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Alt 24.04.2010, 12:37   #12
Jens N.
 
 
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Zitat von speedy12 Beitrag anzeigen
Du meinst Worte wie z.B. unkaputtbar
Natürlich nicht. Aber ich erkenne die Kreativität solcher Wortschöpfungen durchaus an, d.h. immer den Kontext berücksichtigend. Also ich muß solche Worte nicht schön oder was auch immer finden, aber im Kontext der Werbung sind sie offenbar erfolgreich - so sehr, daß sie auch gelegentlich Einzug in die "normale" Sprache finden. Ich meine das muß man erst mal schaffen, ein Wort zu "erfinden", das dann kurz darauf in aller Munde ist. Das manche sowas in ihren Sprachgebrauch übernehmen sehe ich an sich noch nicht als problematisch an, das wird es erst, wenn nicht erkannt wird, daß es -nach den momentan geltenden Regeln- eigentlich falsches Deutsch ist - obwohl das irgendwann, also wenn der Begriff "erfolgreich" ist, von alleine passiert. Ähnliches gilt für alle möglichen Neuschöpfungen, slang, Jugendsprache, Beamtendeutsch, Fachsprachen usw. Wie gesagt: benutzen wir alle und jeden Tag.

Du kannst ja selbst mal ausprobieren, das alles konsequent zu vermeiden, du wirst dir schnell ziemlich blöd dabei vorkommen nehme ich an. Und du wirst je nach Thema oder Gesprächspartner auch nicht sehr weit kommen.

Zitat:
Und so ist es auch mit den Sprachen, insbesondere mit der Deutschen Sprache. Wir haben im Laufe der letzten Jahrzehnte dermaßen viele "Fremdwörter" in unseren Sprach"schatz" aufgenommen, dass es - zumindest in der Umgangssprache - ein reines Deutsch schon lange nicht mehr gibt.
Nicht im Laufe der letzten Jahrzehnte, sondern im Lauf der letzten Jahrhunderte - das ist genau der Punkt, der bei dieser Frage immer übersehen wird. Ich weiß jedenfalls nicht, von welchen alt- oder mittelhochdeutschen Worten sich z.B. "Mythos", "Kontext" oder "Portemonnaie" ableiten soll Komischerweise werden griechische, lateinische oder französische Begriffe jedoch nie oder selten kritisiert, sie sind ja auch deutlich älter als z.B. "Toaster" ("Brotröster"?). Das Prinzip ist jedoch das Gleiche.

Statt stumpfer Ablehnung versuche ich lieber etwas zu verstehen, nachahmen oder benutzen muß ich es deswegen ja noch nicht. Es darf sich ja jeder mehr oder weniger aussuchen wie er reden möchte - je weiter die Grenzen, desto größer die Vielfalt, desto interessanter wird das Ganze. So sehe ich es jedenfalls.

Zitat:
Ich meine: "Super-Gau". Hallo? Tot, toter, am totesten? Super-grösster anzunehmnder Unfall? Oder: vorläufiges amtliches Endergebnis. Was denn jetzt, ist das Ergebnis vorläufig oder ist es ein Endergebnis?
Diese Liste lässt sich sicher endlos fortsetzen. Fakt bleibt aber, daß das gebräuchliche Begriffe sind, die durch ihre Verwendung irgendwann in den (mehr oder weniger) normalen Sprachgebrauch übergehen und dann auch nicht mehr falsch oder merkwürdig erscheinen. So funktioniert die Veränderung von Sprachen nunmal.

Du selbst hattest dich über den Begriff "übergeführt" gewundert, er klingt für dich "scheußlich". Fakt ist aber, daß das früher ein geläufiger Begriff war, der -wenn man ihn sich mal genauer anschaut- auch durchaus seine Berechtigung hat. Es ist gut denkbar, daß sich vor einiger Zeit Leute darüber aufgeregt haben, daß das gewohnte "übergeführt" mehr und mehr durch "überführt" ersetzt wird - es gab damals vielleicht (ich konstruiere hier mehr ein Beispiel, ob es so war weiß ich nicht) ähnliche Beschwerden über die Aufweichung der Sprachvielfalt usw. Und heute wird sich beschwert über das komische "übergeführt". Unsere Sprache erscheint uns heute als "richtig", aber sie war es weder in der Vergangenheit, noch wird sie es in der Zukunft sein. Also wer bin ich, mich angesichts dieser sprachgeschichtlichen Entwicklungen hinzustellen, den Status quo als Ideal zu bezeichnen und die Sprache quasi "konservieren" zu wollen? Mir erscheint das sehr vermessen und vor allem auch furchtbar spießig.

Ähnlich geht es mir auch bei dem Bild der ach so schlimmen Jugend (zu der ich ja nun leider auch nicht mehr zähle): seit wir einen Begriff von Jugend haben, wird sie auch für ihr immer roher und schlechter werdendes Benehmen kritisiert. Das ist seit Generationen so und wird auch in allen späteren Generationen so sein. Mich in diese immer gleiche Kritik einzureihen ist mir aber zu blöd, ich gehe das lieber anders an und so sehe ich es auch beim Thema Sprache. Das heisst ausdrücklich nicht, daß ich alles (in Bezug auf Sprachentwicklung oder das Benehmen Jugendlicher) gut oder richtig finde, aber ich schließe mich eben nicht dieser üblichen Kritik an, weil mir das zu plump ist.

Zitat:
Auf der anderen Seite werden aber viele unsinnige Begriffe geprägt, die ebenfalls Einzug in die Sprache finden.
Richtig, das war aber "schon immer" so, nur wissen wir das heute nicht mehr für jeden Begriff. Eine Erklärung dafür gibst du selbst:

Zitat:
Und zum dritten werden Begriffe als gültig anerkannt, obwohl sie früher falsch waren, einfach nur deshalb, weil der Großteil der Bevölkerung sie so benutzt (siehe "Monitore". Korrekt wäre (sorry, WAR) Monitorn).
"Monitorn" finde ich nun schrecklich (hab's auch noch nie gehört, oder meinst du "Monitoren"?), aber es ist ein gutes Beispiel. Anderes Beispiel: Pizzas, Pizzen. Der Plural im Italienischen wäre "Pizze", aber trotzdem sind die eingedeutschten Formen laut Duden korrekt und vor allem gebräuchlich(er). Und ich bin der Meinung das ist auch gut so, genau wie "Monitore".

Zitat:
Wie auch immer, eines scheint klar zu sein: Die Gesellschaft zur Reinerhaltung der Deutschen Sprache hat ausgedient, wird nicht mehr gebraucht. Wir machen uns unsere Sprache selbst.
Ganz richtig. Über so eine Gesellschaft konnte ich im Netz zwar nichts finden (vielleicht zu konservativ für die neuen Medien? ), aber die im frühen 17 Jh. aufkommenden Sprachgesellschaften haben tatsächlich lange ausgedient, sonst würden wir -hätten sie ihr Ziel erreicht- uns heute auch anders unterhalten. Sie kamen aber auch im 17 Jh. schon zu spät, eine "Reinheit der deutschen Sprache" hat es auch da schon seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben (siehe oben), wenn es sie überhaupt jemals gegeben hat (da bin ich mir nicht sicher). Es kann doch höchstens darum gehen, den Status quo zu erhalten und das muß zum Scheitern verurteilt sein.

Zitat:
Bleibt die Frage, wozu es heute noch Deutschunterricht in der Schule gibt ...
Falsche Schlussfolgerung oder Fragestellung nach dem ganzen Thema würde ich sagen (immerhin bekommt man dort die Apostrophierung und ähnliches beigebracht ). Veränderungen in der Sprache zuzulassen ist nicht das Gleiche wie sie nicht zu beherrschen, aber leider setzen das viele Kritiker gleich (was mir zu unreflektiert ist). Es ist in manchen Fällen vielleicht so, aber auch das muß man m.E.n. akzeptieren können. An der Stelle sei auch noch erwähnt, daß die wenigsten (oder vielleicht niemand) wirklich perfektes Deutsch beherrscht.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Sprache ist sozusagen selbstregulierend: was gefällt oder sinnvoll erscheint wird übernommen, alles andere entfällt wieder aus dem Sprachgebrauch. Und so muß es sein meine ich - irgendein Verein, der versucht die Sprache zu konservieren, wird tatsächlich nicht gebraucht. Ganz im Gegenteil, ich würde sowas als schädlicher betrachten, als ein paar im Sprachgebrauch zeitweise auftauchende Begriffe wie "unkaputtbar".
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Gruß Jens

Geändert von Jens N. (24.04.2010 um 12:40 Uhr)
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