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Startseite » Forenübersicht » Treffpunkt » Café d`Image » Ich ziehe die graue Jacke an
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Alt 20.10.2006, 01:33   #1
Dimagier_Horst
 
 
Registriert seit: 08.09.2003
Ort: Hamburg
Beiträge: 18.423
Ich ziehe die graue Jacke an

Seltsam, komisch...so vor dem aufgeräumten Spint zu sitzen. Die Oranje Jacke fein säuberlich am Bügel…noch mal kurz glatt gestrichen…die Tür steht offen, und nur das angegilbte Pin-Up schaut mich an. Auf dem Tisch der Karton mit den Sachen, die noch geblieben sind.

Das hier, das war mein erstes Posting. Mein Gott, war ich aufgeregt, als der Meister sagte: “Junge, heut machst Du das Posting fertig!“. „Aber Logo, Meister!“ erwiderte ich. War ja schon 3 Tage dabei, in der Ausbildungswerkstatt, und hatte bei den anderen gesehen wie das geht. Dann kam der Meister an meine Tastatur und zeigte mir den Thread. Wir gingen ihn gemeinsam durch und er erklärte mir, worauf es ankam. Er konnte gut erklären, unser Meister, und sagte auch immer was zu den Namen, die in den Threads auftauchten. „Schaffst das?“ kam es kurz und knackig aus ihm heraus. Wenn Dösel, so nannten wir unseren Meister immer, also wenn Dösel „Schaffst das?“ sagte, dann war der Tag gelaufen. Dann hatte er gute Laune und wir einen lockeren Lenz. „Feddich, Meister, Posting ist fertig!“ rief ich ihm nach einer Stunde zu. Eine Stunde für drei Zeilen, heute lächelt man darüber. Damals war das eine sehr ernste Aufgabe, die es zu bewältigen galt.
Mit einem ernsten Blick unterbrach Dösel sein Gespräch mit einem vom zweiten Blitzjahr, drei Tastaturbänke weiter. Dösel stellte sich hinter mich, holte seine Brille aus dem Etui, klappte die Bügel in seiner ruhigen Art auseinander, schob beide Bügel etwas schräg über seine Ohren, bis die Gläser nach einem kleinen Schubs mit seinem Zeigefinger in der gewohnten Kuhle seiner Nase zur Ruhe kamen. Kritisch schaute er über die Zeilen. „Gar nich mal so übel.“, brummelte es in lang gezogenen, tiefen Tönen neben meinem Ohr. Dösel nahm seine rechte Hand aus dem Kittel und drückte auf den „Druck“-Knopf meiner Tastatur. Er griff das vom Drucker gerade ausgegebene Blatt mit dem Text, strich es auf die Arbeitsplatte und holte die Buchstabenlehre heraus.
„Siehst das?“, fragte Dösel zielgerichtet. „Klar seh ich das!“, tönte ich. Nichts habe ich gesehen, aber das konnte ich nicht zugeben, war ja schon 3 Tage dabei. Und schwupps, hatte ich eine hinter den Löffeln. „Lühch nich, gar nix siehste!“ urteilte er unmittelbar.
Dann erklärte er mir liebevoll wie man das „o“ vernünftig setzt und das alle Lehrlinge in der ersten Woche so ihre Probleme mit dem „o“ haben. „Machst nochma?“. „Jou Meister, mach ich nochma!“. Wieder verging eine Stunde. „Das könnte doch so was wie ein „o“ erahnen lassen“, sagte er fachmännisch beim begutachten meiner zweiten Arbeit und lächelte mich väterlich an. „Hast Talent, Junge, das wird!“. Nach Feierabend, wir hatten gerade die grauen Jacken abgelegt und bewegten uns Richtung Ausgang, rief er mich zu sich in seine Meisterbude. „Was hast heute gelernt, Junge?“, fragte er mich. „Wie man ein „o“ setzt, Meister“, erwiderte ich voller Stolz. „Quatsch nich dumm rum,“, erhob sich kraftvoll seine Stimme gegen mich, „was Du heute gelernt hast, hab ich Dich gefragt, nich, was Du heute gemacht hast!“. Sein Blick wurde etwa genauso streng wie ich ratlos.
So sehr ich auch nachdachte, außer dem „o“ fiel mir nichts ein. Eine quälende Stille stand plötzlich zwischen uns. „Wenn was nich weißt, brauchst nicht so tun, als ob Dus wüsstest.“, erlöste Dösel plötzlich die Spannung, „Wenn was nicht weißt musst fragen – dafür biste hier. Wenn De vorgibs, was zu wissen, wassde nich weißt, gehsde abends bei die Mädels, die mögen das.“ Sprachs, klopfte mir auf die Schulter und entließ mich in den Feierabend. So war er, unser Meister Dösel.

Später kam dann die Gesellenprüfung, und kurz bevor ich den Meister gemacht habe, machte der Betrieb zu. So von jetzt auf gleich. Da haben wir unseren eigenen aufgemacht. Erst mal mit dem gleichen Programm wie beim alten, dann kamen die Teller dazu und später ein paar andere Sachen. Mann, haben wir da Überstunden gekloppt. Und Spaß gehabt, Visionen und Träume. Aber der Graumann blieb immer öfter im Spint. Eigentlich habe ich ihn seit damals gar nicht mehr angehabt. Nur noch Oranje getragen.

Oh je, oh je, oh je, das Bild vom Pinguinschießen…… wer kam damals eigentlich auf die Idee? Richtig, genau, unsere Mitte-Süd-Achse! Haben wir einen Spaß gehabt, und jeden Tag neue Rekorde! Und mittendrin in die Spiele platzte die Nachricht, dass wir eine Ferkelzucht aufmachen würden. Unser Ferkel-Leiter hatte ursprünglich Ei gelernt, kam also aus der Branche. Irgendwie wurde das aber nichts und wir haben die Landwirtschaft wieder aufgegeben. Hm, was ist eigentlich aus dem geworden? Ich glaube, der macht Kernbohrungen in Süddeutschland, hat sich irgendwie auf besonders harte Materialien spezialisiert. Naja, egal.

Das Jahrgangsfoto! Ich wusste gar nicht, dass das im Spint lag. Unser Querdenker aus Berlin. Der war uns immer eine Denkbreite voraus, kam immer aus einer anderen interessanten Richtung, und bevor wir es kapiert haben, war der Beschluss schon gefasst. Ist auch nicht mehr dabei. Hier unser Zwerg bei der Anprobe vom Oranje. Bei der Bestellung wussten wir noch nicht, dass „S“ zwar in der Höhe passte, aber nicht in der Breite. Mann, war der da sauer! Hier, der Ruhige, von Anfang an dabei, einer von denen, der es noch erzählen kann, wie es anfing, weil er seit dem ersten Tag dabei ist. Hier unser Posaunist, der dieses lustige Wort gesagt hatte, und, als es ihm auffiel, wie lustig wir es fanden, auch nicht müde wurde, es auf Aufforderung immer wieder zu wiederholen, nur, um uns einen Spaß zu machen.
Unser Mädel, wie zufrieden sie schaut. Was haben wir lange überlegt, ob wir sie fragen sollten. Wir mochten sie alle von Anfang an und hatten sie richtig ins Herz geschlossen. Aber uns war auch klar, dass wir uns dann anders benehmen müssten, wenn sie ja sagen würde. Und das konnten wir nicht einschätzen, so ganz ohne Blondinenwitze auszukommen. Zum Glück haben wir sie gefragt, zum Glück hat sie mitgemacht, und es ging auch ohne dumme Witze lustig her. Heute ist es anders geworden, ist halt so der Lauf der Dinge.

Ja, eine Menge interessante Leute habe ich kennengelernt im Oranje. Durchgeknallte, schräge, kantige, normale, auffällige, unauffällige, große, kleine, angepasste, widerborstige, hilfsbereite. Jeder für sich ein toller Mensch, aber zusammen manchmal arg nervig und auf einem Haufen manchmal fast nicht erträglich. Schöne Wortwechsel haben wir geführt, Diskussionen sind entbrannt und manchmal hat es auch heftig gekracht. Auch das war eigentlich und letztendlich schön.
Die Welt haben wir kennengelernt im Oranje. Bamberg, Hamburg, Marburg…wer weiß, was als nächstes gekommen wäre?

“Was hast jetzt vor?“, fragte mich Dösel, als ich ihm voller Stolz meinen Gesellenbrief zeigte. „Heiraten, in drei Jahren meinen Meister machen…“ und detailliert führte ich ihm meine bis ins Detail geplanten Lebensabschnitte vor. Dösel konnte sein Grinsen nicht verbergen. Ich glaube, er wollte es auch nicht. „Mach mal, Junge, was Du vorhast klingt gut!“. Dösel entrückte etwas in seine Gedanken und fuhr nach einer kleinen, wohltuenden Pause fort: „Nimm Dir immer nur einen Schritt nach dem anderen vor. Und plane nicht in Jahren und Monaten. Du spürst, wenn etwas soweit ist. Erst ein bisschen, dann ein bisschen mehr. Aber Du spürst es.“
Irgendwie hatte ich diese Worte von Dösel damals nicht richtig verstanden und mich damit auch nicht weiter beschäftigt, irgendwann auch ganz vergessen. Komisch, auf einmal sind sie wieder da, die Worte von Dösel. Und ich kann seine Worte fühlen. Gestern ein bisschen, und heute ein bisschen mehr…..

In der Verwaltung habe ich mich vorhin verabschiedet. Ob sie verstanden haben, dass man nicht dann aufhört, wenn es am schönsten ist? Sondern erst dann, wenn dieses Gefühl kommt? Und dass man es auch nicht genau beschreiben kann, aber dass es halt da ist. Einfach nur da. Hoffentlich verstehen sie es.
Einfach…einfach war es nicht immer in der Verwaltung. Aber schön. Wenn wir gerade noch mal rechtzeitig gemerkt haben, dass ja Geburtstag ist. Wenn wir rumgefrotzelt haben, uns gegenseitig auf die Schippe nahmen. Oder unsere erste richtige Versammlung in der Rhön, foten, bis nur noch die Knie über dem Schnee rausguckten.
Serverausfall, Hektik, warum ist das Forum weg – dann die beruhigende Mail von unserer Technik: alles im Griff, kriegen wir hin. Arbeitspause für die restliche Mannschaft. Und dann war unser Schubser wieder aktiv…oder nachts alleine im Modbereich, so richtig schön schummrig gruselig. <Plop>…Du auch noch wach, oder wieder wach?

Und die da draussen? Werden sie verstehen, dass nichts war, außer einem Gefühl, dass einen weitertreibt? Keine bösen Worte, keine Grabenkämpfe oder sonst was, was die Fantasie manchmal hergibt. Ich wünsche es mir sehr, dass sie das begreifen.

Oranje hängt im Spint, für den Heimweg geht es ohne Jacke. Es ist gar nicht so kalt, wie ich dachte. Morgen nehme ich wieder die Graue. Habe ich mir bei einer langjährigen Weggefährtin am letzten Stammtisch angeschaut, es stand ihr gut. Vielleicht ziehen wir mal wieder um die Posts, diesmal in grau….?

Tja, und Dösel? Ob er noch lebt, und ob es ihm gut geht? Hoffentlich, ich würde mich darüber sehr freuen. Vor langer Zeit hat mir mal jemand von einem erzählt, der der Dösel hätte sein können. Einiges, was er erzählte, passt ganz gut auf Dösel. Vielleicht fahre ich da mal hin und treffe ihn zufällig.

Jetzt wird es aber mehr, als nur ein bisschen, jetzt ist es schon ziemlich heftig, dieses Gefühl, dass man nicht beschreiben kann....das keiner will…und das irgendwann kommt….und für das keiner was kann…aber das einen unentwegt antreibt, weiter treibt. Wir lesen uns in Grau, morgen oder übermorgen… ;-)
__________________
Hinfallen, aufstehen, Krönchen zurechtrücken, weitergehen...
Make Labskaus great again!
Glenroses Kentucky Stinger
Dimagier_Horst ist offline   Mit Zitat antworten
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Alt 20.10.2006, 05:56   #2
Kerstin
 
 
Registriert seit: 07.09.2003
Ort: im Grünen
Beiträge: 11.873
Niemals geht man so ganz .... irgendwas von dir bleibt hier ......
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Ciao - Kerstin - NO MATTER HOW YOU FEEL... GET UP. SHOW UP. DRESS UP. AND NEVER GIVE UP.
Der Klügere kippt nach
Kerstin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 06:02   #3
Daydreamer
 
 
Registriert seit: 05.07.2006
Ort: Jena
Beiträge: 1.576
Hier stand ein langer Post, mit viel unsinnigem und überflüssigen. Stattdessen ein Liedtext von Mark Schlumberger, der zwar eher unerfahrene, jüngere Menschen anspricht, aber dennoch passt, wie ich finde:

Nimm' Abschied, und dann geh' auf die Reise
denn das Leben ist weise
und die Welt zeigt dir leise
das Geheimnis ihrer Seele,
nimm' dein Herz und dann wähle,
wähl' deine Wege,
lass' los und dann gehe!
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The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.
- Robert Frost
Daydreamer ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 06:52   #4
PeterHadTrapp
 
 
Registriert seit: 07.09.2003
Ort: in Sichtweite der Wasserkuppe
Beiträge: 28.341


schade, dass ich es nicht verhindern konnte. Aber wenn die Zeit gekommen ist, ist sie gekommen. Einen, mit dem man so viel geteilt hat dann aufzuhalten, würde das miteinander Geteilte in so viele kleine Stücke zerbrechen, dass man es am Ende nicht mehr erkennen kann.

Danke Horst.

PETER
PeterHadTrapp ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 07:00   #5
DieterFFM
 
 
Registriert seit: 23.11.2004
Ort: D-65933 Frankfurt
Beiträge: 607




Danke - und, äähhh, wann kann man wo Dein erstes Buch kaufen?
__________________
“Wer Waren unter Wert kaufen will, braucht sich nicht wundern, wenn Menschen unter Wert behandelt werden”

Grüsse aus Frankfurt
Dieter - Unsere Homepage
DieterFFM ist offline   Mit Zitat antworten
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Alt 20.10.2006, 07:23   #6
Teddy
 
 
Registriert seit: 07.09.2003
Ort: 45768 Marl, NRW
Beiträge: 9.900

Ich möchte dir danken, nicht nur für die Arbeit im Forum und im Team, sondern auch für deine stets hintergründig humorvolle und ruhige Art die Dinge anzugehen.

Vielen Dank Horst!
__________________
Gruß
Andreas

Teddys Fotowelt | Teddymobil - auf Tour mit dem BährLiner
Teddy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 07:31   #7
wodkab
 
 
Registriert seit: 16.01.2006
Beiträge: 937

Ist irgendwie nicht der Thread, den ich heute morgen als erstes lesen wollte, toll geschrieben, das Ende finde ich nicht so schön

Aber wie meinte doch ein (ehemaliger) Frankfurter Trainer, nachdem es ein (Fußball)Stockwerk tiefer ging:

Lebbe geht weider!

Alles Gute und Danke, und noch viele Beiträge in der Grauen.
wodkab ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 07:41   #8
Hademar2
 
 
Registriert seit: 30.04.2006
Beiträge: 3.716
Ich verstehe zwar nur Bahnhof, aber das macht nix!

Sind hier Selbstzerstörungssüchtige am Werk oder was soll dieser Thread sonst noch andeuten?
__________________
H.-D. M., der sicher das ganze Jahr 2008 brav gewesen ist und deshalb vom Weihnachtsmann die Alpha 900 bekommen hat!
Hademar2 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 07:58   #9
Yogi
 
 
Registriert seit: 08.09.2003
Ort: Berlin
Beiträge: 1.417
So was am frühen morgen zu lesen, dann noch das triste Grau draussen: da werd ich richtig melancholisch und ein wenig .
Horst, was soll ich sagen (besser: schreiben)? Mir fehlen die Worte.
Du hast einen wunderschönen Abschiedsbetrag geschrieben.
Ich kann jetzt nur noch sagen:
Danke für Alles und bleib so wie Du bist!
__________________
Gruss
Robert
Yogi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2006, 08:02   #10
eac
Moderator
 
 
Registriert seit: 27.07.2004
Ort: D-81539 München
Beiträge: 6.925
Wer ist der Nächste?

Müssen wir uns Sorgen machen?

Wo gibt's ein gutes Minolta/Sony-Forum?

__________________
Ciao
Stefan
eac ist offline   Mit Zitat antworten
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