Moin Wolfgang,
als ich Dein Bild sah, bin ich ein wenig zusammengezuckt. Es liegt nicht am Thema der rituellen Verbrennung, als viel mehr daran, dass am Krematorium das Photographieren verboten ist. In der Vorstellung der Hindus wird mit dem Photographieren der Verbrennung die Befreiung von Seele und Geist verhindert bzw. Seele und Geist gefangen genommen. Wusstest Du nicht darum oder warst Du ohne Guide unterwegs? Versteh mich nicht falsch, aber auch hierzulande wäre man mindestens irritiert, wenn ein Aussenstehender / Ausländer die Beerdigungsfeier photographieren und die Bilder veröffentlichen würde.
Wir waren zwei Tage in Varanasi. Am ersten Tag haben wir das gezeigte Ghat vom Boot aus betrachtet, am zweiten Tag waren wir zu Fuß dort, trafen einen Einheimischen, der uns auf die links im Bild zu sehenden Balkone des dreistöckigen Gebäudes führte und uns die Zeremonie im Detail erklärte. Es obliegt in der Regel dem ältesten Sohn der Familie, die Verbrennung zu begleiten. Er trägt an dem Tag ein weißes Gewand und rasiert sich den Kopf kahl. Nachdem die Waschung des Toten in Mutter Ganga vorgenommen wurde, und der Tote anschliessend ca. eine Dreiviertelstunde wieder am Uferrand getrocknet wurde, wird er auf den Holzstapel gelegt. Der Älteste umrundet dann fünfmal den Holzstapel, um die fünf Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Wind und Äther) symbolisch zu befreien und zurückzugeben. Die Verbrennung dauert ca. 3h. Der Holzstapel wird mit einer Flamme entzündet, die man dem Ewigen Feuer entnimmt, das seit über 2.000 Jahren ununterbrochen brennt. Nach 2h ist es der Älteste, der mit einem Stock den Schädel einzuschlagen hat. Auf diese Weise sollen Geist und Seele entweichen können. Dieser Akt gilt als Sinnbild der Vollendung des Tods. Nach 3h verbleibt nurnmehr Asche und ein geschlechtsspezifischer Knochenrest. Bei Frauen sind es Teile des Beckens, bei Männern Teile des Brustkorbs. Diese Knochenreste sowie die Asche werden vom Ältesten aufgelesen.
Die Verbrennung ist ein wichtiger Akt im Leben eines Hindus. Er schließt die eine und einzige der 300.000 Reinkarnationen ab, die er als Mensch erfährt. Die Verbrennung darf nur von einer besonderen Unterkaste der Unberührbaren durchgeführt werden. Der Lohn für diese Arbeit ist für indische Verhältnisse sehr hoch. Für die Verbrennung werden mindestens 280kg Holz benötigt, die man in Varanasi auch nur bei einer Familie kaufen kann. Die einfache Holzsorte (Bodibaum) kostet 350 Rupien pro kg (4,50 €), das teure Sandelholz 1.200 Rupien pro kg (15,-€), was sich nur gut betuchte Familien leisten können. Im Krematorium trifft man alte Frauen an, die kein Geld für die Verbrennung eines Angehörigen haben und gegen die Spende eines kg Holzes gutes Karma versprechen.
Im übrigen riecht es am Krematorium nicht nach Tod oder verbranntem Fleisch. Die geklärte Butter sowie das Sandelholz, das mindestens als Pulver über die Leichname gestreut wird, neutralisieren den Geruch, so dass es nur sehr intensiv nach Lagerfeuer riecht. An manchen Tagen werden zwischen 300 und 400 Tote an den beiden Ghats verbrannt.
Dat Ei
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"Wer mit Euch ist, ist nicht ganz bei sich."
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