Hallo
Letztlich ist die genaue Zahl nicht ermittelbar, jede Zählweise ist wahrscheinlich zu begründen und damit legitim, wenn Auswirkungen vorhanden sind. Und das wird nicht nur Japan sein, davon kann jeder ausgehen.
Wenn man weiß, dass heute in Bayern jeder Jäger sein erlegtes Wild mit dem Geigerzähler überprüfen muss und der größte Teil Wilds nicht in den Handel gelangen darf, dann ist auch Bayern 25 Jahre nach Tschernobyl immer noch von Auswirkungen betroffen. Soll man nun alle Bayern zu den Opfern von Tschernobyl rechnen? Oder nur die mindestens Schiddrüsenkrebs vorweisen können?
Dieser Streit ist absurd.
Zur Beruhigung der Bayern kann man sagen, dass in ca. 300Jahren die radioaktive Belastung so weit gesunken ist, dass beim Verzehr von Wildscheinfleisch kein gesundheitliches Risiko mehr besteht. Übrigens für den Verzehr von Pilzen gilt daselbe.
Die fortdauernde Belastung des Wildes und der Wildpflanzen wird natürlich kaum thematisiert. Warum nicht? Kommen etwa aus Bayern nicht nur Wildschweinschinken?
Dieses Beispiel illustriert meine frühere Aussage, dass die Kernenergie unethisch ist.
Anders als bei anderen Dingen mit Risikopotential kann niemand die Auswirkungen auf unbeteiligte ausschließen. Und das gilt für Zeitgenossen und für Folgegenerationen.
Bisher ist das Ausmass des Nuklearunglücks in Japan noch nicht absehbar.
Die Sowjetunion ist nicht an den Protesten des Dissidenten zugrunde gegangen, es war nach den Lasten durch die Hochrüstung Anfang der Achtziger Jahre das Unglück von Tschernobyl, was den ökonomischen Kollaps und dann den politischen Kollaps gebracht hat.
Möglicherweisen ist Japan die Nation, der die Rolle des tragischen Helden zugeteilt wurde, der Welt die Folgen der Nukleartechnik aufzuzeigen. Zuerst als Opfer bei den Atombombenabwürfen und nun die Folgen des Nuklearunglücks.
Niemand von uns kann heute sagen, wie es in Japan weiter gehen wird.
Aber Japan ist nicht mehr Japan, wie wir es bisher gesehen haben.
Diese Einsicht wird Zeit brauchen, in alle Köpfe zu kommen. Wir sehen und spüren noch nicht direkt die Folgen. In kurzer Zeit wird es anders sein.
Die Ukraine verbraucht heute noch 25% ihres Volkseinkommens, um die Folgen von Tschernobyl zu tragen. In der Region von Pripjat lebten 30.000 Einwohner.
Wer will eine Zahl der betroffenen Bevölkerung jetzt prognostizieren?
Die Katastrophe von Fukushima ist noch nicht zu Ende. Wir sitzen zu hause und sind beklommen, wenn wir die Bilder von dort sehen, aber der Film läuft noch. Es sind nicht die Bilder nach einer Katastrophe wie bei den Folgen der Flutwelle.
Ich habe Fernsehbilder im Kopf, wie anhand von Luftbilder beobachtet werden konnte, wie die Flutwelle über das Land rollt auf eine Landstraße zu, auf der ahnunhgslose Autofahre fuhren, die nichts ahnten, und Sekunden später überrollt wurden.
Diese Gedanken habe ich, wenn ich die Bilder von Fukushima sehe und an die Menschen in der Region denke.
Unabhängig davon, was noch in den nächsten Stunden oder Tagen passiert, was beim jetzigen Zustand der Anlagen auf die Bevölkerung in der Region zukommt, wird Japan so sehr ökonomisch belasten, dass davor kein verantwortlicher Politiker mehr die Augen veschließen kann. Und diese Ahnung ist es, warum jetzt trotz aller Beteuerungen in die Zuverlässigkeit deutscher/europäischer Technik leisere Töne angeschlagen werden. Anders als bei der Sowjetunion jetzt Ukraine werden die Folgen eben nicht von einem ökonomisch relativ schwachen Land zu tragen sein, sondern von einem der leistungsstärksten. Diese Folgen werden Japan verändern, mit großer Sicherheit, deswegen meine Aussage, dass Japan durch diese Katastrophen zu einem anderen Japan geworden ist. Die Folgen werden so gravierend sein, dass sie zu einem Umdenken in der Bewertung der Kernenergie in der ganzen Welt führen werden.
Davon bin ich zutiefst überzeugt. Das wird keinen sofortigen Ausstieg bedeuten, aber ob wirklich die weltweit geplanten 372 derzeit in Planung befindlichen Kernkraftwerke gebaut werden kann bezweifelt werden.
Die Katastrophe in Japan und ihre Folgen wird diese Diskussion mehr beflügeln, als alle bisherigen Proteste. Darum kann Japan der besagte tragische Held werden.
Kein Grund darüber froh zu sein, findet Matthias
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