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Tiltshift – wie wird das Auge betrogen?
Ich finde diese Tiltshift-Fotos irgendwie faszinierend. Aktuell ist im Album ein Thread, in dem Carola und Jörg entsprechend bearbeitete Fotos zeigen („Glen Coe in Miniatur“). Ähnliches habe ich in letzter Zeit häufiger gesehen. Ich vermute die TV-Werbung der Telekommunikationsfirma mit dem magentafarbenen „T“ hat diesen Trend (zumindest) begünstigt.
Aber was passiert da? Klar ist, dass Hintergrund und Vordergrund in Unschärfe gesetzt werden und dass die Sättigung (und der Kontrast?) erhöht werden. Aber warum meinen wir daraufhin eine Miniatur zu sehen? Welchen Streich spielen Auge und Hirn uns da? Viele Grüße, Vera |
Zitat:
Ich vermute: Zappelige Bewegungen Schärfeverlauf Knallige, aber in der Anzahl reduzierte Farben Das erinnert mich irgendwie an eine Modelleisenbahnlandschaft... |
Meine Vermutung: die gezeigten Aufnahmen sind und der Effekt läßt sich nur darstellen bei Weitwinkelaufnahmen mit vielen Einzelmotiven. Eine Teleaufnahme von einem Einzelmotiv zu shiften ergäbe diesen Miniatureffekt gerade nicht. Nun wissen wir aber, dass bei Weitwinkelaufnahmen der Tiefenschärfebereich sehr groß ist und sachte ausläuft, selbst bei weit offener Blende. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn das Motiv ganz nah vor der Linse ist oder es sich um eine Teleaufnahme mit bei großer Brennweite oder um eine Makroaufnahme handelt. Dann zeigen die gemachten Bilder einen sehr geringen Schärfebereich und einen sehr raschen Übergang zur völligen Unschäfe (kein sanftes Ausfaden). Das hat unser Auge/Gehirn so gelernt und nicht nur über die Photograhie, das ist ja beim Auge auch so: starke und rasch abfallende Unschärfe gibt´s nur, wenn das Objekt sehr nah an unsere Pupillen rückt (zoomen mit den Augen scheidet ja leider - noch - aus ;) ). Nun sehen wir diesen Scharf/Unscharf-Effekt und "wissen", das kann nur sein, wenn das Motiv entweder stark hergezoomt wurde oder eben ganz nah an der Linse dran war. Ersteres scheidet aus, da zu viele Details im Unscharfbereich liegen (bei starkem Zoomen wird die Weite zusammengestaucht, die "Tiefe" schmilzt zusammen), also kann es für unsere Wahrnehmung nur sein, dass das Objekt sehr nahe an der Linse war. Da gleichzeitig aber viel "Umgebung" zu sehen ist, muss unser Motiv sehr klein sein, um nah vor der Linse sein zu können und gleichzeitig viel von der Umgebung mit ablichten zu können, die ausserhalb des Fokus liegt. Ich denke also, es ist einfach ein "Lerneffekt" unseres Gehirns. Wer weiß, wenn wir uns über Jahrzehnte nur noch mit Tilt-ShiftAufnahmen zudröhnen würden, dann müßte sich dieser Effekt verlieren. ;) Interesant wäre, ob ein Kleinkind von 2 bis 3 Jahren auch sagen würde, dass die Häuser winzig wirken.
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Ich habe es mal ausprobiert, mit mäßigem, aber doch wahrnehmbarem Erfolg:
http://www.zonebattler.net/2008/10/25/modellbeispiel/ Wichtig erscheint mir, daß man von vornerherein eine "modellbautypische" Perspektive einnimmt, also wie in meinem Fall das Objekt (=Flugzeug) von schräg oben ablichtet (wie man es ja bei einem Modell typischerweise machen würde) und möglichst wenig Drumherum mit draufbringt, was die "Echtheit" der Inszenierung sofort verraten würde. Also keine komplexen Motive mit Unmengen von Menschen drauf etc. Je reduzierter das Sujet, desto eher kann man scheinbar ein "Mini-Modell" draus machen: Aufgrund unserer (sicher antrainierten) Sehgewohnheiten ist man damit leicht(er) zu täuschen... Interessant erscheint die Frage, ob sich der "Neuheitseffekt" auf Dauer legt und man eben nicht mehr so leicht der Illusion aufsitzt, nachdem man (sehr) viele dieser Tilt-Shift-Aufnahmen gesehen hat. Beste Grüße, Ralph |
Zitat:
Und das dann eben noch kombiniert mit etwas knalligeren, dh. sterileren Farben, die scheinbar unbeeinflusst von dem durch Sonne u. Wolken bestimmten Tageslicht wie in einem Innenraum, einer Szene, bei Kunstlicht "leuchten". Man muss mal ein Ausgangsbild mit einem fertig miniaturisierten Bild vergleichen und die Änderung auf sich wirken lassen - interessant! |
Vielleicht sollte man zufügen, dass Tilt und Shift mit dem Effekt eigentlich nix zu tun haben. Gute und normale (Tilt weniger, aber) Shift-Aufnahmen erzeugen eben keinen optischen Täuschungseffekt, sondern lassen das Objekt normal und natürlich erscheinen (was allerdings auch eine optische Täuschung ist).
Mit einem echten Shift-Tilt-Objektiv allein würde man solche Aufnahmen auch nicht hinbekommen. |
Zitat:
http://www.altvordern.de/bildbank/al...b_20083040.jpg Ich hoffe, der horizontale Schärfeverlauf irritiert Dich nicht ;). |
Zitat:
Meine Aussage bezog sich auf den "Spielzeug"-/Miniatur-Effekt, dass die Bilder aussehen, als ob sie aus einer Modelleisenbahnlandschaft kämen, nicht auf den Schärfeverlauf. |
Ach, sorry, das hatte ich überlesen. Ich hatte mir das TS seinerzeit für Flugzeuge gekauft, also für von unten nach oben. Miniatur ist ja von oben nach unten :cool: . Und richtig, die Sättigung geht damit natürlich auch nicht. Ich bin dann mal weg...das Objektiv umtauschen in eins für Miniatursaphir :lol: .
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Das ist schon witzig, TS kann in der Natur einen Miniatureffekt erzeugen, in dem es die Schärfeebene sozusagen künstlich verkürzt, in der Modellfotografie kann man umgekehrt das TS-Objektiv nutzen, um die Tiefenschärfe weiter auszudehnen und damit natürlicher aussehende Bilder zu erzeugen (das geht übrigens deutlich billiger mit der Handycam und deren Mikro-Sensor mit gigantischer Tiefenschärfe).
Jan |
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