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Püpel 26.07.2021 21:43

Buchbinden
 
In meinem Monatsfazit meinte Schlumpf1965 zum Thema Buchbinden: "Das würde ich gern mal in Bildern sehen!"

Ich habe gerade einen ziemlich zerfledderten Band "Reuters gesammelte Werke" aus der Bücherkiste meiner Mutter gezogen und angefangen, ihn zu reparieren. Und dabei hab ich Bilder gemacht:

Der Anfangszustand. Das Buch ist ca von 1928, allerdings sparsam hergestellt mit Metallklammerheftung und recht dünnem Material, ohne Schnickschnack, ich glaube da nicht an einen antiquarischen Wert. Ich habe noch drei weitere Bände, die sehen aber besser aus.


Bild in der Galerie

Also erstmal kaputtmachen. Rücken und Decken werden abgeschnitten, die will ich wiederverwenden, es ist ja eine Reparatur und keine Restauration. Die Metallklammern entferne ich alle, die haben genug Schaden angerichtet mit Rostflecken und Löchern im Papier. Einzelne lose Lagen kann ich dann mit der neuen Heftung wieder befestigen.


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Jetzt werden neue Löcher vorgestochen für eine Fadenheftung, das blaue Blatt ist die Schablone. Dass muß nicht soo exakt genau, ist ja keine Uhr, aber so einigermaßen sollte das stimmen.


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Dann wird genäht, mit gewachstem Leinenfaden nach einem bestimmten System. und zwar Lage für Lage, insgesamt sind es 16. Ich habe die alte Gaze und den Leim vom Rücken nicht komplett entfernt, das hätte das Papier noch mehr zerstört. Also hängen alle Lagen noch zusammen, das macht es etwas umständlich. Leichter ist es, eine Lage nach der anderen aufzulegen und festzunähen.


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So sieht die Fadenheftung fertig aus:


Bild in der Galerie

Die dunklen Stellen sind Rostflecken von den Metallklammern. Stand wohl mal feucht, das gute Stück.
Hier die Heftung von innen:


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Die Sprache ist übrigens plattdeutsch.
Jetzt wird der Rücken schön dick mit Leim eingerieben. Dazu darf man auch die Finger nehmen.


Bild in der Galerie

Im Originalzustand hatte das Buch weder Lesebändchen noch Kapitalbänder, die hab ich ihm jetzt aber gegönnt, wir wollen ja nicht knausern. Und ich muß nicht ständig nach Lesezeichen suchen. Dann noch neue Gaze und mit Kraftpapier verstärken, und schon ist der Buchblock wie neu.


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Jetzt warte ich auf Material, ich hatte kein farblich passendes Buchbinderleinen mehr. Wenn das da ist, geht es weiter mit dem Einband.

Schlumpf1965 26.07.2021 22:01

Das ist mega interessant. Danke dass du dran gedacht hast :D

Friesenbiker 27.07.2021 05:38

Sehr interessant.
Ich Wußte nicht einmal das das geht, bei dir sieht und klingt das recht einfach aus - ist es aber sicherlich nicht.

Plattdeutsch, da freute ich mich direkt auf ne Leseprobe, aber die altdeutsche Schrift konnte ich noch nie wirklich gut lesen…. :oops:

DiKo 27.07.2021 07:21

Leseprobe gibt es im Gutenberg-Projekt.
Z.B hier.

Gruß, Dirk

Püpel 27.07.2021 13:30

:top:

Wer lieber hört als liest: Fritz Reuter gibt es auch bei audible.

Friesenbiker 28.07.2021 19:46

Danke Dirk,
jetzt merk ich so richtig das ich schon seit über 30 Jahren kein oder kaum noch Platt gesprochen bzw gelesen habe. Wenn im Radio mal was auch Platt läuft, muss ich mich auch schon extrem konzentrieren - nicht gut beim Autofahren.
Wobei ich gestehen muss das ich als Steinburger, der später einige Zeit noch das Hamburger Platt gelernt und genutzt hat, mit dem Nordfriesen-Platt eh schon kaum was verstehe. Richtig, das Platt was die Nordfriesen sprechen, nicht zu verwechseln mit Friesisch (Das kann ich null).

DiKo 29.07.2021 10:18

Das geht mir ja ähnlich, ich habe lange kein Platt mehr gelesen geschweige denn gehört.
Sprechen konnte ich das sowieso nie richtig.
Die Unterschiede vom Hamburger Platt zum Schleswiger Dialekt habe ich schon gemerkt, als ich nach fast einem Kindheitsjahrzehnt im Kreis RD (auch wenn der ja zum Teil zum Holsteiner Dialekt-Bereich gehört) in das Hamburger Randgebiet gezogen bin.


Davon ab, das Platt von Fritz Reuter ist ohnehin eher Mecklenburger Platt, das unterscheidet sich zu den westniederdeutschen Dialekten noch ein bisschen.

Gruß, Dirk

Püpel 29.07.2021 11:30

Zitat:

Zitat von DiKo (Beitrag 2210934)


Davon ab, das Platt von Fritz Reuter ist ohnehin (eher) reines Mecklenburger Platt, das unterscheidet sich zu den westniederdeutschen Dialekten noch (ein bisschen) deutlich.

:D


Mein Großvater stammte aus Meimersdorf bei Kiel und kam jung nach Mecklenburg. Selbst diese Sprachmischung war schon bemerkenswert. Er sprach Zeit seines Lebens fast nur Platt, hochdeutsch nur wenn es unbedingt sein mußte.

perser 29.07.2021 11:47

Zitat:

Zitat von Püpel (Beitrag 2210738)
Ich habe gerade einen ziemlich zerfledderten Band "Reuters gesammelte Werke" aus der Bücherkiste meiner Mutter gezogen und angefangen, ihn zu reparieren. Und dabei hab ich Bilder gemacht:

Der Anfangszustand. Das Buch ist ca von 1928, allerdings sparsam hergestellt mit Metallklammerheftung und recht dünnem Material, ohne Schnickschnack, ich glaube da nicht an einen antiquarischen Wert. Ich habe noch drei weitere Bände, die sehen aber besser aus.


Bild in der Galerie

Spannende Sache! Vielen Dank für die bebilderte Story, die mich an meine frühere Jugend erinnert. Bin nämlich gelernter Offsetdrucker und hatte damals eine gute Freundin in der Buchbinderei unseres Druckhauses, so dass ich da immer mal reingeschnüffelt habe, wenn sie dort in der Restaurierungswerkstatt alte Folianten wieder aufgepäppelt haben. Das hatte mich schon ziemlich beeindruckt!

Tafelspitz 29.07.2021 13:31

Sehr interessant und schön illustriert, vielen Dank fürs Zeigen! :top:


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