Schöner Gedankengang. Ich möchte aber gleich die erste These in Frage stellen: "Der Sinn der Fotografie besteht zweifelsohne darin, etwas Gesehenes festzuhalten." Ist das wirklich so? Ich bezweifle das. Es geht nicht um das Festhalten, sondern um das Selektieren, Isolieren und die Abbildung eines Motivs auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Festhalten klingt mir in dem Zusammenhang zu passiv. Der Fotograf ist für mich absolut verantwortlich für das entstehende Bild, indem er das in einen gestalterischen Kontext setzt, was er sieht.
Bei den meisten (Amateur-)Fotografen passiert das unbewusst, mit zunehmender Auseinandersetzung mit der Materie und Gestaltung im Allgemeinen wird der Prozess zunehmend steuerbar. Ich merke das bei mir selber, wenn ich die Kamera auch nur in der Tasche dabeihabe, schalte ich auf das um, was ich selber als Fotoblick bezeichne. Es kommt mir vor als würden dauernd Beschnittmarken durch mein Gesichtsfeld huschen, ich nehme nicht mehr primär wahr um Informationen über meine Umgebung wahrzunehmen, sondern mich mit der Gestaltung von Räumen und Bildern auseinanderzusetzen.
Ich vermute, es wird den meisten anderen Fotografen auf die eine oder andere Weise ähnlich gehen. Und deswegen widerspreche ich Dir, wenn du sagst, dass es um das Festhalten von Gesehenem geht, sondern drehe die kausalen Zusammenhänge um und behaupte, dass Fotografieren um des Fotografierens Willen nur dann Sinn macht, wenn man wahrnimmt um Bilder zu sehen und zu machen.
Und genau dann sind die die Resultate auch für andere interessant, um ihnen einen subjektiven Blick auf Dinge zu ermöglichen der spezifisch für die Person ist die das Bild gemacht hat.
Als Beispiel dafür fällt mir ein Fotoausflug mit meinem Fotografiekurs aus dem Designstudium ein: 20 Leute sind mit der Kamera in der gleichen Kulisse unterwegs (Potsdamer Platz), aber die Resultate sind völlig unterschiedlich. Einige konzentrieren sich auf die Architektur, andere auf die Passanten, wieder andere setzen beides in ihren Bildern in Beziehung zu einander. Die Bilder waren so unterschiedlich wie die Leute selber, und fast alle wirklich interessant.
Alles andere
kann interessant sein, ist es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, da es eben in erster Linie um das Bebildern und von Erinnerungen geht, was ein Prozess ist der derjenigen Personen vorbehalten bleibt, die dabei waren. Das ist auch genau der Grund, warum Diavorträge vom Familienurlaub für die bedauernswerten Besucher die ohne Kenntnis dessen was sie erwartet eingeladen auf der Couch festsitzen so fürchterlich uninteressant sind. Oder zumindest meistens.