Zitat:
Zitat von SirTiger
Ich hatte gehofft noch ein paar etwas "technischere" Ratschläge zu erhalten was man als Tests sinnvollerweise durchführen könnte. Danke
Cheers
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Also gut, ein paar technische Tips für den Objektivtest mit "Hausmitteln":
1.Testvorlage
Objektive sind auf flache Ebenen senkrecht zur Objektivachse berechnet, deshalb werden gerne Testtafeln verwendet. Als Hausmittel tut es eine mit Zeitungspapier beklebte Zimmer-/Hauswand auch, man muss aber die Kamera genau zentriert zur Testvorlage ausrichten, was mit "Hausmitteln" schon sehr schwierig ist.
Vor allem für Weitwinkelobjektive ist das Testtafelverfahren ungeeignet, da man immer näher an die Testvorlage gehen muss. Weitwinkelobjektive und -Zooms sind aber nicht für den Nahbereich korrigiert (gilt besonders für das SEL2470 Zeiss) und im Nahbereich verfälschen Zentrierfehler schon im Milimeterbereich das Testergebnis, so dass einseitige Randunschärfen etc. fälschlicherweise dem Objektiv zugeschrieben werden.
Besser geeignet sind (zur Kameraachse) flache Objekte im mittleren und fast-Unendlichbereich. Zum Beispiel (detailreiche) Häuserfassaden in der Stadt oder Baumreihen in der Natur. Je weiter das Objekt entfernt ist, desto unkritischer sind Zentrierfehler (bei Unendlich ist der mögliche Zentrierfehler gleich null) und Scharfeinstellung.
Möglichst das gesamte Bildfeld (mit allen Ecken) mit dem Testobjekt füllen. Ein häufiger Fehler liegt darin, dass man bei einer schönen flachen Häuserfassade oder Baumreihe unten im Testbild wieder eine in den Vordergrund zulaufende Wiese oder Strasse hat, die aus der Schärfenzone gelaufen sind.
2.Kamera/Objektiv
Objektive immer mit der Kamera testen, mit der sie verwendet werden.
Autofokus und Stabi ausschalten. Besonders die "intelligenten" Autofokusprogramme (bei der A7r zb. der "Breitbild-Autofokus") liefern keine konstante Fokussierung und die Stabilisierung beruht technisch auf der künstlichen Dezentrierung des Objektivs (!).
Im Kameramenu die "Objektivkorrektur" für Verzeichnung, Helligkeitsabfall und Farbverschiebung" je nach Wunsch ein- oder ausschalten, Ein für mehr "praktische" und Aus für mehr "technische" Testresultate.
Ansonsten wie wohl bekannt: möglichst Stativ verwenden, möglichst schnelle Belichtungszeiten (eher mal ISO hochsetzen bis 400), Blendenvorwahl usw.
3.Test
Mit Fokuslupe manuell auf Bildmitte in exakter Bildebene fokussieren. Blendenreihen mit verschiedenen Brennweiten schiessen, JPEG genügen in der Regel.
Alles genau mitschreiben (meine A7r-Exifs zeigen manchmal die falschen Blenden an).
4.Testauswertung
Die Testbilder geben Resultate über die generelle Leistung des Objektivtyps und über die Fertigungsfehler (Serienstreuung) des einzelnen Exemplars, leider miteinander verschachtelt. Auch mit visuellen "Hausmitteln" am Monitor kann man auseinanderhalten:
Sind deutliche Schärfeverluste ungleichmässig verteilt zu den Rändern und Ecken festzustellen, liegen (axiale) Dezentrierungsfehler bei der Objektivfertigung vor.
Manche Schärfeasymmetrien sind gering und verschwinden beim Abblenden, dann muss man entscheiden, ob man damit leben kann. Manche bleiben auch beim Abblenden. Tückisch ist: manche Asymmetrien entstehen erst beim Abblenden und werden leicht übersehen, sie sind nur im Vergleich der Blendenreihe erkennbar.
Radiale Dezentrierungen (also Abstandsfehler der Linsen) resultieren in anomaler Bildfeldwölbung und sind mit "Hausmitteln" nicht von der konstruktionseigenen Bildfeldwölbung zu unterscheiden sind (nur durch Vergleich vieler Exemplare).
Kann man (inakzeptable) Fehler durch Serienstreuung wie oben ausschliessen oder diese genau identifizieren, kommt die Beurteilung, ob das Objektiv als solches den Ansprüchen genügt: Wie ist Schärfe bei Offenblende und abgeblendet, Mitten- und Rand-/Eckenschärfe, bei welchen Brennweiten sind Zoomobjektive stärker oder eher schwächer und welches sind meine Prioritäten.
5.Kontrolle
Meist bleiben einige Erkenntnisse unsicher und man wiederholt einzelne Test. Asymetrische Unschärfe kann man besser erkennen, wenn man eine zweite Aufnahme mit auf den Kopf gedrehter Kamera macht und gleiche Details direkt mit "guter und schlechter Seite" vergleicht.
Wenn man einmal auf Bildmitte und dann auf Bildecke fokussiert, oder einfach den Fokus über die Bildmitte gezielt nach vorne und hinten leicht verändert, erhält man Infos über die Bildfeldwölbung des Objektivs.
Manche Asymmetriefehler sind tatsächlich keine reinen Unschärfefehler, sondern Fehler anomaler Bildfeldwölbung (man kann dann die unscharfen Bildstellen manuell scharfstellen, aber dann ist das restliche Bild unscharf).
6.Resultat:
Auch mit "Hausmitteln" sind sehr brauchbare Objektivtests möglich. Meine persönlichen Ergebnisse zu meinem Expemplar SEL2470 will ich dir zum Schluss auch noch präsentieren:
Im Weitwinkelbereich 24-50mm ist das Objektiv auch bei Offenblende sehr gut, nur bei 24mm fällt in den äussersten Ecken die Schärfe ab, Abblenden bis 8 bringt allgemein nur leichte Verbesserungen, die man sonst auch nicht vermisst (nur leider bleiben die Ecken bei 24 mm immer noch etwas unscharf)
Bei 50 mm hat mein Exemplar rechts oben einen leichten Schärfeverlust, der bei Abblenden bis 8 verschwunden ist. Meine genauere Analyse hat ergeben, dass eine leicht unsymmetrische Bildfeldwölbung vorliegt, die ich mit leichter Backfokussierung (Fokus etwas zum Hintergrund) auch bei Offenblende fast schon korrigieren kann.
Zum längeren Telebereich und bei 70mm hat das Objektiv konstruktiv leichte Schwächen: Bei Blende 4 nicht Unschärfe, aber leichte Weichzeichnung, die bei 5,6 fast und 8 völlig verschwunden ist. Eine ideales Objektiv für Portraits bei Offenblende, wenn man so will.
Insgesamt kein völlig perfektes Objektiv und kein völlig fehlerfreies Exemplar, aber ich kenne genau die Stärken und Schwächen und habe Möglichkeiten, sie zu korrigieren. Mehr muss ein Test mit "Hausmitteln" nicht leisten.
Viel Glück mit deinem "Neuen"!