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Startseite » Forenübersicht » Kreativbereich » Foto-Monatsthema » Monatsthema September 2021: "Die Geschichte hinter dem Bild" (Bilder und Geschichten)
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Alt 12.09.2021, 15:38   #11
Tom#2
 
 
Registriert seit: 09.09.2021
Ort: Ganz tief im Westen
Beiträge: 63
Wenn man den Begriff Tschernobyl hört haben die meisten Leute direkt ein paar Bilder vor Augen, das war bei mir nicht anders.
Die meisten haben vor ihrem geistigen Auge das Riesenrad bzw. den Vergnügungspark der nie eröffnet wurde, den alten oder gar neuen Sarkophag, Bilder der Geisterstadt Prypjat, manche erinnern sich noch an 1986 als die Bilder vom Hubschrauber aus durchs Fernsehen gingen.
Für mich aber ist es ein anderes Bild welches ich mit dem Begriff Tschernobyl verbinde, ein Graffiti, das etwa sechs Meter hohe Graffiti wurde 2016 zum 30. Jahrestag der Katastrophe vom australischen Künstler Guido van Helton angebracht.
Als ich dann am 2.ten Tag unserer Tour davor stand sagte ich zu mir selber:"Jetzt bin ich angekommen!" Weil mit diesem Bild eigentlich alles gesagt ist was darüber zu sagen ist.


Bild in der Galerie
__________________
Gruß vom Opa
Tom

Geändert von Tom#2 (12.09.2021 um 22:20 Uhr)
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Alt 13.09.2021, 21:06   #12
Noringer
 
 
Registriert seit: 17.03.2013
Ort: Nürnberg
Beiträge: 77

Bild in der Galerie

Ein flaues Bild, das nicht einmal beim besten Willen als Ansichtskarte durchgehen kann? Was soll das?
Nun, um diese Frage zu beantworten, muss ich weit in der Zeit zurückgehen, genau 50 Jahre. Ich war damals gerade volljährig geworden und wollte einfach ohne festes Ziel per Inter-Rail Frankreich erkunden. Meine erste Anlaufstation war Paris, das ich mir zwei Wochen lang erwanderte. Von dort aus wollte ich entscheiden, wohin die weitere Reise gehen soll. Ich erwanderte mir die Stadt zwei Wochen lang und hatte danach die Nase gestrichen voll von der Sommerhitze, den Abgasen und dem Häusermeer. Aber wohin sollte ich vor all dem flüchten? Da kam mir der Zufall zuhilfe. Mein kleines, billiges Hotel lag genau neben dem Gare de l’Est (Ostbahnhof), in dem sich ein kleiner Zeitschriftenkiosk mit ein paar deutschsprachigen Zeitungen befand. Beim Stöbern fiel mir ein Buchständer mit deutschsprachigen Büchern auf, unter denen ein Buch meine besondere Aufmerksamkeit erregte: Kurt Tucholskys „Ein Pyrenäenbuch“. In ihm beschreibt Tucholsky, auf seine unnachahmliche Art, seine Reise durch die französischen Pyrenäen, die ihn 1927 vom Atlantik bis zum Mittelmeer führte.
Dieses Buch brachte in mir etwas zum Klingen – ich musste in die Pyrenäen. Also ab zum Gare d’Austerlitz, hinein in den Schnellzug nach Toulouse und von dort mit dem Nahverkehrszug weiter bis zur Endstation La Tour de Carol. Pyrenäen, La Tour de Carol, Cerdagne, Andorra. Schon allein diese Namen bargen etwas Geheimnisvolles, zogen mich magisch an.
Es stellte sich heraus, dass ich die richtige Standortwahl getroffen hatte, denn der Bahnhof La Tour de Carol – Enveigt (zwei Ortschaften mit zusammen 4500 Einwohnern) war der Grenzbahnhof nach Spanien, ein Verkehrsknotenpunkt im Gebirge. Von ihm aus konnte ich in jede beliebige Richtung meine Ausflüge starten. Es gab Zugverbindungen nach Perpignan und Barcelona, einen Nachtzug nach Paris und eine Buslinie nach Andorra. Also ideal für meine Bedürfnisse.
Der geneigte Leser mag sich fragen: Viele Worte, aber was ist denn nun mit dem Foto? Kerl, komm endlich zum Punkt!
Gemach, noch zwei Sätze und wir sind mittendrin. Ich wollte ein Gefühl dafür erzeugen, was mir die Pyrenäen bedeuten, was meine Seele zum Klingen bringt und was mir später (überspitzt formuliert) den „Schock meines Lebens“ bescherte.
Ich nahm nach ein paar Tagen den Bus nach Andorra, ein altes Gefährt, das seine besten Tage in Deutschland verbracht haben musste, denn überall waren noch die deutschen Hinweis- und Verbotsschilder angebracht: „Nicht hinauslehnen“, „Nicht mit dem Fahrer sprechen“, usw. Nun denn, der Bus und ich kamen glücklich in Andorra an, nach einer Fahrt über schmale und kurvige Straßen und zwei Pässen, die das Transportmittel gerade noch so bewältigte.
In der Hauptstadt Andorra la Vella suchte ich mir ein billiges Hotel und stöberte als Erstes in den Land- und Wanderkarten, was es denn Sehenswertes gäbe. Dabei fiel mir auf, dass es ganz in der Nähe eine Kirche in einer Schlucht gab, die sehr interessant erschien. Als ich nach relativ kurzem Fußmarsch dort ankam, wurden meine Erwartungen noch weit übertroffen. Dieses Gesamtensemble aus romanischer Steinbogenbrücke, der kleinen Kirche am Grunde der Schlucht, der Heiligengrotte in der Felswand neben der Straße und dem durch sein enges Bett tosenden Fluss zog mich in seinen Bann.
Und damit sind wir bei dem Foto und meinem Einstieg in die Fotografie. Um eine dauerhafte Erinnerung an dieses Erlebnis zu haben kaufte ich gleich am nächsten Tag (zoll- und steuerfrei) meinen ersten Fotoapparat, eine Minolta Himatic 7s und einen Farbnegativfilm. Die Ergebnisse meiner fotografischen Bemühungen waren allerdings alles andere als berauschend, denn ich hatte von Fotografie gerade so viel Ahnung, dass ich wusste: „Hinten sieht man rein und vorne kommt ein Vögelchen heraus.“ Aber immerhin, der Einstieg in die Fotografie war geschafft. Außerdem hatte mich das „Pyrenäenvirus“ gepackt.
Ich war in den nächsten Jahren (Jahrzehnten) immer wieder mal auf Urlaub in den Pyrenäen an unterschiedlichen Orten, aber versäumte nie „meiner“ Kirche und „meiner“ Schlucht einen Besuch abzustatten.
Doch wie heißt es so schön: „Der Frust lauert überall und schlägt irgendwann zu“. So auch hier. In unserem ersten gemeinsamen Urlaub in den Pyrenäen wollte ich meiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau meinen Lieblingsort in den Pyrenäen zeigen. Wir fuhren also los, doch was war das? Wo war meine Kirche? Wir fuhren doch gerade durch meine Schlucht? Aber wo war dann die Heiligengrotte in der Felswand? Was sollte das ganze Geröll, das das Flussbett, den Hang und die Kirche verschüttete? Es war alles weg oder verschüttet, eine einzige Geröllwüste. Welche Barbaren waren hier am Werk? Ich war ins Mark getroffen und stieß die wildesten Verwünschungen aus: Mögen die Verantwortlichen in der Hölle schmoren!
Wütend packte ich meine mittlerweile angeschaffte Minolta SRT 303 und versuchte von den gleichen Standpunkten wie früher zu fotografieren, um damit den Frevel zu dokumentieren. Und dann kam das, was wohl jeder Fotograf kennt – zwei weitere Autos hielten an, die Leute stiegen aus und fotografierten ebenfalls die Bescherung. Denn wo einer mit einer Spiegelreflex zugange ist, muss es etwas zu sehen geben. Trotz meiner Wut konnte ich mir bei diesem Anblick ein leises mitleidiges Grinsen nicht verkneifen. „Ihr armen Seelen, wenn ihr wüsstet, wie es hier vor ein paar Jahren noch ausgesehen hat.“
Ok, die Vernunft gewann die Oberhand, denn es gab ja gute Gründe für diese Straßenbauarbeiten: Die Bevölkerung Andorras war in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Von 5500 zu Tucholskys Zeiten auf jetzt 75000. Diese Straße war die einzige Verbindung zu den anderen beiden Haupttälern und dem entsprechend viel Verkehr. Sie war gefährlich, weil die alte Straße durch ein nicht einsehbar kurviges Tunnel führte.
Das waren alles gute Gründe. Aber weshalb musste es ausgerechnet mein Idyll treffen?
Doch es gibt so etwas wie ein Happy End: Meine Frau und ich waren vor ein paar Jahren wieder in Andorra und wir wollten auch wieder die Schlucht besuchen. Dort nahm ich reumütig meine damaligen Verwünschungen zurück, denn die Andorraner hatten bestmöglich die Schäden beseitigt. Die Kirche und der Brunnen wurden wieder freigelegt und restauriert, das Geröll wurde abgeräumt, irgendjemand legte am Wegrand schmale Gemüse- und Blumenbeete an, statt der in den Fels gehauenen Grotte hat der Heilige nun eine, von Bäumen umgebene, gemauerte Grotte neben der Straße. Ja, ich leiste ganz offiziell Abbitte: Sie haben das bestmögliche aus den Gegebenheiten gemacht.
Leider konnte ich damals nur ein paar Fotos schießen, da die Dämmerung schon weit fortgeschritten war und außerdem eine Kaltfront mit Dauerregen drohte.
Diese Fotografie hat noch eine weitere Funktion, sie erinnert mich daran, dass ich kein Bild habe, das diesem Ort gerecht wird (die meisten Dias gingen bei einem Wohnungsbrand verloren) und dass ich immer noch nicht meinen Traum verwirklicht habe, den ich seit 50 Jahren mit mir herumtrage – auf den Spuren Kurt Tucholskys die Pyrenäen zu erkunden.

Vielleicht klappt es ja in zwei Jahren, wenn meine Frau in Rente geht und wir unbeschwert sechs bis acht Wochen am Stück verreisen können.
__________________
"Man sieht nur, was man weiß."

L.G.
Walter

Geändert von Noringer (14.09.2021 um 11:47 Uhr)
Noringer ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.09.2021, 07:50   #13
embe
 
 
Registriert seit: 11.02.2013
Ort: Südbaden
Beiträge: 5.307
Was macht man in so einer Pandemie? Genau, den Keller endlich mal aufräumen.
Und wenn einem dabei ein Karton mit alten Dias mal wieder in die Hände kommt? Digitalisieren, na klar. Also ein paar Abende lang Dias in den Scanner geschoben und die alten Bilder dabei auch mal wieder angeschaut.

Warum ich damals überhaupt mit Diafilm fotografiert habe ist mir nach wie vor ein Rätsel.
Weder hatte ich je einen Projektor, noch waren meine fotografischen Ergebnisse so, dass sie die Vorteile des Umkehrfilms (Hoher Kontrast, Schärfe und große Farbtreue) bedient hätten.

Jedenfalls ein paar schöne Bilder wiederentdeckt, unter anderem ein paar von einem Wochenende im Lake District in England von 1993. Aber wo waren wir damals eigentlich?

Nach wochenlangem erfolglosem Brüten über Google Maps und Vergleichen der dort bei Street view eingestellten Fotos mit der Landschaft auf den Bildern, kam dann doch noch die Idee, doch mal die 'Profis' zu fragen. Also Kontakt zur Lake District-Gruppierung der Ramblers gesucht und dort nachgefragt, ob denn jemand von denen der Ausblick bekannt vorkommt. Die waren auch sehr hilfsbereit.
Und um die Suche etwas weiter eingrenzen zu können, dachte ich, ich nehme einfach mal die Dias alle aus ihren Rähmchen und setze die Filme in der richtigen Reihenfolge der Aufnahmen zusammen, dann gibt es vielleicht ein, zwei Bilder weiter vorne oder hinten weitere Hinweise auf den Ort von damals.
Abgesehen davon, dass ich zwei verschiedene Filme gemixt hatte (der eine war wohl aus dem Peak District vom Jahr davor - sieht ja schon alles ein bisschen ähnlich aus , da in England... ) habe ich dabei entdeckt, dass ich von dem Gipfel dort sogar mehrere Bilder hintereinander gemacht habe, immer so eine kleine Drehung versetzt:
Ich hatte dort anscheinend Aufnahmen für ein Panorama gemacht!
Um dann die Ausdrucke passend überlappend zusammenzukleben?

Jedenfalls hatte ich die Aufnahmen ja jetzt digital, und mit Lightroom einfach als Panorama zusammengesetzt:


Bild in der Galerie

gar nicht so schlecht, und damit, und mit Hilfe der Lake District Ramblers, konnte ich dann auch den Ort bestimmen:
Calf Crag

Blick nach Osten mit Thirlmere links unten im Tal verborgen, Helvellyn und Fairfield Peak auf der anderen Seite des Tals und nach rechts die recht bekannte Formation 'the lion and the lamb' auf Helm Crag und dann weiter nach Grasmere.
Eine schöne Erinnerung wiederbelebt, und wer weiss, ich könnte zum 30-jährigen ja mal wieder nach England fahren und wandern gehen.
__________________
Viele Grüße,
Michael

Do what you can, with what you've got, where you are.
Bill Widener, of Widener Valley, Virginia, as quoted by Theodore Roosevelt in 'An Autobiography'
embe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.09.2021, 11:18   #14
kiwi05
 
 
Registriert seit: 01.10.2011
Ort: Alf / Mosel
Beiträge: 16.841
Mont Aiguille

Aus Versehen habe ich diese Geschichte zuerst im Diskussionthread eingestellt.
Das habe ich erst heute nach Veras Besprechung bemerkt.
Nun, jetzt ist er auch an der richtigen Stelle.

Da ich seit knapp 7 Wochen fern meiner Festplatte auf der all meine Bilder ruhen, on Tour bin, und sich gleichzeitig abzeichnet, daß ich diese innerhalb der regulären Laufzeit des aktuellen Monatsthemas nicht mehr erreichen werde, musste ich einen anderen Weg wählen, um hier teilzunehmen.

Es geht um ein Foto des Mont Aiguille, daß mir schon seit unserer Reise 2018 durch Frankreich vorschwebt. Damals sah ich den Berg von der Corniche du Drac aus....weit weg und unfotogen. Aber im Internet gab es Bilder, die dazu führten, daß in diesem Jahr die Route klüger gewählt wurde.

Der Mont Aiguille ist 2087m, liegt in den frz. Alpen, genauer im Vercors.
Lange Zeit galt er als unbesteigbar.
Die Erstbesteigung 1492 gilt heute neben der Erstersteigung des Mont Ventoux durch Francesco Petrarca als eine Geburtsstunde des Alpinismus.

Als wir am Abend den Ort Chichilianne erreichten, war der Himmel klar, aber das Felsmassiv lag grau im Schatten. Die Zeit reichte aber um vor Ort einen geeigneten Standpunkt zu finden, an dem ich am nächsten Morgen "mein Foto" schießen wollte.

Am nächsten Morgen war ich um 7:30 Uhr vor Ort....ohne Frühstück. 15min zu Fuß durch nasses Gras.
Ich war zu früh. Im Tal gab es noch keine Sonne am Berg nur Nebel.
Nach einer Stunde sah es genau so aus:


Bild in der Galerie

Eine weitere Stunde wartete ich ab, dann gings durchgefroren zum Spätstück in den Camper.

Danach zeichneten sich am Himmel immer wieder Wolkenlücken ab, nur an den falschen Stellen. Trotzdem war ich wieder vor Ort....man weiß ja nie.
Aber der Berg machte seine eigenen Wolken. Immer wieder kamen große wolkenfreie Himmelspartien, die am Mont Aiguille Wolken bildeten.
Bis 14.30 Uhr kroch lediglich die Unterkante der Wolken etwas höher.


Bild in der Galerie

Die Pläne für die Weiterfahrt waren längst um einen Tag verschoben. Gut wenn man Zeit zum Warten hat.

Ich befürchtete schon, daß sich die Wolken entweder nie oder erst, wenn der Berg wieder im Schatten steht, verabschieden würden.
Doch dann gegen 16:00 Uhr ging alles ganz schnell.
Die Wolken lösten sich auf.
Da stand er, imposant so losgelöst von der Umgebung.
Endlich konnte ich "mein Foto" vom Mont Aigual machen.


Bild in der Galerie

Zufrieden stiefelte ich zum Camper zurück, wo meine geduldige Frau Gabi einen Lesetag verbracht hat.

Unnötig zu erwähnen, daß es am Morgen des nächsten Tages schon um 7:00 Uhr morgens, als ich vor den Camper trat genau so aussah.


Bild in der Galerie

What a Difference a Day Makes.
__________________
Kritik und Kommentare an meinen Bildern sind immer willkommen.
Euer Feedback hilft mir, mich fotografisch weiter zu entwickeln.

Grüße aus Alf an der Mosel
Peter
kiwi05 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.09.2021, 18:49   #15
Windbreaker
 
 
Registriert seit: 01.11.2010
Ort: Vörstetten
Beiträge: 6.170
So kurz vor Monatsende kann und möchte ich mich nun auch noch am Monatsthema beteiligen:

Paris ist das neue Berlin – Ich war dann mal da, und zwar auf Christo’s Spuren

1995 verhüllte der Künstler Christo zusammen mit seiner Frau Jean-Claude den Reichstag in Berlin. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, ob ich damals noch nicht so das Interesse dafür, oder ich als relativ junger Familienvater einfach andere Prioritäten hatte. Jedenfalls war ich damals nicht in Berlin, um mir das Spektakel live anzusehen.
Jetzt, 26 Jahre später sind Christo und Jean-Claude zwar längst tot, trotzdem wurde postum noch ein Projekt der Beiden umgesetzt: Die Verhüllung des Arc de Triomphe de l’Étoile, des Triumphbogens in Paris. Ein Projekt, dass Christo bereits im Jahr 1961 erdachte und das somit genauso alt ist wie ich selbst.

Deshalb kam mir in den Sinn, wenn ich schon nicht in Berlin war, ich doch wenigstens nach Paris reisen könnte, um mir das eingepackte Baudenkmal live anzuschauen.
Paris ist mir entfernungsmäßig näher als unsere Hauptstadt und ich war da fast 40 Jahre nicht mehr dort. Außerdem kann man Paris mit dem TGV erreichen, der gegenüber seinem deutschen Pendant das Prädikat „Hochgeschwindigkeitszug“ tatsächlich verdient.
(Während ich von Freiburg mit dem ICE für die rund 600 Kilometer nach Berlin über sechs Stunden benötige, transportiert mich der TGV in sage und schreibe 1:49 von Straßburg nach Paris Ostbahnhof.)

Nachdem ich meinen moralischen Urlaubsanspruch gegenüber meinem Chef durch eine Fototourenwoche mit Porty im August schon verwirkt hatte, war mit meinem Arbeitgeber zum jetzigen Zeitpunkt höchstens über einen freien Tag zu verhandeln, den er mir dann auch tatsächlich gewährt hat. Ein Ticket war schnell gebucht und ein theoretischer Plan für einen Kurztripp in die französische Hauptstadt ebenso flott ersonnen.

Am Dienstag um fünf Uhr klingelte der Wecker und ich wälzte mich aus dem Bett. Die Beschreibung „Springen“ wäre schlicht und ergreifend gelogen gewesen und wer mich kennt, hätte diese Formulierung sofort als maßlose Übertreibung entlarvt.
Nach einem kurzen Frühstück und einer kreislaufanregenden Dusche setzte ich mich ins Auto um die paar Kilometer nach Kehl zu fahren, wo ich mein Vehikel am dortigen Bahnhof auf dem Park and Ride Parkplatz deponierte. Ein Nahverkehrszug brachte mich ins benachbarte Straßburg, wo ich in einen TGV Inoui umstieg.

Um 9:35 Uhr traf ich pünktlich auf Bahnsteig 25 im Gare de l’Est, dem Ostbahnhof in Paris ein. Übrigens auf die Sekunde genau. Ja bahntechnisch haben die Franzosen schon was los.

Ein Tagesticket für die Pariser Metro war schnell besorgt und dann ging mit der Metrolinie 4 (Umstieg Station Châtelet in die Linie 1) schnurstracks ab in Richtung Triumphbogen. Übrigens kann man sich in Paris super mit der Metro orientieren, weil jede Linie und jede Richtung immer einen eigenen Bahnsteig hat. Wenn man also die Endhaltestelle der Richtung der jeweiligen Metrolinie kennt, muss man nur der Beschilderung folgen und kommt automatisch zum richtigen Zug.

Unterwegs stieg ich am Louvre aus, weil ich mir das Gebäude zumindest von außen anschauen wollte. (Reinzugehen hätte aufgrund der knapp bemessenen Zeit keinen Sinn gemacht.) Danach lief ich durch die Tuilerien, einem wunderschönen Park in Richtung Champs Elysées, an deren höchstem Punkt seit 1806 der Arc de Triomphe auf die Pariser Prachtstraße hinabblickt.


Bild in der Galerie

Zu Fuß war der Weg allerdings in Anbetracht meines geplanten Tagespensums zu weit, so dass ich am Place de la Concorde wieder in die Pariser Unterwelt abtauchte. Drei Metrostationen und vielen Treppenstufen weiter kehrte ich zurück an die Oberfläche und da stand er vor mir.


Bild in der Galerie

Der Triumphbogen eingewickelt in Silberfolie wie ein Bonbon. Rote Schnüre hielten die Stoffbahnen am Platz und wenn man genau hinschaute, schimmerte durch den Stoff auch die Farbe Blau. Damit hatte Christo gedanklich die Farben der Tricolore, der französischen Flagge in sein Kunstwerk integriert.


Bild in der Galerie

Um den Triumphbogen liefen zahlreiche Volotäre rum, die eingekleidet mit blauen Westen auf denen „L‘Arc de Triomphe, WRAPPED“ zu lesen war, für Fragen zum Kunstwerk zur Verfügung standen.


Bild in der Galerie

Wenn man höflich darum bat, schenkten sie einem sogar ein kleines, quadratisches Stückchen von dem Einwickelstoff.


Bild in der Galerie

Das „WRAPPED“ dürfte manchem Franzosen ein bisschen aufgestoßen sein, hassen unsere westlichen Nachbarn Anglizismen mindestens genauso, wie Limonade im Rotwein.

Das Pariser Wahrzeichen so eingepackt zu sehen, war für mich schon ziemlich beeindruckend. Und wie mir, schien es den hunderten anderen Besuchern auch zu gehen. Immerhin waren zu der relativ frühen Uhrzeit ziemlich viele Touristen hier. Neben der obligatorischen, asiatischen Fraktion, auch recht viele Deutsche.

Interessant war, dass viele Schüler und Studenten alleine und in Grüppchen rund um den verhüllten Triumphbogen saßen, um ihn im Gesamten oder im Detail zu zeichnen. Ein oder zwei von ihnen habe ich dabei kurz beobachtet.

Nachdem ich mich sattgesehen und die Sonne einen recht hohen Stand am Himmel erreicht hatte, Machte ich mich mit der U-Bahn in Richtung Trocadero auf. Bei meinem letzten Besuch in Paris hatte ich den Fehler gemacht, direkt zum Eifelturm zu fahren. Fotografieren kann man das Stahlmonstrum (zumindest theoretisch) aber viel besser von der Freifläche des Palais de Chaillot, von der man aus erhöhter Position (normalerweise) den Eiffelturm direkt vor sich stehen hat. By the Way: In der U-Bahn lernte ich einen Sonyfotografen kennen, der mich ein Stückchen begleitete. Am Eiffelturm trennten sich aber unsere Wege wieder, da er, anders als ich, auf den Turm wollte. Da ich da aber schon oben war und meine begrenzte Zeit nicht mit Anstehen verplempern wollte, setzte ich meine Route aber alleine fort.

Leider hat sich die Stadt Paris zurzeit anscheinend vorgenommen, ihre Sehenswürdigkeiten mit allen möglichen Bauzäunen, Festivalzelten oder Lichtinstallationen derart zu verbauen, dass man sie schlecht bis gar nicht fotografieren kann. Diese Erfahrung machte nacheinander eben am Eiffelturm, dem Invalidendom, der Kathedrale Notre Dame oder dem Grand Palais. Lediglich Sacré-Cœur und der Basilisk am Place de la Concorde waren unverbaut.

So ging die Zeit bis zur Rückfahrt mit dem TGV vorbei wie im Flug. Am Abend kehrte ich noch einmal zurück an den Triumphbogen, um ihn in der Abendsonne zu fotografieren.


Bild in der Galerie

Zu Beginn der Dämmerung fuhr ich dann zurück zum Ostbahnhof und stieg müde und mit einer riesigen Blase an der Ferse in den TGV Richtung Heimat.

Geändert von Windbreaker (29.09.2021 um 18:52 Uhr)
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Alt 30.09.2021, 07:12   #16
Schlumpf1965
 
 
Registriert seit: 16.11.2019
Beiträge: 2.739
Hallo Jens,
Tolle Idee hattest du da. Schöne Eindrücke und das mit dem Quadrat vom Einwickelstoff ist ja auch eine prima Idee von denen. Der Stoff sieht wirklich schön aus und dürfte eine nette Erinnerung an den Tag sein... da könnte man ja fast eines der Bilder nehmen, rahmen und das Stoffquadrat im Eck integrieren. Freue mich, dass du trotz der Blase einen schönen Tag hattest.

PS.: Wie du schon schreibst ist das mit TGV/ICE von dir aus ein "Katzensprung", ich habe das vor ein paar Jahren mal dienstlich von Mannheim aus gemacht, als wir einen Messestand in Paris hatten. Ist man erst mal mit dem Zug in F, geht es wirklich ratzfatz, etwaige Verspätungen die auf der deutschen Seite entstanden werden mal eben einkassiert. Und auch preislich ist das echt o. K.
Schlumpf1965 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.10.2021, 12:13   #17
DiKo
 
 
Registriert seit: 27.02.2014
Beiträge: 3.073
Passend zum heutigen Halloween die kleine Geschichte zu diesem Bild:


Bild in der Galerie

In der Straße, in der wir bis vor einigen Jahren wohnten, gab es ein Haus, dass immer liebevoll seinen Eingang dekorierte und mit Theatereffekten den Besuch zu einem Erlebnis machte.

Erst später haben wir erfahren, hier lebte der Entwickler des Theater- und Film-Nebels, so wie man das heutezutage verwendet.
Für seine Erfindung bekam er 1985 dann einen technischen Oscar von der Academy of Motion Picture Arts & Sciences verliehen.

Er ist leider im Sommer dieses Jahres verstorben.

Gruß, Dirk
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Alt 31.10.2021, 13:29   #18
Robert Auer
 
 
Registriert seit: 17.11.2012
Ort: Schwerin
Beiträge: 6.811
OT: Macht man Nebel heute nicht mehr mit Trockeneis?
__________________
robert uer

Grüße aus Schwerin, der romantischen Sieben-Seen-Stadt in Ostsee-Nähe
(=> nur ~30km zur German Riviera )
Robert Auer ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.10.2021, 14:37   #19
DiKo
 
 
Registriert seit: 27.02.2014
Beiträge: 3.073
Wohl eher nur für Bodennebel.
Für große Nebelszenerien werden Nebelmaschinen eingesetzt, die ein Fluid verdampfen.
Früher wurde das mit Ölen gemacht, die aber gesundheitlich nicht unbedenklich waren.

Gruß, Dirk
DiKo ist offline   Mit Zitat antworten
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