Ihr mögt recht haben, darauf will ich auch gar nicht hinaus, sondern:
Zitat:
Greenpeace Magazin 2/05
Ein viertel aller weltweit gehandelten Akkus und Batterien stammt aus chinesischen Fabriken. Arbeitsschutz ist dort ein Fremdwort.
LIU JUN* KAM MIT DEM ZUG aus dem Westen nach Huizhou. Da war sie 19 Jahre alt, ein Mädchen mit kurzer, knabenhafter Frisur, runder Brille und zarter Figur. Sie sah den See, Geschäftsleute mit Autos, die Hochhäuser und quirligen Restaurants - alles erschien ihr wunderschön. Ein Nachbar aus dem Heimatdorf brachte sie zur „Golden Peak“-Batteriefabrik; drei Tage später fing sie mit der Arbeit an. Am ersten Abend legte sie sich aufgeregt und zugleich ermattet auf ihr Bett im Wohnheim.Ihre Schulter schmerzte, weil sie den ganzen Tag eine Kurbel drehen musste, und der Lärm der Maschinen hallte in ihren Ohren nach. Sie wusch ihre Arbeitskleidung, und die Chemikalienrückstände färbten das Wasser rostrot. Sie dachte sich nichts dabei. Liu Jun war glücklich. Aber in der Nacht träumte sie davon, die Fabrik zu verlassen. Das war vor neun Jahren. Die Golden-Peak-Gruppe aus Hongkong, einer der größten Batteriehersteller der Welt, produziert mitten in einem Wohngebiet von Huizhou. Lüftungsrohre durchbrechen die rosablaue Fassade und legen einen säuerlichen Geruch über die Nachbarschaft. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, reihen sich trostlose Wohnhäuser mit Gitterfenstern und kleine Geschäfte aneinander. Ein Mann verkauft Goldfische, die er in einem Glas vor sich auf den Boden gestellt hat. Kinder spielen mit den Hunden im Staub. Die Akkus, Mignon- und Micro-Batterien, die 2800 Arbeiter hier herstellen, exportiert Golden Peak in die ganze Welt. Huizhou liegt in Südchina, im boomenden Periflussdelta mit seinen Flughäfen, Autobahnen und Spiegelfassaden, wo 40 Millionen Wanderarbeiter die Nachfrage der Europäer und Amerikaner nach billigen Spielwaren, Haushaltsgeräten und Elektronik befriedigen. Ein beträchtlicher Teil dieser Produkte zieht seinen Saft aus Akkus oder Batterien. Im Jahr 2003 produzierten chinesische Fabriken 26,2 Milliarden der kleinen Energiespender - mehr als ein Viertel des Weltbedarfs. Der größte Teil kommt aus Huizhou.
Liu Juns Euphorie währte nicht lange. Nach einiger Zeit kamen die Kopfschmerzen. Ihre Haare fielen aus. Sie kaufte sich ein kleines Notizbuch, denn ihr Gedächtnis wurde immer unzuverlässiger. Plötzlich konnte sie sich nicht einmal an die Geheimzahl ihres Kontos erinnern, das sie fünf Jahre lang benutzt hatte. Die Untersuchungen durch die von Golden Peak beauftragten Ärzte kamen stets zu dem Ergebnis; alles sei in Ordnung. Liu verlor das Vertrauen in ihren Arbeitgeber. Unter falschem Namen ließ sie sich in einem Krankenhaus untersuchen. Das Ergebnis: Ihr Körper enthielt dreimal so viel hochgiftiges Kadmium wie zulässig. Hatte ihr die Firma falsche Untersuchungsergebnisse vorgelegt?
Immer mehr Arbeiter begannen, über die gleichen Probleme zu klagen. Inzwischen musste die Firma zugeben, dass bei mehr als 300 Beschäftigten erhöhte Kadmiumwerte gemessen wurden. Etwa 90 von ihnen liegen im Krankenhaus. Im Juli 2004 untersuchte Greenpeace Hongkong die Umweltverschmutzung durch Golden Peak und ein weiteres Batteriewerk in Huizhou.“Die Schwermetallbelastung durch die beiden Fabriken ist ein Gesundheitsrisiko für Menschen, die in der Gegend wohnen oder arbeiten“, heißt es in dem Bericht. Im Abwasser der Firma Xianjin stießen die Umweitschützer auf 170-fach überhöhte Kadmiumkonzentrationen.
Neben dem Nervebgift Kadmium sind die Arbeiter den ebenfalls gesundheitsschädlichen Stoffen Nickel und Kobalt ausgesetzt. Selbst in ihren Wohnungen hat Greenpeace kritische Schwermetallbelastungen gemessen, da die Betroffenen den giftigen Staub mit ihrer Arbeitskleidung nach Hause tragen. „Ich habe einen dreijährigen Sohn“, sagt Liu. „Ich traue mich nicht, ihn untersuchen zu lassen, denn ich fürchte mich vor dem Ergebnis.“ Sie spricht jetzt ganz leise.
„Golden Peak hätte seine Mitarbeiter über die Gefahren informieren müssen“, sagt Rechtsanwalt Zhou Litai, der 65 Arbeiter im Rechtsstreit mit ihrer Firma vertritt. Zhous Büro liegt Hunderte Kilometer entfernt im westchinesischen Chongqing. Aber in Huizhou und Umgebung wollte sich kein Anwalt auf die Seite der Schwachen stellen. Zhou vertritt viele Wanderarbeiter im ganzen Land. Als er im Mai 1996 einen Fall in Shenzhen übernahm, war sein Klient der erste Arbeiter, der es wagte, seine Firma zu verklagen. „Die lokalen Regierungen legen zu viel Wert auf die schnelle Entwicklung der Wirtschaft. Rechte und Gesundheit der Angestellten werden dabei oft ignoriert“, sagt Zhou. „Es gibt eigentlich keine Firma im Periflussdelta, die Arbeitsschutzvorschriften einhält“, ergänzt der Hongkonger Gewerkschafter und Menschenrechtler Han Dongfang.
Nachdem mehrere Zeitungen in Hongkong über die Lage der Arbeiter von Huizhou berichtet hatten, kündigte das Golden-Peak-Management an, sich „transparent und verantwortungsbewusst“ um die „Angelegenheit“ zu kümmern. Man wolle Behandlungskosten übernehmen, den Arbeitsschutz verbessern.
Die Betroffenen klagen jedoch, Golden Peak versuche, sie mit niedrigen Abfindungen zu kaufen, und habe die Jahresverträge vieler Opfer nicht verlängert. Liu Jun weiß nicht, wie es weitergehen soll. Sie will kündigen, aber sie hat eine Familie zu ernähren und fürchtet, kein anderer Arbeitgeber in Huizhou werde sie einstellen. Sie kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten: „Die Firma hat uns behandelt, als wären wir Maschinen.“
JANIS VOUGIOUKAS
* Name von der Redaktion geändert
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