Tschernobyl Trip
Bin selber Strahlenschutzbeauftragter und freier Journalist und kann der Idee, Tschernobyl zu besuchen durchaus etwas abgewinnen und spekuliere selber damit
für den Sommer heuer.
Wesentlich ist jedoch, dass man folgende Risiken abwägen muss:
Der Aufenthalt während der gesamten Reise in der Sperrzone bringt eine erhöhte Strahlendosis.
Wenn die offiziellen Angaben stimmen, hat man dort mit Ortsdosisleistungen zu tun, die
ca. 10-20µSv/h betragen. Einer Dosisleistung von 5µSv/h ist man bei jedem Transatlantikflug ausgesetzt.
Zum Vergleich: Der Sockel des Goethe-Denkmals an der Wiener Ringstrasse strahlt mit 1µSv/h, wäre eigentlich gemäß Strahlenschutzgesetz heutzutage genehmigungspflichtig und besteht aus Urangranit aus der Tschechei. Also wenn ihr mal dort auf dem Sockel sitzt, denkt mal dran.
Die Direktstrahlung macht mir dort keine Sorgen sondern eher die Radionuklide, die durch den Spaziergang aufgewirbelt werden bzw. durch den Staub in den Häusern von Pripjat.
Als Ausrüstung würde ich auf alle Fälle einen CE-zertifizierten Einwegoverall gemäß EN 1073-2 (Schutz vor radioaktiver Partikel) nehmen, und eine Ce-zertifizierte FFP3-Mundmaske samt Kappe oder Haarschutz und Gummihandschuhe. Auch wenn du von den anderen Mitfahrern ausgelacht wirst, es ist deine Lunge und deine Haut, die du vor den Partikel schützt. Sobald du eine Dosisleistung über 300 nSv/h, also 0,3 µSv/h ca. 1,5m über dem Boden messen kannst, sind strahlende Partikel in der Luft. Die werden sicherlich noch vom Sarkopharg freigesetzt bzw. von der Umgebung aufgewirbelt.
Achtet auch, dass ihr euch nicht wo verletzt. Auf alle Fälle Pflaster mitnehmen.
Will jetzt nicht dramatisieren wegen einem Tagesausflug aber wozu die Inhalationsdosis zusätzlich in Kauf nehmen, wenn man diese minimieren kann.
Und ab dem Eintreten in die Sperrzone bis zurück zum Hotel möglichst nicht trinken, essen und rauchen! Damit würde man radioaktive Partikel aufnehmen.
Nach dem Besuch würde ich den Einwegoverall, die Schuhe und Maske noch vor dem Hotel entsorgen und danach im Hotel die restliche Wäsche entsorgen. Danach die Geräte dekontaminieren. Da genügt ein feuchtes Tuch mit Spülmittel.
Und danach sofort ausgiebig duschen und die Haare sehr intensiv waschen!!!
Die Dinge vom Ausflug bis zur Dekontamination im Hotelzimmer getrennt von den frischen Sachen lagern!
Letztlich würde ich mir ein persönliches Dosimeter mitnehmen, falls man keinen Geigerzähler hat. TLD-Thermolumineszenzdosimeter kosten ca. 10,- und lassen sich von einem Labor sicher auswerten. Sonst kosten elektronische ca. 500,-, zeigen aber die Dosis und Ortsdosisleistung sofort an. (zB GRAETZ ED 150, SIEMENS MDK 2, AUTOMESS )
Also, keine Angst, wenn man die Ratschläge befolgt hat man sicher einen aufregenden Besuch vor sich aber verharmlosen würde ich diese Reise auch nicht. Gänzlich frei von Risiko für die Gesundheit ist sie sicher nicht. Wenn Ihr meine Ratschläge befolgt seid ihr auf der absolut sicheren Seite.
Rechnet aber, dass Ihr eine Direktstrahlungsdosis von ca. 20 µSv abbekommen werdet.
Die Allgemeinbevölkerung darf pro Jahr 1mSv, also 1000 µSv abbekommen.
Ps: Das mit den Lichtblitzern auf den Bildern ist ein Blödsinn. Da müssten schon
Ortsdosisleistungen im Sv/h Bereich vorherrschen, bis der Film dadurch in der
Kamera belichtet wird. Und CCD-Blöcke reagieren erst bei diesen Dosisleistungen ähnlich mit Blitzern. Da würde ich laufen, wenn ich sowas im Bild sehe.
Die besagten Fotos von Igor Kostin, die er am Dach des Reaktorgebäudes gemacht hat,
wurden bei Ortsdosisleistungen im Bereich von 10-50 Sv/h (!!!!) gemacht.
Geändert von Experte (25.04.2011 um 00:37 Uhr)
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