Moin, moin,
ja, ich gebe zu, ich bin einer von denen, die ein spezielles Verhältnis zu Katzen haben. Während dieses Verhältnis in den ersten 26 Jahre meines Lebens ein eher schwieriges, problematisches Verhältnis war, das darin gipfelte, dass wir die aggressive, durchgeknallte Jugendkatze meiner Ex-Frau abgeben mussten, änderte sich das wenige Monate später im November 1991 schlagartig, als mir mitten in Köln eine Katze aus einer Baustelle kommend entgegenlief. Sie hatte für die Jahreszeit ein viel zu dünnes Fell, fror bitterlich und suchte meine Nähe, meine Wärme und meinen Schutz vor dem Straßenverkehr und den Hunden einiger Passanten. Meine Ex war entsetzt, als ich mit der Katze heim kam, aber nach den anfänglichen Aktivitäten, den eigentlichen Besitzer ausfindig zu machen, gaben wir der Katze den Namen "Lisa" (Kosename "Schnute"). Sie blieb 14 1/2 Jahre bei uns, bis wir sie schweren und gebrochenen Herzens am 8.April 2006 von ihrem Martyrium erlösen mussten. In all den Jahren hat sie mich gelehrt, mit ihr, aber auch ihren Artgenossen zu kommunizieren. Jeden Tag hat sie uns ihre Dankbarkeit gezeigt, dass wir sie gerettet haben, und dass es ihr bei uns gut geht. Und nein, sie war kein Ersatz für eigene Kinder, aber sie war all die Zeit ein vollwertiges Familienmitglied mit all ihren Pflichten, Rechten, Bedürfnissen, aber auch Marotten.
In den folgenden Jahren blieben wir ohne Katze, weil Haustiere nicht nur eine Freude, sondern auch eine Verpflichtung sind, die einen insbesondere bei der Urlaubsplanung sehr einschränkt und fordert. Und so blieb es dann auch bis zur Trennung von meiner Ex-Frau 2 3/4 Jahre später...
Mit der neuen Lebensgefährtin Hella und ihrem Haus kamen dann zu meiner Freude bald auch wieder Katzen in mein Leben. Keine eigenen, aber Nachbars Katzen aus dem Umfeld, die schnell entdeckten, dass sie in mir einen Katzenfreund und -versteher gefunden haben, der ihnen Zuneigung, Zuwendung und auch ein paar Leckerchen gibt. Der erste nahezu Dauergast, den wir aufgrund seiner birnenförmigen Figur und Ähnlichkeit zu unserem Alt-Bundeskanzler Helmut riefen, ging gut 8, 9 Jahre bei uns ein und aus, wie es ihm gerade gefiel. Das war ideal für unsere Situation mit zwei Wohnsitzen. Wir hatten quasi eine Katze, ohne jedoch den Tribut der Pflichten bezahlen zu müssen.
Helmut (Charlie):
Helmut wurde dann aber sein angestammter Platz ab 2017/2018 von einer jungen, anfangs auch noch recht wilden Katzendame streitig gemacht, die ihm nach und nach verdrängte und ihn zum Rückzug bewegte. Von Nachbarn erfuhren wir, dass sie Sammy heißt und ein paar Häuser weiter daheim war. Nach ein paar Monaten hatte auch Sammy die Spielregeln im Haus gelernt und verstanden, dass man mit Kooperation viel entspannter durch's Leben kommt. Sie ging immer seltener heim, blieb über Nacht, schlief mit im Bett. Sehnsüchtig wartete sie immer darauf, dass wir unseren München Aufenthalten wieder nach Hause kamen und sie wieder mit uns im Haus leben konnte. Sie kannte das Geräusch unseres Autos und war meist die Erste, die wieder ins Haus betrat.
Sammy:
Unser Zusammenleben mit Sammy endete völlig überraschend und mit vielen Tränen im September 2023, als ihre Besitzerin morgens vor der Tür stand und mitteilte, dass sie ihr Haus verkauft habe, wegziehen und Sammy natürlich mitnehmen würde. Unser mehrfaches Angebot, Sammy dauerhaft zu übernehmen, schlug sie aus, obwohl es einige Zwischenfälle gab, die uns zeigten, warum Sammy bei uns eingezogen war, und dass es Sammy daheim nicht gut ergangen war. Die Trennung war ein Stich ins Herz.
Tagsdrauf stand zum ersten Mal nach einigen Jahren wieder Helmut vor der Tür und scharrte in alter Tradition an der Scheibe neben der Eingangstür, ganz so, als hätte er mitbekommen, dass Sammy am Vortag weggezogen ist, und nun wieder sein angestammter Platz frei sei. In den nächsten Monaten wurde Helmut wieder zu einem regelmäßigen Besucher, der nach wie vor gerne sein Leckerchen, aber nur ungern Streicheleinheiten annahm. So kannten wir ihn halt, ein wenig unnahbar, aber immer gutmütig, entspannt und ohne Aggression. Wenn's ihm nicht mehr passt, geht er halt unaufgeregt seiner Wege.
Im Februar / März 2024 tauchte dann ein neuer, junger Kater im Viertel auf. Seine Zeichnung war der von Helmut sehr ähnlich, so dass man sie leicht verwechseln konnte, aber sein Verhalten verriet ihn eindeutig. Er war sehr, sehr scheu, und selbst bei großem Abstand ergriff er meist die Flucht.
Das änderte sich erst Ende April 2024, als er sich zu unserer Überraschung im Schlepptau von Helmut bei uns vor's Haus begab. Mit ein bisschen Trockenfutter ausgestattet hockte ich mich auf den Weg und warf ihm ein paar Brocken zu. Er kam näher und näher und zu guter Letzt fraß er mir fauchend aus der Hand. Als das Trockenfutter verfüttert war, folgte er schnurstracks Helmut durch die Haustür und durch's Wohnzimmer, um anschließend mit Helmut den halben Tag friedlich im Garten zu liegen. Am frühen Abend ging Helmut dann wieder heim, aber der Jungspund wollte nicht mehr gehen. Stattdessen sucht er immer mehr die körperliche Nähe, sprang auf den Schoß, drehte sich auf den Rücken, bot seinen Katzenbauch zum Kraulen an, und stupfte als Liebesbeweis immer wieder heftig mit seinem Kopf gegen unsere Nasen.
Die ersten Abende mussten wir ihn "gewaltsam" vor die Tür befördern, auch weil Hella nach einigem Körperkontakt allergisch reagierte. Allerdings haben wir nicht damit gerechnet, dass der Schlaumeier sehr schnell lernte, dass man auf Außenjalousien wunderbar Harfe spielen und damit Radau machen kann. Unseren Abwehrversuch, die Jalousien im Erdgeschoss nur noch halb runterzufahren, konterte er wenige Tage später mit der Fähigkeit, in den ersten Stock klettern zu können und das Harfenspiel an den Schlafzimmerjalousien fortzusetzen. Nachdem wir nicht im Hellen schlafen wollten, gaben wir auf. Er durfte über Nacht ins Haus.
In den ersten Tagen war schnell auffällig, dass er sich heftigst hinter den Ohren kratzte, und das linke Ohr außen wund und offen war. Nachdem unsere Versuche, einen Besitzer in der Nachbarschaft ausfindig zu machen, vergebens waren, entschieden wir uns, den Kater einem Tierarzt vorzustellen, auch wenn es nach wie vor nicht unser eigener war. Der Tierarzt diagnostizierte einen massiven Milbenbefall in den Ohren, dem man sehr gut medikamentös beikommen kann. Des Weiteren stellte er fest, dass der Kater zwar kastriert, aber weder gechippt, noch tätowiert sei. Vom Alter her könnte er ein typisches Pandemie-Haustier sein, dass zur anfänglichen Bespaßung angeschafft, aber dann lästig wurde. Mit den Milben gingen auch Hellas allergische Reaktionen zurück und verschwanden dann endgültig. Den Tierarzt baten wir zudem, den Kater mit den üblichen Impfungen zu versorgen, aber auch zu chippen, damit für Eventualitäten wenigstens ab dann ein Ansprechpartner existiert.
All das änderte aber nichts an dem grundsätzlichen Problem, dass unser Lebenswandel mit zwei beruflich bedingten, getrennten Wohnsitzen nicht oder nicht ideal mit einem eigenen Haustier zu vereinen ist. Ein Versuch, ihn mal für eine Woche mit nach München in die Mietwohnung zu nehmen, zeigte uns deutlich, dass dieser Weg kein zukunftsträchtiger ist. Die Autofahrt war purer Stress für ihn, die Mietwohnung nicht das, was er als Freigänger gewohnt war und brauchte. In Folge zog er sich von Tag zu Tag mehr zurück, wurde unzufriedener und teils aggressiv. In den nächsten Wochen und Monaten behalfen wir uns damit, einen WLAN gesteuerten Futterautomaten und Trinkbrunnen auf die Terrasse zu stellen und ihn während unserer Abwesenheit (eine von drei Wochen) vor die Tür zu setzen. Über eine neu installierte Webcam hatten wir dann ein Auge auf ihn. Bis in den Herbst hinein war das eine gute Lösung für beide Seiten, aber aufgrund sinkender Nachttemperaturen musste eine andere Lösung her. Und so beauftragten wir unseren Fensterbauer damit, eine Katzenklappe (natürlich mit WLAN!) in die Terrassentür zu verbauen. Das Prinzip der Katzenklappe hat er schnell begriffen und auch angenommen. Auf die Art und Weise haben wir einen Modus Vivendi gefunden, mit dem beide Seiten gut leben können. Nach nun knapp 15 Monaten stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob der Kater zu uns gehört oder nicht, ob er unser Haustier ist oder nicht, nein, er ist ein festes Familienmitglied geworden, das sich sichtlich bei uns wohlfühlt, das uns sicherlich während unseren Abwesenheiten vermisst, das aber auch voller Freude und Zuneigung ist, wenn wir heimkommen oder daheim sind. Er ist angekommen. Und genauso geht es auch uns - mit jedem Tag Abwesenheit steigt die Vorfreude auf das Wiedersehen mit unserem Kuschelbär.
Stups:
Dat Ei