Registriert seit: 02.04.2019
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Zitat von Ellersiek
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Zitat von DerGoettinger
Unwahrscheinlich. Das Urteil des BVerfG aus dem Jahre 2018 (Az. 1 BvR 2112/15) hat da ziemliche Pflöcke eingeschlagen
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Deine Wörter in des Gesetzgebers Gehörgang.
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Das ist das Schöne am bundesdeutschen Rechtssystem: am Grundgesetz und an der Auslegung des BVerfG kommt auch der Gesetzgeber nicht so leicht herum. Und gerade was die Panoramafreiheit angeht, ist das Thema ziemlich gut durchgeklagt.
Interessant in diesem Zusammenhang gerade auch die jüngere Entwicklung mit Blick auf Drohnentechnologie: - Einmschlägig war (Betonung: war) seit 2003 die "Hundertwasserentscheidung", wonach "nur Aufnahmen und Darstellungen des geschützten Werkes privilegiert, die den Blick von der öffentlichen Straße oder dem öffentlichen Platz aus wiedergeben […] Ist ein Bauwerk für die Allgemeinheit lediglich aus einer bestimmten Perspektive zu sehen, besteht nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung keine Notwendigkeit, eine Darstellung oder Aufnahme vom urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht auszunehmen, die eine ganz andere Perspektive wählt". Kurz gesagt: alles das, was ein aufrecht stehender Mensch mit ausgestreckten Armen ohne weitere Hilfsmittel fotografieren kann, ist von der Panoramafreiheit abgedeckt. Mehr nicht. Der Bundesgerichtshof hat also die Panoramafreiheit sehr restriktiv ausgelegt.
- Genau das aber hat das LG Frankfurt 2020 gekippt, nämlich mit Bezug auf die "Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft". Das LG FFM hat nämlich entschieden, dass sehr wohl Hilfsmittel (in dem konkreten Falle Drohnen) auch im Rahmen der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG zulässig sind. Und zwar sagt das LG Frankfurt:
- Es gäbe "keinen methodischen Rechtssatz, wonach Ausnahmevorschriften stets restriktiv interpretiert werden müssten. Für jede Vorschrift, auch für eine Ausnahmevorschrift, gilt, dass sie [...] ihrem eindeutigen Inhalt und Sinn entsprechend auszulegen ist."
- Die EU-Richtlinie, die auch das deutsche Urhebergesetz inhaltlich mitregelt, definiert aber lediglich, dass sich das Werk an einem öffentlichen Ort befindet; von welchem Ort das Werk betrachtet wird, regelt die Richtlinie gerade nicht. Daher seien Ansichten, die verlangten, dass das Werk auch für den Menschen ohne besondere Anstrengung oder Hilfsmittel [also hier die Drohne] wahrnehmbar ist, abzulehnen.
- Außerdem müsse auch die technische Entwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden - was sehr spannend ist, weil auch das BGH in einem Urteil von 1997 selbst schon einmal gesagt hat, "dass Schrankenbestimmungen der Anwendung auf neue Nutzungstechnologien durchaus offenstehen. Und, dass ein im Rahmen der Schrankenregelungen verwendeter Begriff infolge technischer Fortentwicklungen veralten könne und dass eine zweckgerechte Schrankenanwendung ggf. eine extensive Auslegung erforderlich machen könne."
- Außerdem verweist das LG auch noch darauf, dass Bilder, die z.B. aus einem Hubschrauber heraus gemacht werden, erlaubt sind. "von einem Luftfahrzeug aus außerhalb des Fluglinienverkehrs ohne behördlicher Erlaubnis Lichtbildaufnahmen zu fertigen." Wenn man jetzt die Panoramafreiheit eng auslegt, würde das zu erheblichen Problemen führen: "Würde beispielsweise aus einem Hubschrauber heraus Fotografien gemacht, auf denen ein Bauwerk zusehen sei, diese Fotografien dann auf soziale Netzwerke (Facebook, Instagram, Twitter) oder auf private Blogs geteilt, böte dies bei enger Auslegung des § 59 Abs.1 UrhG ein Einfallstor für Abmahnungen, zumal das Urheberrecht insoweit keine Differenzierung zwischen privater und gewerblicher Nutzung kenne."
Kurz gesagt: wir erleben also gerade, dass die Panoramafreiheit eher ausgeweitet wird  Spiritueller Beistand in meinem akustischem Aufnahmeorgan ist also gar nicht notwendig   
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"Die ersten 10.000 Bilder sind die schlechtesten" - wahlweise Henri-Cartier Bresson, Jackson Pollock oder Helmut Newton zugeschrieben
Geändert von DerGoettinger (11.06.2024 um 13:57 Uhr)
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