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andys 06.06.2004 16:05

Hat er vielleicht Recht?
 
Hallo,

habe ich gerade gefunden.

http://www.fomak.ch/Reflexe_Archiv/R..._Editorial.htm

Dat Ei 06.06.2004 16:19

Ich finde, er hat kein Recht, weil er Äpfel mit Birnen vergleicht. Die "Good enough-quality" hat es schon immer gegeben, weil Auftraggeber, die Blanko-Schecks verteilen, schon immer sehr, sehr selten waren. Kunst und Kommerz gehen nur bedingt und meist nur mit mehr oder minder großen Kompromissen Hand in Hand. Auch heute noch gibt es Photographen, die sich nicht als Handwerker, sondern als Künstler verstehen und auch als solche akzeptiert und erkannt werden. Die Sichtweise der Kunst ist aber keine Konstante - sie ändert sich mit der Zeit. Auch in der Malerei ist und war technische Perfektion nicht das alleinige Merkmal und Maß einer großen Kunst. Es ist sicherlich das Recht des Autors, Adams als Künstler zu schätzen, aber anderen die Kunst abzusprechen oder ihnen in breiter Masse mangelnde Qualität vorzuwerfen, könne man auch als ewig gestrig oder engstirnig bezeichnen.

Dat Ei

raps 06.06.2004 17:36

Ich finde, der Autor des oben verlinkten Artikels hätte ruhig noch ein paar Jahre ins Land gehen lassen können, bevor er sich so abwertend über die Qualität der neuen digitalen Techniken und ihrer Fotografen-Generationen äussert.

Denn der Artikel ist immerhin von 1999, und selbst heute, 5 Jahre danach, würde ich die Digitalfotografie immer noch als sehr jung bezeichen.

Was erwartete der Herr Tillmanns damals denn?

Dass sofort nach Erscheinen der ersten halbwegs preiswerten, leistungsfähigen Digitalkamera die gesammelte Anwenderschaft das neue technische Potential zu 100 Prozent ausreizen kann und neue Qualitätsgrenzen in der Fotografie absteckt?

Ich denke, man darf den Fotografen ruhig noch ein paar Jahre Zeit lassen, dass Potential der neuen Techniken zu erforschen, und dann auch wirklich voll auszuschöpfen, es werden sich schon qualitätvolle Ergebnisse einstellen.

Die Fotografie war auch schon über 100 Jahre alt, als Ansel Adams sein Zonensystem formulierte.

Auch die untergründig hergestellte Assoziation von Herr Tillmanns
"technische Qualität = künstlerisches Niveau" ist wohl hochst unpassend und absolut unzeitgemäß.

Ditmar 06.06.2004 18:06

Muß man so etwas verstehen?

raps 06.06.2004 18:52

Was denn?

andys 06.06.2004 21:00

Es ist ganz witzig wie sich die Meinung hier doch deckt. Mich würde mal interessieren, was er heute von Digital denkt. Ich tue mich mit seiner Auffassung sowieso sehr schwer, weil ich Adams nicht für einen Künstler halte. Er ist für mich ein exzellenter Techniker, einer der Besten den wir haben. Seine Fotos wirken durch die Schattenzeichnung. Aber er hat für mich keine Kunst geschaffen. Er hatte eine sehr fotogene Landschaft und Know-how. Die Frage ist für mich überhaupt, ob man mit Fotografie wirklich Kunst schaffen kann.

Dat Ei 06.06.2004 21:10

Zitat:

Zitat von andys
Die Frage ist für mich überhaupt, ob man mit Fotografie wirklich Kunst schaffen kann.

Das wiederum halte ich für unbestritten. Man kann jetzt natürlich wieder seitenweise texten, was den Kunst ist und sich über verschiedene Kunstrichtungen in die Haare bekommen. Die Photographie ist in meinen Augen Kunst, weil sie ein Ausdruck menschlicher Kreativität sein kann und zudem Gefühle und ästhetisches Empfinden ansprechen kann. Die rein dokumentarische Photographie mag da eine Ausnahme sein.

Dat Ei

andys 06.06.2004 21:53

Zitat:

Zitat von Dat Ei
Zitat:

Zitat von andys
Die Frage ist für mich überhaupt, ob man mit Fotografie wirklich Kunst schaffen kann.

Das wiederum halte ich für unbestritten. Man kann jetzt natürlich wieder seitenweise texten, was den Kunst ist und sich über verschiedene Kunstrichtungen in die Haare bekommen. Die Photographie ist in meinen Augen Kunst, weil sie ein Ausdruck menschlicher Kreativität sein kann und zudem Gefühle und ästhetisches Empfinden ansprechen kann. Die rein dokumentarische Photographie mag da eine Ausnahme sein.

Dat Ei

Aber zur Kunst gehört auch die Langlebigkeit. Wie sieht es damit aus?

Dat Ei 06.06.2004 22:14

Zitat:

Zitat von andys
Aber zur Kunst gehört auch die Langlebigkeit. Wie sieht es damit aus?

Darüber kann man streiten. Und vorallem wo fängt die Langlebigkeit an, wo hört sie auf? Ist Langlebigkeit eine Eigenschaft, die man apriori oder nur ex ante attestieren kann? Sind van Gogh, Picasso, Rembrandt erst seit dem Zeitpunkt Künstler, als ihre Werke alt genug geworden waren? Man kann natürlich wieder argumentieren, daß einige alte Meister zu ihrer Zeit nix anderes waren, als heute der Bildjournalist, Photograph oder Auftragskünstler (Arbeiter). Aber ihre Werke haben sich doch nicht verändert, sondern nur unsere Wertschätzung. Die Geschichte der Photographie ist gemessen an anderen künstlerischen Ausdrucksformen noch jung. Ich glaube, daß auch die Photographie ihre Meisterwerke hervorbringen wird, über die man auch noch lange Zeit später diskutieren kann und die das Gros der Menschen berühren. Wer kennt nicht das Photo des Vietnam-Mädchens, dem die Haut in Fetzen vom Körper hängt. Zeigt dieses Bild nicht in beeindruckender Weise, wie brutal Krieg war, ist und sein wird, daß es nicht nur uns, sondern auch unsere Kinder trifft. Schau Dir die nahezu gelangweilten Gesichter der Soldaten auf diesem Bild an. Wer das Bild einmal eingehend betrachtet hat, der wird es nie vergessen. Es trifft etwas in den Menschen, was grenz- und völkerüberschreitend vorhanden ist.

Dat Ei

Maddin 07.06.2004 00:09

Kunst?
 
Man wird sicherlich nicht umhin kommen, generell die Frage zu klären, was "Kunst" ist und erst danach beurteilen können, ob das Fotografieren im Allgemeinen und die Digitalfotografie im Besonderen diese Wertschätzung verdient.
@ DatEi: Das von dir angesprochene Foto von dem kleinen Mädchen erfüllt sicherlich deine Kriterien, spricht es doch "ästhetisches Empfinden" und zweifelsohne "Gefühle" des Betrachters an. Ob es ein "Ausdruck menschlicher Kreativität" ist, möchte ich bezweifeln, ist es doch nach meinem Kenntnisstand "nur" ein Schnappschuss gewesen.
@andys: Ist die Beurteilung, ob etwas als "Kunst" zu verstehen ist, tatsächlich so stark von deren Langlebigkeit abhängig? Das würde heißen, dass alle kurzlebigen Projekte es nicht verdient hätten, als Kunst bezeichnet zu werden und alle "Aktionskünstler" (deren Projekte bisweilen zu Recht als nicht künstlerisch anzusehen sind) diesen Namen nicht verdient hätten. Auch die Verhüllung des Reichstages wäre somit keine "Kunst".
Will man die Beurteilung aber an der Langlebigkeit fest machen, kann man provokativ die Frage stellen: was ist z. B. an dem Porträt einer Dame (Mona Lisa, daVinci), an dem Bild eines älteren Herren mit einem glänzenden Helm (Mann mit dem Goldhelm, Rembrandt) oder ein paar Sonnenblumen (van Gogh) schon Kunst??? Langweilige Gesichtszüge, zu dunkler Hintergrund und überzeichnete Farben, unscharfes Kitschbild mit alltäglichen Blumen!!! ;)
Jetzt mal Schluss mit meinen provokativen Äußerungen. Ich bin jedenfalls der Meinung (und das deckt sich schon etwas mit dem Artikel), dass, wenn ich (auch) die Fotografie als Kunst ansehe, diese durch die Digitaltechnik und ihre Planbarkeit, Reproduzierbarkeit und Geschwindigkeit (sieben Bilder pro Sekunde, da kann ich doch drauf halten und das Beste aussortieren!) wesentlich leichter produzieren lässt als bspw. ein gemaltes Bild, eine Skulptur oder eine Musik-Komposition.


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