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Dafür aber einen anderen. Den Reflex, dass ich vor all dem, was sich so entwickelt, wie die Nazizeit in ihren Anfängen**, beinahe Angst*** habe. Und wenn ich mir die aktuellen Entwicklungen so anschaue, dann sind es Entwicklungen wie in Ungarn, Polen, England, Amerika, Türkei**** die mir wirklich Angst machen: Das die Anfänge der Nazizeit schon wieder gesellschaftsfähig werden. Und das wäre mein Wunsch an solche Mahnmale und deren Aufgabe und Wirkung: Wenn wir uns einig sind, dass das, was damals passiert ist, unbeschreiblich falsch war und sich nie wiederholen darf (dem, so denke ich, sollte JEDER zustimmen können), dann lasst uns aus Geschichte lernen und dafür eintreten, dass sich Geschichte eben nicht immer wiederholt. Zitat:
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Und vielleicht noch ergänzend: Generationen der Zukunft: Lernt daraus und wiederholt es nie wieder! Ich finde auch beides gut: Mich regt es zum Nachdenken an. Gruß Ralf * Da fällt mir auch noch das Fernsehen mit der Reihe Holocaust und Familie Weiss ein. ** Denunziationen, Ausgrenzungen, Intoleranz, Machtgehabe, .... *** Hatten wir hier mit Schönhuber und Schill auch schon fast wieder. Und in der 90er in Jugoslawien und aktuell in der Ukraine. ****Alles Länder, deren Bevölkerung ich für zivilisiert, vernünftig und größtenteils auch demokratisch gehalten habe. |
Bei meinem letzten Berlin-Besuch vor ca. 3 Jahren habe ich auch endlich einmal das Mahnmal in Augenschein genommen. Bis zu diesem Tage war ich der Ansicht gewesen, dass hier wieder einmal Millionen Euronen unnötig versenkt worden waren. Was zur Hölle sollten graue Betonquader mit dem Holocaust und dem Gedenken an seine Abermillionen Opfer zu tun haben? Die Fotos und Fernsehbilder, die ich bis dahin gesehen hatte, transportierten für mich alles Mögliche, sicherlich aber keine Emotionen.
Da stand ich nun auf der anderen Straßenseite und sah diese grauen Blöcke gegenüber vor mir liegen. Schulklassen spätpubertierender Kids tummelten sich lärmend und Selfies schießend vor, auf und zwischen den Quadern. Es gruselte mich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nach einiger Zeit des skeptischen Abwartens ging ich dann einfach rüber und langsam zwischen den ersten Reihen Steinen hindurch. Immer tiefer ging es hinein, immer weniger hörte man vom Straßenlärm und immer eindringlicher und erdrückender erschienen mir diese toten Steinblöcke. Aus den Perspektiven, die sich an jeder Wegkreuzung ergaben, den verschiedenen Größen der Quader, der trostlosen, einheitlichen grauen Farbe und der Tiefe des Raumes und der unfassbaren Dimension dieses Steinfeldes, wuchsen dann in mir immer mehr Unbehagen, Grauen und am Ende nur noch unendliche Traurigkeit. Ich kann auch drei Jahre danach jederzeit die Erinnerungen und Gefühle wieder abrufen, die an diesem Ort an jenem Nachmittag auf mich einprasselten. Die Leichenberge, die ich ja nur aus Fernsehbildern kennen konnte, die unvorstellbare Anzahl der im abartigen Rassenwahn getöteten Menschen und die absolute Hoffnungslosigkeit, die Millionen insbesondere in den Konzentrationslagern erleiden mussten, wird für mich an diesem Ort körperlich spürbar bis hin zur Unerträglichkeit. Wäre mir das mit 16 oder 17 Jahren auch so ergangen? Ich kann mich erinnern, dass uns der Geschichsunterricht seinerzeit zum Halse heraushing. "Er hat wieder vom Krieg erzählt", war damals ein geflügeltes Wort und es wurde nur selten von uns ohne genervtes Augenverdrehen ausgesprochen. Politsches Bewußtsein und soziale Empathie müssen wachsen, brauchen Zeit zur Entwicklung, brauchen eigene Lebens- und manchmal auch Endlichkeits- und Todesserfahrung im nahen Umfeld. Aus dieser Warte habe ich ein gewisses Maß Verständnis dafür, dass viele Jugendliche an diesem Ort (noch) nicht nachempfinden können, was mich dort qualvoll ausfüllte. Gleichwohl hätte ich es wünschenswert gefunden, wenn vielleicht einmal begleitende Pädagogen, Eltern oder sonstwie mit der Aufsicht betrauten Personen, die ärgsten Krakeler, Kletterer und Selfie-Maniacs ein wenig mehr in Zaum gehalten hätten. Nicht um die "Andacht" anderer Besucher nicht zu stören, sondern weil es sich für mich, in der Welt, die ich gerne hätte, einfach richtiger angefühlt hätte. Stattdessen wird der Besucher schonungslos damit konfrontiert, dass viele Menschen heute eben nicht mehr respektvoll und angemessen innehalten können, selbst nicht vor dem größten und abscheulichsten Verbrechen der jüngeren eigenen Geschichte. Ich glaube heute auch, dass der Künstler dies genauso beabsichtigt hat. Ergo rege ich mich auch nicht mehr als nötig über die Selfie-Kids auf. Ich weiß ja vor dem Besuch schon, dass ich nicht in eine Kirche gehen werde. Das Mahnmal ist weder heilig noch sonstwie vordergründig sakral. Es ist laut, urban, hässlich, provokant und gibt seine ungeheuerliche Kraft und Intention nur den Sehenden und Wissenden und Wollenden preis. Ob ich an echter historischer Stätte, wie z.B. Buchenwald oder Auschwitz auch so gelassen reagieren würde auf grinsende Spacken, die sich feixend fürs profane Facebook-Album ablichten, ist mehr als fraglich. Dort würde ich dem Impuls, belehrend und vor allem wütend verbal reinzugrätschen, wohl kaum widerstehen können. |
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Ich erinnere mich auch, dass wir damals ziemlich derbe Witze gemacht haben. Jugendliche eben. Wir wussten, dass diese Witze unmoralisch waren, fanden sie aber furchtbar lustig. Wir haben damals leider keine Gedenkstätte besucht. Rückblickend weiß ich nicht, wie ich mich bzw. wir uns in einer solchen verhalten hätten. Wahrscheinlich nicht vorbildlich. Und hätte es damals Smartphones gegeben - ja wir hätten jede Menge Selfies gemacht. Wie gesagt - wir waren ganz normale Jugendliche. Mit dem neo rechten braunen Krams hatten wir aber nix am Hut. |
Gerechtigkeit und Fairness darf man sich nicht zurechtbiegen, wie es einem in den Kram passt, darin liegt die Gefahr.
Besonders wenn man meint, die moralische Instanz mit der wohlwollenden Mehrheit im Rücken zu vertreten. Auch das ist unterm Strich nichts anderes als medialer Populismus, auf Kosten Unschuldiger. |
Danke für die sachliche Diskussion
Hallo,
ich finde die Diskussion hat in sehr erfreulicherweise zum Kern zurückgefunden und wollte dafür nur danke sagen. Hans |
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Ich wollte bewusst diese Teile zitieren, denn ich habe seit Tagen überlegt, wie ich meine Gefühle zu dem Mahnmal, das mich jedesmal gefangen nimmt, beschreiben könnte. Besser als Burkhard nicht. Danke dir. =) |
Hallo,
danke Burkhardt für die Schilderung deiner Empfindungen dort. Ich war nie dort, kann es daher nur ansatzweise nachempfinden. Und als Teenager wäre es mir sowieso unmöglich gewesen. Ich zitiere aus einem Interview des Künstlers in der FAZ: Zitat:
Von daher war Peter Eisenmann klar, dass das Mahnmal auf jeden individuell wirkt, er auf keinen Fall jede Wirkung vorherplanen kann. Ich habe die Brutalität und den Frieden des Sterbens erleben müssen und dürfen, die Geburt meiner Kinder, ihr Aufwachsen, meine Sorgen um sie, es gibt so viel Dinge die ein junger Mensch noch nicht erlebt hat und deswegen so unbeschwert ist, wie junge Menschen eben sind. Und das ist gut so. Hans |
Beim lesen der letzten Beträge bin ich zu meinem großen Glück auf Burkhards Beitrag gestossen. Beim lesen kamen mir die :cry:.
Jahre schon überlege ich auch, wie ich mein Empfinden am Denkmal beschreiben sollte. Lieber Burkhard, du hast mir in Herz und Seele geschaut. Danke. @eddy23, danke noch mal für den Link. |
zunächst einmal auch von mir ein Danke für die Worte von Burkhard - auch ich könnte es nicht besser in Worte fassen.
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Im Grunde kann man jedem Menschen nur wünschen, einen ähnlichen Zugang zu finden, ja, Bewusstsein und Empathie müssen wachsen und sie müssen durch Erleben, Fühlen, Begreifen wachsen. Die von Eisenman bewusst in Kauf genommene Respektlosigkeit ist nicht leicht zu ertragen, auch wenn er natürlich nicht die Verantwortung für die Respektlosen trägt, das dürfen die schon noch selbst tun. Es zeigt allerdings auch, wie unfassbar schnell so (vermeintlich?) wenige noch sehend und wissende und wollend sind oder sein wollen. |
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