihn das Foto in einer "von räumlicher Privatheit geprägten Situation" zeigt. Mache ich jedoch ein Foto von ihm auf der Straße, ist das keine "von räumlicher Privatheit geprägten Situation". Ich brauche also für die Veröffentlichung (also das "in Kontakt bringen des Bildes mit der Öffentlichkeit") grundsätzlich keine Einwilligung.

In welcher Situatiuation befindet sich der Fotografierte insgesamt
Fotografier ich ihn, während er Mütze tragend gerade am Rande des Oktoberfestes sturzbesoffen in den Holunderbusch kotzt, wird man wohl von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte ausgehen müssen, weil ihn das "unvorteilhaft oder herabsetzend abbildet". Wenn das Foto ihn hingegen "in einer gewöhnlichen Alltagssituation in der Öffentlichkeit" zeigt, wird es schwerlich eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte sein. Dann darf ich es im Rahmen der Kunstfreiheit veröffentlichen.

Und selbst wenn es "unvorteilhaft oder herabsetzend" ist, muss geprüft werden, ob die Person konkret als Einzelperson persönlich identifizierbar ist, zum Beispiel, ob man sein Gesicht erkennt oder nicht. Kotzt eine nicht identifizierbare Person am Rande des Oktoberfestes sturzbesoffen in den Holunderbusch, braucht man keine Einwilligung dieser Person, auch wenn sie eine "fancy Mütze" trägt ("Keine Ahnung wer das ist, aber wenigstens 'ne stylische Mütze"). Anders sieht es aus, wenn diese "fancy Mütze" so eigentümlich ist, dass man die kotzende Person allein aufgrund seiner Mütze als "diese eine Person (und keine sonst)" identifizieren kann ("Ah, schau mal, die Mütze. Der Hans Dosenkohl hab mal wieder zu sehr gefeiert"). Das geht nicht.

Wie wird das Bild veröffentlicht
Die "normale, für ein Foto im Allgemeinen übliche" Veröffentlichung wie zum Beispiel im Rahmen einer Fotoausstellung, eines Fotowettbewerbes oder ähnlichem, ist vom Begriff der Kunstfreiheit abgedeckt. Je mehr aber "vom Üblichen" abgewichen wird, desto mehr müssen andere Grundrechte dagegen abgewogen werden. Die überlebensgroße Darstellung eines Streetfotos mit einer Person darauf zum Zwecke der Werbung wird ohne Einwilligung schwierig. Zwar werden Fotos regelmäßig für Werbezwecke verwendet, aber die werden typischerweise auch genau dafür hergestellt. Für Streetfotos ist das nicht das, was man "im Allgemeinen und normalerweise" damit macht.

Wie konkret ist die Gefährdung
Und: die Beeinträchtigung muss nicht nur schwerwiegend sein, sondern die Beeinträchtigung muss mit der Veröffentlichung auch "konkret" werden. Die "bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung" (Zitat BVG) reicht nicht aus.

Ist von mir schon mal ein Bild viral gegangen? Nein. Ist es möglich, dass irgendwann mal ein Bild von mir viral geht (z.B von einem "Mann mit einer fancy Mütze")? Ja, möglich ist das schon. Könnte das dann eine "schwerwiegende Beeinträchtigung" der Persönlichkeitsrechte des Mannes bedeuten? Ja, möglicherweise schon. Aber das BVG sagt ja gerade ausdrücklich: "Die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung" reicht nicht aus, um die Veröffentlichung zu verbieten, weil das Grundrecht der Kunstfreiheit eben so stark ist.

Ergebnis mit Bezug auf das Eingangsposting:

Nur weil der Mensch möglicherweise wegen seiner fancy Mütze "plötzlich" zum Star eines Fotos werden könnte, braucht man seine Einwilligung für die Veröffentlichung nicht, auch nicht nachträglich. Aber es kann andere Gründe geben, warum man seine Einwilligung braucht.
__________________
"Die ersten 10.000 Bilder sind die schlechtesten" - wahlweise Henri-Cartier Bresson, Jackson Pollock oder Helmut Newton zugeschrieben

Geändert von DerGoettinger (30.06.2025 um 16:29 Uhr)
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