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perser 10.04.2022 09:44

Aleppo 2022
 
Als Reisefreak war 2022 für mich bisher schon sehr lohnend. Nach fast vier Wochen im Februar in Westafrika war ich Ende März/Anfang April mit einer kleinen Gruppe ähnlich gepolter Weltenbummler gut zwei Wochen in Syrien und im Libanon.

Auf dem Programm in Syrien stand auch Aleppo, mit rund 1,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Metropole und das traditionelle Handelszentrum des Landes.

Hierzulande hatte Aleppo vor allem für Schlagzeilen gesorgt, weil es während des Bürgerkrieges von 2012 bis 2016 immer wieder durch Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen (letztere später auch unterstützt durch die russische Armee) in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Die Tour sollte schon 2020 stattfinden, wurde dann aber wegen Corona dreimal verschoben. Hier nun ein paar erste Bilder. Da es sich nicht nur um Gesichter, also um Porträts von Menschen handelt, stelle ich sie nicht in meinen Thread „Verborgene Gesichter der Welt“ ein, sondern mache dafür mal einen eigenständigen auf.

Zu Beginn ein kleiner Querschnitt, wie ich Aleppo erlebt habe. Auf einzelne Aspekte gehe ich dann in späteren Beiträgen noch etwas tiefer ein.



Bild in der Galerie

Solche Installationen gibt es in jeder syrischen und libanesischen Stadt. So auch in Aleppo.



Bild in der Galerie

Im geschäftigen Stadtzentrum sieht man keine Kriegsfolgen. Gekämpft wurde mehr im Osten der Stadt und hier speziell in Nähe des historischen Suks, also des beeindruckenden Basars, sowie der Umayyaden-Moschee in der Altstadt…



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… aber auch hier hat der Wiederaufbau begonnen.



Bild in der Galerie

Miederwaren-Händler in den unzerstört gebliebenen Teilen des Suks.



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Ein Bauingenieur und zwei Mitarbeiter einer Baufirma vor Teilen des rekonstruierten Suks.



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Syrische Girlies vor Ruinen unweit der Zitadelle von Aleppo (die während der Kämpfe weitestgehend unversehrt geblieben war). Solche Begegnungen mit kessen und überhaupt nicht fotoscheuen Mädchen hatte ich sehr viele. Oft posierten sie regelrecht vor der Kamera.



Bild in der Galerie

Blick von der Zitadelle auf Teile der Stadt. Aus dieser Blickrichtung wirken die Kriegszerstörungen eher gering. Aber es gab auch andere Bereiche, in denen es bis heute schlimmer aussieht.

(Weiteres folgt)

Schlumpf1965 10.04.2022 09:49

Beeindruckend, vor allem aber nicht nur deshalb:

Zitat:

Zitat von perser (Beitrag 2239078)
...
Hierzulande hatte Aleppo vor allem für Schlagzeilen gesorgt, weil es während des Bürgerkrieges von 2012 bis 2016 immer wieder durch Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen (letztere später auch unterstützt durch die russische Armee) in Mitleidenschaft gezogen wurde....

Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung.

Ernst-Dieter aus Apelern 10.04.2022 10:02

Sehr beeindruckende Bilder!

Ditmar 10.04.2022 11:03

Faszinierende Bilder aus einem geschundenen Land, bin gespannt auf die Fortsetzung. :top::top::top:

turboengine 10.04.2022 11:09

Vielen Dank für die Einblicke, sehr interessant. Hierzulande (NZZ) ist immer noch zu lesen Aleppo sei „weitgehend zerstört“. Die Bilder geben da ein positiveren Eindruck wieder.
https://www.nzz.ch/international/syr...-syrien-second
Und weiterhin liest man, Syrien sei am Rande einer Hungerkrise.
Konntet Ihr Euch frei bewegen oder war ein Reiseleiter der Regierung mit dabei?

perser 11.04.2022 01:29

Ich danke Euch für Eure freundlichen Anmerkungen! Da ich heute fast den ganzen Tag mit meinen Enkeln in Kiel zugange war, kann ich erst zu sehr fortgeschrittener Stunde reagieren.

Kurz zu den Fragen: Norbert, auf Dein Thema gehe ich noch ausführlicher ein. Bitte etwas Geduld…

Zitat:

Zitat von turboengine (Beitrag 2239083)
Hierzulande (NZZ) ist immer noch zu lesen Aleppo sei „weitgehend zerstört“. Die Bilder geben da ein positiveren Eindruck wieder.
https://www.nzz.ch/international/syr...-syrien-second
Und weiterhin liest man, Syrien sei am Rande einer Hungerkrise.
Konntet Ihr Euch frei bewegen oder war ein Reiseleiter der Regierung mit dabei?

@Klaus: Ja, ich hatte auch viel mehr Zerstörung erwartet. Genährt vor allem durch die teilweise schon hysterische Berichterstattung hiesiger Medien über die Angriffe syrischer Streitkräfte und vor allem auch russischer Kampfflugzeuge auf die sich in Aleppo verschanzten Islamisten von IS & Co. Offenbar war das, nachdem ich das nun gesehen habe, maßlos überzogen. Aber dazu, wie gesagt, kommt noch etwas mehr an Bildern.

Was eine prophezeite Hungerkrise betrifft, kann ich ebenfalls nur sagen: Die Realität sieht anders aus. Lebensmittel sind nicht knapp in Syrien. Selbst wenn das Land wirklich schwer unter den oft nicht nachvollziehbaren (und im Grunde völkerrechtswidrigen) einseitigen Sanktionen des Westens leidet.

Und ja, wir konnten uns völlig frei bewegen im Lande, tags wie auch nachts. Es gab nie Aufpasser, schon gar nicht seitens der Regierung. Mit der hatten wir absolut nichts zu tun, außer bei einem kleinen Teeplausch, zu dem uns der Tourismusminister spontan eingeladen hatte, nachdem er von der privaten Agentur, die unser Programm vor Ort managte, von unsrem Aufenthalt erfahren hatte.

Wir waren acht Deutsche bzw. Österreicher, je vier Frauen und Männer, und wir fühlten uns rundum sicher in Syrien. Es gab nie eine nur annähernd gefährliche Situation. Auch nicht nachts, wenn wegen der westlichen Sanktionen die Energie rationiert ist, so dass die Städte dann sehr, sehr dunkel sind (Syrien darf sein eigenes Erdöl nicht mehr nutzen – die USA vermarkten es auf eigene Kasse in einem Teil der von den syrischen Kurden beanspruchten Kantone im Nordosten des Landes, und zwar auf dem Landweg über den Irak, und zugleich versuchen sie u.a. über Seeblockaden zu verhindern, dass Syrien von anderswo her Erdöl bekommt).

Nun also weitere Fotos:


Bild in der Galerie

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Im Zentrum von Aleppo. Kriegsschäden gab es hier keine.



Bild in der Galerie

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Offenbar auch nicht am Rathaus von Aleppo, zu sehen hier bei Tag (leider durch die Fahrzeugscheibe) und bei Nacht



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Im Suk von Aleppo. Er gehörte zu den am meisten durch die Kämpfe im Spätherbst 2016 in Mitleidenschaft gezogenen Altstadtbereichen. Doch der Wiederaufbau ist im Gange. Auf dem dritten Bild sieht man einen Professor mit seinen Bau- bzw. Architekturstudenten.



Bild in der Galerie

En fliegender und stets gut gelaunter Kaffeehändler unterhalb der Zitadelle von Aleppo.



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Und noch einmal ein paar syrische Backfische, die sich immer wieder gern ablichten ließen. Im Gegensatz zu den älteren Einwohnern der Stadt, die mir häufig etwas in sich gekehrt vorkamen, scheint es für sie den Bürgerkrieg nie gegeben zu haben.

Andronicus 11.04.2022 08:32

Zitat:

Zitat von perser (Beitrag 2239078)
...(Weiteres folgt)

Gerne! :top:
Bin auf weiteres gespannt.

XG1 11.04.2022 12:48

Zitat:

@Klaus: Ja, ich hatte auch viel mehr Zerstörung erwartet. Genährt vor allem durch die teilweise schon hysterische Berichterstattung hiesiger Medien über die Angriffe syrischer Streitkräfte und vor allem auch russischer Kampfflugzeuge auf die sich in Aleppo verschanzten Islamisten von IS & Co.
Interessant. Außer IS-Stellungen gab es keinerlei Schäden und Opfer in Syrien?

Zitat:

Was eine prophezeite Hungerkrise betrifft, kann ich ebenfalls nur sagen: Die Realität sieht anders aus. Lebensmittel sind nicht knapp in Syrien.
Also alles Fake? In ganz Syrien? Sehr gut. Dann muss ich da nichts mehr spenden. Da gibt es derzeit deutlich Bedürftigere.

Zitat:

Selbst wenn das Land wirklich schwer unter den oft nicht nachvollziehbaren (und im Grunde völkerrechtswidrigen) einseitigen Sanktionen des Westens leidet... ...Regierung. Mit der hatten wir absolut nichts zu tun, außer bei einem kleinen Teeplausch, zu dem uns der Tourismusminister spontan eingeladen hatte,
Kommt jetzt nicht soo überraschend, wenn offenbar die Lesart der syrischen Regierung hier weitestgehend kritiklos übernommen wird...

turboengine 11.04.2022 16:00

Zitat:

Zitat von perser (Beitrag 2239138)
(völkerrechtswidrigen) einseitigen Sanktionen des Westens

Autsch, ich weiss nicht so recht. Warum soll das völkerrechtswiedrig sein? Weil Russland und China im Sicherheitsrat ein Veto eingelegt hat? Die syrische Regierung hat die eigene Bevölkerung nachweislich mit Chemiewaffen
https://www.tagesschau.de/ausland/eu...griff-101.html

und mit Fassbomben angegriffen.
https://www.amnesty.ch/de/laender/na...lle-in-aleppo#

Ein Regime, das Kriegsverbrechen begeht muss nun mal mit Sanktionen rechnen. Ich finde es schlimm, dass die Bevölkerung die Du hier so schön abbildest unter einer Diktatur von kleptokratischen Verbrechern leben müssen. Da kann Assad noch so nett von einem Plakat im Hintergrund herunterlächeln: Der Mann ist ein Mörder und sollte vor den internationalen Strafgerichtshof gestellt werden.

Von den Öleinnahmen würde die Bevölkerung wohl keinen müden Heller sehen, das würde der Assad-Clan zu 100% abschöpfen. Und soviel ist das gar nicht. Im Nordosten liegt nämlich das wenige Öl, das Syrien hat. Und dort gibt es keine Raffinerien, um es zu verarbeiten. Das Rohöl wird also in Hunderten primitiven Öfen erhitzt, um Diesel und Benzin zu gewinnen. Die dabei entstehenden Gase und Ölrückstände verseuchen die Umwelt und gefährden die Gesundheit der Einwohner. Aber als typische Keule um gegen die Amerikaner zu schimpfen, taugt Öl immer. Deine Darstellung, dass die Amerikaner das Öl „stehlen“ ist ein Narrativ der Russen.
https://www.dw.com/de/moskau-die-usa...öl/a-50999169

Und dass diese Regierung es natürlich begrüsst, wenn mehr Touristen Geld ins Land und positive Bilder nach aussen tragen würden kann ich mir gut vorstellen. Ungeachtet meiner Darstellung oben, finde ich es sehr gut, dass Du Bilder zeigst. Auch lächelnde Teenager vor lächelndem Diktatoren-Propagandaplakat.

Du solltest aber mit der politischen kommentierung Vorsicht walten lassen.

wus 11.04.2022 16:18

Sehr interessant - bitte weiter berichten!

Einige der Stadt-Bilder erinnern mich sehr an welche, die ich kürzlich in Amman und Irbid gemacht habe.

Einmal - auf den Spuren des Qanat Fir'aun, das wohl in Dara anfing - war ich ganz nahe an der syrischen Grenze. Wollte mir die Überbleibsel des Aquädukts anschauen, das nahe Mughair aus der Wand östlich des Wadi Shellale austrat, das Wadi auf einen früher wohl zweistöckigen Bogenbau überquerte und im Westen wieder unterirdisch weiterging, anscheinend bis Abila und sogar Gadara. Ein Aquädukt mit über 100km unterirdischem Verlauf, eine Meisterleistung der Römer.


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