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Irmi 12.01.2013 09:20

:top:
Einfach nur gut.
:top:
Das betrifft nicht nur die Bildbearbeitung.
Gutes Werkzeug braucht man für jede Arbeit, alles andere behindert einen nur.

alberich 12.01.2013 15:09

Nur mal kurz.
Das ist natürlich ein "offenes" Thema. Ich würde es prima finden, wenn hier auch andere Erfahrungs- und Erlebnisberichte gepostet würden.
Wie man sich einem Motiv genähert hat, wie man ein Bild aus dem Foto "geschält" hat, wie man "sein" Motiv gefunden hat... etc.
Ich denke für viele ist das immer wieder interessant zu sehen, denn auch wenn es letztlich immer der gleiche Vorgang ist, so ist er dennoch immer wieder anders und kann anregen und inspirieren.

Apropos Bild im Foto finden.....

:)

alpine-helmut 12.01.2013 22:58

Da mir dieser thread ausnehmend gut gefällt und der TO offensiv dazu aufgefordert hat, möchte auch ich ein paar Gedanken beisteuern:

Vor ein paar Jahren kam ich auf einem Betriebsausflug nach Regensburg. Den dortigen Dom wollte ich gerne fotografieren. Reingegangen und zwei Enttäuschungen erlebt:
1. Da drin ist es nur dunkel - kann man keine schönen Bilder vom lichtdurchfluteten Kirchenraum machen. Gotik setzt halt auf eine andere Lichtstimmung als der südbayerische Barock oder gar Rokoko!
2. Der linke Teil des Chorraums war wegen des Einbaus einer neuen Orgel mit einem riesigen Gerüst belegt, das zum übrigen Kirchenraum hin mit einem Netz behängt war.
Was tun?
Hinsetzen und heulen, mein grausames persönliches Schicksal beweinen, gar aus der Kirche austreten?

Nach kurzer Bedenkzeit der erste konstruktive Gedanke:
einen "normalen" Kirchenraum kannst Du fast immer fotografieren -- die vorliegende Situation ist aber auf die Zeit der Bauarbeiten begrenzt, die übrigens kurz vor der Vollendung zu sein schienen.
Und dann der Entschluss:
Mach was aus genau dieser Situation -- die Gelegenheit für so ein interessantes Motiv ergibt sich erst wieder, wenn die Orgel in 50 oder70 Jahren renoviert werden muss (da werd ich aber wahrscheinlich keine Fotos mehr davon machen können!)!

Und was soll ich sagen? Die Beleuchtung der Baustelle war genau richtig, die Effekte der hinter dem das Netz herausleuchtenden Orgelpfeifen sowie die Gegenüberstelluing von kaltem geradlinig-rechtwinkligem Gerüst und elegant gotisch behauenem lebendigem Stein haben zu einer meiner schönsten Bilderserien geführt. Darüber hinaus war es auch noch Inspiration, in der nächsten Zeit genau solche Motive zu suchen und zu einer Bilderserie "Baustelle Kirche" zusammen zu stellen (was natürlich auch im übertragenen Sinne zu verstehen ist und durchaus als Symbol für die damalige Situation gesehen werden kann und sollte).


-> Bild in der Galerie


-> Bild in der Galerie


-> Bild in der Galerie

Also: nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, sondern einfach versuchen, das beste aus einer Situation zu machen. Irgendwo hier im Forum habe ich einen Signaturspruch gesehen, der so ähnlich hieß wie "Knipser fotografieren, was sie sehen -- ein Fotograf sieht, was fotografiert werden will" ... er muss nur danach suchen!

Dana 13.01.2013 00:33

Ok, dann mag ich auch mal etwas schreiben. =)

Bei mir ist es oft/meistens so, dass ich Bilder einfach nur noch etwas optimiere. Nämlich dann, wenn ich ein Bild durch den Sucher schon komplett "erkannt" habe. Das soll jetzt aber nicht Thema sein, sondern eher das "Bild im Geiste", das die Natur so nicht gezeigt hat.

Ich mag den Satz: "Ein Bild ist ein gutes Bild, wenn man nichts mehr weglassen kann". Diese Reduktion ist es, die mir oft gut gefällt und wo ich dann manchmal auch mit EBV dran gehe, die etwas stärker ist.

Wir waren in Berlin vor einer Woche und sind bei Eiseskälte am Paul Löbe Haus gewesen. Dort standen drei Bäume herum. In meinen Geist schoss sofort die Idee, diese in der "Reihe" aufzunehmen und etwas zu "abstrahieren". Hinter den Bäumen war eine weiße Wand...mit so komischen Punkten.

Original:


-> Bild in der Galerie

Mein geistiges Auge sah aber etwas ganz anderes. Diese drei Bäume, die einfach so da stehen und eine kleine Perspektive bilden. Die wollte ich, sonst nicht wirklich was. Somit haute ich die Wand einfach wech, indem ich die Helligkeiten verstärkte und die Punkte + Striche wegstempelte.


-> Bild in der Galerie

So habe ich das innerlich sofort gesehen und versuchte nun, mit der EBV da hin zu kommen, wo ich hin wollte.

Das Ganze noch in sw, obwohl mir die Farbvariante momentan mehr zusagt:


-> Bild in der Galerie

Nicht auf die Abrisse gucken, ich hab das sw jetzt schnell zur Demonstration aus dem kleinen jpeg entwickelt.

Insgesamt bedeutet das, dass in mir zwei Seelen in der Brust wohnen. Die eine Seele will naturgetreu sein und versucht, exakt abzulichten und genau zu sein und löscht total vieles wieder von der Karte. Die andere Seele ist eher "artifiziell", grafisch... und die bringt mich dann dazu, immer mal wieder Dinge etwas zu ändern, um den Effekt zu kriegen, den ich vorher schon innerlich gesehen habe.

Und das macht schon ziemlich viel Spaß. =)

Roland Hank 13.01.2013 01:15

Wow, was für ein toller Thread, vielen Dank dafür.
Endlich wieder einmal etwas lesenswertes, das entspricht exakt meiner Philosophie über Fotografie.

Gruß Roland

deranonyme 13.01.2013 13:37

Zitat:

Zitat von Dana (Beitrag 1403458)
Das Ganze noch in sw, obwohl mir die Farbvariante momentan mehr zusagt....
Und das macht schon ziemlich viel Spaß. =)

Find ich toll, jetzt noch den Übergang zur verschwundenen Wand etwas weicher, etwa so wie rechts im Bild, wo wohl ne Treppe oder so war, dann passt es für mich egal ob Farbe oder SW. Dieses Thema baut sich sehr schön aus und ermuntert mich auch mal so zu sehen. Ich selbst bin halt arg "realitätsnah", finde solche erzeugten Stimmungen aber interessant und sehenswert, zumal wenn man Grundlage und Ergebnis vergleichen darf..

Danke für die Denkanstöße.

Frank

alberich 13.01.2013 15:45

Zitat:

Zitat von Dana (Beitrag 1403458)
Insgesamt bedeutet das, dass in mir zwei Seelen in der Brust wohnen. Die eine Seele will naturgetreu sein [...] Die andere Seele ist eher "artifiziell", grafisch...

Ich denke, das sind lediglich zwei Seiten der gleichen Medaille/Seele.
Beide Seiten sind gleichberechtigt. Mal hat die eine das Sagen und mal die andere. Mal ist die Fotografie vorrangig Spiegel der Umgebung und mal der Seele.
Mir geht es da genau so. Es gibt Projekte, da steht die so realitisch wie mögliche Abbildung einer Wirklichkeit im Zentrum und mal ist es die eigene, sehr subjektive Interpretation und Transformation des Wahrgenommenen.
Schwierig wird es nur dann, wenn die beiden Intentionen stark überlappen und sich gegenseitig im Weg stehen. Man kann ein Bild ja auch im Nachhinein kaputt interpretieren oder ebenso durch mangelnde "Fürsorge" weit unter seinen Möglichkeiten belassen. Darum kann es nicht schaden, wenn man schon vorher weiß, warum man das Foto machen möchte.

Um schon von vorne herein mehr über das kommende Bild zu wissen und einen stärkeren Bezug zum Motiv zu bekommen ist es wichtig, so intensiv Kontakt mit der Umgebung aufzunehmen wie möglich. Bin ich in der Natur, dann rieche ich an Blättern, an der Erde, fühle was um mich herum ist um es mit all den Sinnen aufzunehmen. Das gibt mir eine Möglichkeit mich stärker verbunden zu fühlen. Es ist für mich persönlich wichtig den Beobachterstatus aufzugeben und vorübergehend Teil des Ganzen zu sein.
Man sich erst einmal synchronisieren. Erst dann kann man im Tempo der Umgebung fotografieren.

Man beschäftigt sich mit dem, was man fotografiert. Das fotografieren passiert nur "nebenbei". Beri Portraits beschäftige ich mit der Person vor der Kamera. Das Fotografieren wird vollkommen zur Nebensache. nur so kann man das Individuelle, Persönliche einfangen. Solange der "Delinquent" das Gefühl hat er würde fotografiert, er befindet sich in einer Prüfungssituation kommt nix bei raus, außer ein Foto von jemandem in einer Prüfungssituation.

Intensive Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Motiv macht das Bild.
:)


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