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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jödels Antifotolehre


Daydreamer
26.01.2007, 17:55
Vor etwa einem Jahr, als sich bei mir der Wunsch nach einer guten Kamera herauskristallisierte (damals dachte ich noch an ein 20D-Kit^^) hegte ich mit meinem Onkel, über den ich erst auf die Fotografie kam, einen regen mailwechsel. im Anhang einer dieser mails habe ich eben das hier wiedergefunden. Gerade für einen Jungspund wie mich ist diese Sicht auf die Dinge doch sehr interessant, zumal ich zusammenfassend sagen kann, dass zwar die Entwicklungen in der Technik dem Autor in mancher Hinsicht ziemlich das Wasser abgraben, dessen Argumente aber prinzipiell genauso stichhaltig sind wie vor 14 Jahren, einige davon hören wir ja bis heute ;)

Bitte nicht von der Masse abschrecken lassen.

Gruppe: FOTO&FILM
Von: Johannes Leckebusch @ MB
An: Michael Steinwachs @ MS
Wegen: EOS1000 / Bajonett
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Von : Johannes Leckebusch @ MB (Mo, 05.07.93 02:39)

Michael Steinwachs @ MS schreibt:
MS> Übrigens sind große Teile des Gehäuses aus Kunststoff gefertigt - die
Kamera wiegt mit Batterie nur 450g.

Hm - man sagt aber auch, daß eine schwere Kamera ruhiger in der Hand liegt -
sprich, weniger Verwacklungsgefahr. Umgekehrt habe ich aber auch schon
darunter gelitten, daß ich manchmal auf eine Wanderung meine Fotoausrüstung
nicht mitnehmen wollte, weil ich die Schlepperei leid war. ... sobald die
erste Fotobegeisterung vorbei ist, hat man die Kamera oft dabei und
fotografiert doch nicht - wenn man dann aber mal dem Supermotiv
gegenübersteht, wäre sie zur Hand! So gesehen ist das schon ein Argument!

MS> Nur, was ist mit dem Objektiv, ist das zur Zeit im Set für 700,- DM
angebotene 4-5.6 / 35-80 mm Lichtstark genug? Die Händler sagten beide, es
wäre für den Einstieg schon das richtige
Allround-Objektiv was den meisten Situationen (ggfs. mit nem 200er Film)
gewachsen wäre?

Beachte: Die Händler verkaufen an Urlaubsknipser, nicht an Fotografen!
Wer fotografiert, läßt sich nicht "beraten", was für ein Objektiv er kaufen
will - höchstens, welches seinen Erwartungen bzw. Anforderungen am
günstigsten entspricht. Dein Problem ist aber erst mal, daß Du noch nicht
weißt, was Du mal benötigen wirst - das kann Dir der Händler aber erst recht
nicht sagen, denn das hängt von der Art von Fotografie ab, die Du mal machen
wirst!

Wie schon am Telefon gesagt bzw. angedeutet - ich würde mir so ein Objektiv
nicht kaufen, denn ich fotografiere oft bei mäßigem Licht (und ich verwende
oft weit offene Blenden aus gestalterischen Gründen, siehe weiter unten). Da
brauche ich oft eine Lichtstärke von 2,8 oder besser. Andererseits - wenn
man z. B. Landschaften im Sonnenschein aufnimmt, reicht das durchaus, denn
da wird man typischerweise mit Blende 5,6, 8 oder 11, vielleicht auch 16,
arbeiten - besonders, wenn man alles von Vorder- bzw. Mittelgrund bis zum
Horizont scharf haben will. Wichtig wäre bei dem Zoom eine konstante
Lichtstärke (nur bei sehr teuren gegeben, leider) und eine konstante Schärfe
beim Durchzoomen (dh. kein Nachstellen der Schärfe, wenn man die Brennweite
ändert - leider bei meinem Vivitar nicht gegeben, was manchmal SEHR LÄSTIG
ist).

Achja - nochwas fällt mir ein: Mich ärgert es immer maßlos, wenn ein
Objektiv seinen Einstellbereich so einschränkt, daß man z. B. nicht näher
als auf 1,5 oder gar mehr Meter scharfstellen kann (ohne Nahlinse,
Zwischenringe oder "Makrotaste"). Mein Vivitar-Serie I-Zoom kann im 85mm-
Bereich immerhin bis auf ca. 75 cm und im 35mm-Bereich bis unter 30 cm von
der Bildebene (ca. 15 cm von der Frontlinse) scharfstellen. Es dabei absolut
uninteressant, ob das Objektiv dabei in seiner meßtechnisch ermittelbaren
Abbildungsleistung nachläßt, weil es kein "Makroobjektiv" ist! Viel
tragischer ist, wenn ein kleines Kind trülend auf Dich zuläuft und Dir die
Hände ins Gesicht streckt, und Du kannst Das Bild nicht mehr schießen, weil
es aus dem Einstellungsbereich des Objektivs herausgelaufen ist!

Es gibt zu den Zoom-Objektiven generell noch eine "psychologisch-
gestalterische" Diskussion. Z. B. wird gesagt, es sei schlecht, ein Zoom zu
verwenden, weil das zur Faulheit verführe - man zoomt, anstatt sich den
richtigen Aufnahmestandort zu suchen. Ich kann nicht beurteilen, ob das für
einen Anfänger (oder Wiedereinsteiger) wirklich zutreffen kann - als ich zu
fotografieren begann (etwa mit 10 Jahren, und seither ständig, wenngleich
manchmal mit monatelangen Pausen {;-))), gab es keine Zooms für Fotokameras,
sondern nur Festbrennweiten. Wie schon gesagt - mit zwei, drei
Festbrennweiten kommst Du wesentlich kostengünstiger zu wirklich guten
Objektiven, die lichtstärker sind und weniger Verzeichnungen aufweisen. Es
kann aber auch mal passieren, daß man - bei Schnappschüssen - den
entscheidenden Moment verpaßt, weil man grade mit Objektivwechseln
beschäftigt ist.

Sicher richtig ist, daß man den Einfluß der Perspektive viel deutlicher
erfährt, wenn man mit Festbrennweiten näher ran bzw. weiter weg gehen muß,
bis der Bildausschnitt stimmt. Es macht nämlich einen absoluten Unterschied,
ob ich mich auf das Motiv zubewege, bis es das Bild ausfüllt, oder ob ich
einfach nur "hinzoome"!

Ich selbst verwende zu vielleicht 95% bei meiner Life-Fotografie ein Zoom
(35 bis 85, neulich am Telefon hatte ich die richtigen Zahlen nicht im
Kopf), aber mit einer konstanten Lichtstärke von 2,8 (sowas hat allerdings
mal knapp 1000 DM gekostet). Ich hatte auch mal ein ziemlich teures
Tele-Zoom von Canon (70 bis 200, wenn ich mich recht erinnere), das habe ich
aber nach den ersten drei Filmen verärgert zurückgegeben, weil es bei voller
Blendenöffnung auf Diafilm deutlich sichtbar vignettierte (im 200er-
Bereich), ich habe es dann gegen ein 135er mit 2.0, ein 200er mit 4.0 und
ein ordentliches Balgengerät umgetauscht - alles Canon-Original! Diesen
Tausch habe ich nie ernsthaft bereut. - Natürlich habe ich mit einem Zoom
die völlige Freiheit, Perspektive und Ausschnitt frei aufeinander abstimmen
zu können, es kann also "mehr". Aber notwendig ist es nicht - drei gute
Festbrennweiten (brauchen gar nicht teuer zu sein) wären mir allemal lieber
als ein mieses Zoom. Daß Zooms in aller Regel Tonnen- und
Kissenverzeichnungen (in den Extremeinstellungen) verursachen, habe ich Dir
schon gesagt (das tun selbst die gewiß astronomisch teuren Superzooms, die
auf Spielfilmkameras verwendet werden, wie ein aufmerksamer Kinogänger
leicht feststellen wird). Ganz übel ist, wenn sie auch noch vignetieren (das
stellt man kritisch fest, indem man bei voll geöffneter Blende gegen eine
gleichmäßig weiße Fläche, z. B. die Decke im Fotogeschäft, schaut und mal
"durchzoomt". Kommt es zu sichtbaren Veränderungen der Helligkeitsverteilung
im Bildfeld - Hände weg von dem Teil!).

Das 200er benutze ich sehr selten, das 135er gelegentlich bei der Personen-
Fotografie (das ist eine gute Portrait-Brennweite, auch zur Beobachtung
etwas entfernterer Personen bzw. intime Shots aus der Distanz). Früher habe
ich das 200er oft (in Kombination mit 135) in der Landschaftsfotografie
verwendet - aber seit etlichen Jahren mache ich keine Landschaftsfotografie
mehr (das ist so ähnlich wie die Entscheidung, in Hollywood keine Western
mehr zu drehen). Es könnte allerdings sein, daß ich hier in Bayerisch Zell
bzw. den Tälern hier mal wieder so eine Phase einlege!

Außerdem habe ich noch ein "Normal" (50er) mit Lichtstärke 1,4, das ich
allerdings recht selten benutzte, auch als es noch nicht kaputt war, und ein
24er mit 2,8 (meine "Standard-Mindestlichtstärke"). Hohe Blendenöffnungen
(also kleine Zahlen) können auch ein gestalterisches Element sein
(Tiefen-Unschärfe) - mit einem Objektiv, das nur 4-5.6 bietet, würde ich
mich da eingeengt fühlen, selbst wenn das Licht reicht. Aber das ist
wirklich eine Frage des persönlichen Stils und des Gestaltungsspielraumes,
den man auszunutzen gedenkt. Das 24er verwende ich auch vergleichsweise
selten, aber es ist gut, sowas zu haben. Manchmal hätte ich gerne ein
Weitwinkel-Zoom gehabt, und vielleicht würde ich heute oder bei einer neuen
Ausrüstung ein solches bevorzugen.

Es ist nun eine Frage der Vorgehensphilosophie. Wenn Du meinst, daß Du
wirklich ernsthaft fotografieren willst, würde ich mir überlegen, ob der -
wenn auch geringe - Betrag für ein "billiges" Objektiv nicht im Nachhinein
rausgeschmissenes Geld ist. Bei mir würde so ein Teil rasch in die Schublade
wandern. Es kann ökonomischer sein, wenn es für ein teures, lichtstarkes
Zoom nicht reicht, sich erst mal mit einem Normal, einem leichten Tele und
ggf. einen 35er Weitwinkel zu begnügen ... Du wirst dann schon merken,
welcher Brennweitenbereich Dir abgeht und kannst gezielt für diesen Bereich
ein gutes Objektiv nachkaufen (ev. auch gebrauchte ...). Es ist aber
sicherlich auch schwierig, abzuschätzen, was man später einmal alles machen
will, ehe man es nicht ausprobiert hat. Der Apettit kann beim Essen kommen!

Ich will Dir keinesfalls raten, gleich alles mögliche teure und tolle Zeug
zu kaufen - davon verläßt mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einiger Zeit
vieles nicht mehr die Schublade. Ich würde aber z. B. aus fotografischer
Sicht eher am Gehäuse oder Sonderzubehör sparen als ausgerechnet am
Objektiv, denn in erster Linie ist es ja das Objektiv, das die Bilder macht
und die fototechnischen Möglichkeiten beschränkt.

Eigentlich wollte ich noch was zum Thema Autofokus sagen (kam aber am
Telefon nicht dazu). Ich habe damit nur aus den beiden Nikon-Ausleihen
Erfahrungen. Die F4 hatte ich dabei, als die Fotogilde Starnberg eine
Gruppenfahrt mit einem Pferdefuhrwerk organisierte. Da habe ich mich mal
weit aus der fahrenden Kutsche gelehnt, mit einer Hand festgehalten, mit der
anderen die Kamera bedienend. Mit nur einer Hand kann man nicht
scharfstellen, zoomen und auslösen - außer man hat allerlei Automatiken.
Unter diesem Gesichtspunkt war der erstaunlich gut funktionierende Autofokus
tatsächlich ein Element, das gewisse Aufnahmen vielleicht erst möglich
machte (leider war die "Computer-Matrixbelichtung" bei der Mehrzahl aller
meiner Aufnahmen eine völlige Pleite). Man muß aber das Objekt anvisieren,
auf das man scharfstellt, und dann zurück auf den gestalterischen Ausschnitt
schwenken. Aus diesem Gesichtspunkt heraus möchte ich behaupten, daß ich -
wenn ich beide Hände frei habe - mit manueller Scharfeinstellung schneller
und flexibler bin. Berufliche Sportfotografie mag ein andere Anforderungen
stellen.

Mit dieser (in der Regel wohl auf die Bildmitte ausgerichteten)
automatischen Scharfstellung ist es wie mit den komplexen
Belichtungsautomatiken: Sie sind auf das Verhalten von Laien (Knipsern)
abgestellt. Auf jeden Fall muß die Kamera an Stelle des Fotografen die
Entscheidung treffen, auf welches Motivelement scharzustellen ist. Wer nicht
wirklich fotografiert, sondern nur mal Urlaubs- und Geburtagsfotos macht,
hat z. B. die unbewußte Angewohnheit, das Gesicht einer fotografierten
Person immer in Bildmitte zu zentrieren (das kannst Du bei aufmerksamer
Betrachtung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Bildern im
Familien-Fotoalbum feststellen). Also wird das Gesicht der fotografierten
Person (oder der Kirchturm) höchstwahrscheinlich scharf. Gestalterisch ist
das aber völlig daneben. Bei einem Portrait, z. B. Brustbild, gehört das
Gesicht in das obere Drittel des Bildes. Außerdem kann ein Bild assymetrisch
komponiert sein - und dann stellt der Autofokus auf den Baum hinter Tante
Erna scharf - oder auf irgendetwas, was eigentlich ein unscharfes
Vordergrunddetail hätte werden sollen (selbst in gehobenen Fotoclubs ist
sowas womöglich ein Sakrileg - Symptom einer etwas beschränkten
gestalterischen Auffassung - will sagen, es gibt da Dogmatiker, die meinen,
im Vordergrund dürfe nichts unscharf sein - die sollen dann ruhig einen
Autofokus benutzen). Man kann "alles" machen - auch das genaue Gegenteil von
dem, was in einem Fotolehrbuch über Ausschnittgestaltung steht! Damit sind
aber alle Automatiken überfordert, sie versagen, bzw. tun das falsche. Es
gibt z. B. 1000 Möglichkeiten, den Himmel in ein Landschaftsbild
einzubeziehen - einschließlich der Extreme, nur den Himmel oder nur den
Acker ohne Himmel zu fotografieren, der Himmel kann ein schmaler Streifen
oben im Bild sein, oder das Bild kann nur aus Himmel bestehen und unten
einen ganz schmalen Streifen Acker enthalten. Dabei stellt sich das durchaus
nicht triviale Problem, einen Belichtungskompromiss zu finden, bei dem der
dunkle Acker noch Schattenzeichnung und der Himmel noch Farbe hat (oder gar
die vom Sonnenuntergang schön roten Wolken noch erkennen läßt). Ganz
abgesehen davon, daß es durchaus "verschiedene" richtige Belichtungen geben
kann, die stark voneinander abweichen, aber verschiedene Stimmungen
wiedergeben (triviales Beispiel: Die amerikanische Nacht - bei Sonnenschein
aufgenommene, blau gefilterte und stark unterbelichtete Westernszenen, die
vortäuschen sollen, die Handlung spiele bei Vollmond). Mißt man nun die
Lichtmenge im oberen und unteren Bildbereich, so kommt es zu völlig
unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem welchen Flächenbereich der helle
Himmel und der dunkle Acker einnehmen. Ein gewiefter Fotohändler wird Dir
erzählen, aus wie vielen 10000enden Aufnahmen die schlaue Matrixmessung
gewichtet wurde (wenn er weniger helle ist, wird er behaupten, die seien
alle gespeichert). Da hat man halt statistisch herausgefunden, wieviel %
Himmel und Acker der Amateur erwartungsgemäß in seiner "Bildkomposition"
unterbringt - sorry, ich hätte wieder sagen sollen, Fotolaie, denn der
Fotoamateur kann ja höchst professionell sein - das fatale ist aber, daß die
Automatik nichts von Komposition versteht. Also kannst Du davon ausgehen,
daß Dir diese wundervolle Matrixbelichtung, wenn Du Dir die geringsten
gestalterischen Freiheiten bei der Bildkomposition herausnimmst, Deine
Aufnahme vorsätzlich falsch belichtet! Ich habe wirklich nicht schlecht
gestaunt, und anfangs an einen Defekt der Kamera geglaubt, aber beide damals
ausgeliehene Nikons (eine F 80x? und F4) haben mehr als die Hälfte meiner
Aufnahmen katastrophal falsch belichtet! (Ich hatte da natürlich absichtlich
vor allem die Matrixbelichtung verwendet, um zu sehen, was dabei
herauskommt!). Wenn Leute glauben, diese Automatiken seien tatsächlich so
wunderbar nützlich, spielt wieder Statistik eine Rolle. Sagen wir mal, mit
etwas Erfahrung kannst Du ohne Belichtungsmesser nach den Hinweisen auf dem
Beipackzettel im Freien anhand einer Wetter- und Standortbegutachtung 50-
60% korrekt belichtete Aufnahmen machen (das habe ich tatsächlich mal auf
einem Schulausflug getan, als der Belichtungsmesser von meines Vaters Leica
kaputt war). Der Knipser wird aber oft nur 10-30% brauchbare Aufnahmen auf
dem Film haben, weil er a) nichts von Fotografie versteht und b) zu faul
ist, über Belichtungstechnik nachzudenken. Wenn nun 60-70% von
"Durchschnittsmotiven" automatisch korrekt belichtet und scharfgestellt
werden, ist das doch eine tolle Sache! Mit manueller bzw. halbautomatischer
Messung kannst Du aber 100% scharfe und korrekt belichtete Aufnahmen
erzielen (Belichtung nach selektiver Messung + Verstand). Das wird zwar in
der Praxis kaum je der Fall sein, aber bei den falschen Aufnahmen lag der
Fehler bei Dir und Du kannst ihn beim nächstenmal vermeiden. Wenn die
Automatik aber falsch belichtet, ist oft rätselhaft, warum (meine Mutter
hatte so eine Kamera - Schauder!), und Du müßtest erst mal hinter die
Meßpsychologie der schlauen Matrixmessung kommen! Das ist aber Verschwendung
menschlicher Geisteskraft am falschen Ort! Also: Vergeßt die
Belichtungsautomatiken!!!

Dabei ist das Problem mit dem richtigen Meßfeld ganz simpel zu lösen - und
für die allermeisten Fälle völlig zufriedenstellend: Man bringt die Grenze
Himmel/Acker (Horizont) in die Mitte des selektiven Meßfeldes und merkt sich
diesen Wert (oder man wählt den Mittelwert aus der Belichtung für den Himmel
und den Acker). Mit der Erfahrung korrigiert man das dann noch intuitiv oder
macht eine Belichtungsreihe von 2-3 Aufnahmen. Die Automatik kapiert aber
nicht den Zusammenhang aus Bildaufbau, Anteil heller und dunkler Motivteile
und dem "bildwichtigen" Motivteil bzw. der Stimmung, die ich wiedergeben
will. Es kann ja sein, daß ich die Wolken am Himmel in voller Farbenpracht
haben will und der Acker ruhig schwarz werden darf, oder umgekehrt, mich
interessiert der dunkle Ölbaum auf dem braunen Acker, und der Himmel kann
meinetwegen fast weiß werden.

Ich glaube also, daß - von einigen Spezialfällen abgesehen - der Autofokus
in der täglichen Praxis auch nicht sehr viel besser ist - es sei denn, Du
verwendest ihn bewußt. Dann ist es aber umständlicher, denn Du brauchst zwei
Einstellungen - eine für den Autofokus, dann mußt Du die Scharfstellung
speichern und den Motivausschnitt anschwenken - das dauert also länger!
Manuell scharfstellen kann ich auch auf ein Bilddetail am linken, rechten,
oberen oder unteren Bildrand - wie ich es halt will. Übrigens gibt es da
noch einen grundsätzlichen Unterschied: Machst Du Dias, so müssen der
Bildausschnitt und die Bildkomposition in dem Moment, in dem Du den Auslöser
betätigtst, perfekt sein - sonst ist die Aufnahme wertlos. Arbeitest Du aber
auf Negativ und machst selbst Deine Vergrößerungen, läßt sich durch
nachträgliche Ausschnittbestimmung sehr viel korrigieren bzw. aus einer
"Knipse" tatsächlich noch ein "Foto" gewinnen!

In meiner lezten "großen Landschaftsfotografie" in Südspanien habe ich
häufig - einem damaligen Spleen folgend - Bildpaare bzw. -Folgen gemacht,
die aus Durchblicken - z. B. durch blühende Pflanzen auf eine Bachallee mit
Hügeln im Hintergrund - bestanden, und dabei abwechselnd auf den
Vordergrund, den Mittelgrund bzw. den Hintergrund scharfgestellt und das
andere absichtlich - volle Blendenöffnung! - in der Unschärfe gelassen. Ein
Gag, der sich bei einem Überblendvortrag sehr wirkungsvoll macht! Wie willst
Du das einem "Autofokus" verklickern?

Wenn ich Personen bei einer Party fotografiere, sitzen sich vielleicht zwei
gegenüber, am rechten oder linken Bildrand, und in der Mitte ist der Blick
auf irgendeinen mehr oder weniger uninteressanten Hintergrund. Oder man
fotografiert seitlich eine Serie von Leuten, die am Tisch sitzen, und stellt
nacheinander auf verschieden weit entfernte Gesichter scharf, so daß eine
Bildfolge entsteht, bei welcher der Ausschnitt gleich bleibt, aber die
Schärfe von der nahen Person links vorne bis zur entfernten Person rechts
hinten wandert - macht sich auch als Serie von Papierabzügen sehr gut! Oder
die fotografierst das Gestenspiel von Händen, mit dem Gesicht derselben
Person oder des Gegenübers im Hintergrund - wieder kann die Schärfe z. B.
auf den Händen liegen anstatt auf dem Gesicht - oder umgekehrt. Das wäre
alles mit Autofokus viel zu umständlich, und man könnte nicht schnell genug
reagieren!

Aber wie gesagt - Du mußt es für Dich selbst herausfinden. Ablehnen würde
ich das Vorhandensein eines Autofokus in der Kamera nicht - nur abschaltbar
muß er sein!

Kurz zusammengefaßt würde ich persönlich folgendes in den Vordergrund
stellen: Lichtstarke Objektive (lieber anfangs auf ein paar extreme
Brennweitenbereiche verzichten, die man erfahrungsgemäß dann doch recht
selten verwendet) - wobei es, wie ausgeführt, gar nicht mal nur auf das
"schlechte Licht" ankommt, sondern auf den Gestaltungsspielraum mit der
Tiefenunschärfe, für den man weit offene Blenden braucht (da hilft dann auch
kein hochempfindlicher Film), und ein definiertes Meßsystem, das man
kalkuliert einsetzen kann - also eine selektive Integralmessung (ideal, dh.
Meßfeld von ca. 1/9 Bildgröße in der Mitte, hat meine Canon Ftb!) oder
ersatzweise wenigstens eine Spotmessung. Allen anderen Teufelskram meiden!
Und natürlich: Kamera ausprobieren, liegt sie gut in der Hand, kommst Du
persönlich gut mit Position und Funktion der Bedienungselemente zurecht usw.
Lieber ein einfacheres Gehäuse und bessere Objektive, wenn das Geld eine
Rolle spielt! Und kauf Dir - jetzt oder bei Gelegenheit - ein gutes, solides
Stativ, bei dem man die Mittelsäule als "Einbeinstativ" herausnehmen kann,
plus Drahtauslöser. Und keinen Blitz! Damit machst Du dann (nach etwas
Erfahrung) Fotos von Schwesters Geburtstag, über die all die
Automatik-Blitzer und Autofokus-Knipser, bei denen beim richtigen
Bildausschnitt ein Piepston ertönt, nur staunen können (und sie können sich
überhaupt nicht erklären, wieso ihre tolle Kamera keine solch
stimmungsvollen Bilder zustandebringt). (Natürlich gibt es wieder Fälle, für
die man einen Blitz braucht, bzw. bei dem es nichts besseres gibt, besonders
im Fotostudio - aber die erste Regel ist, daß es in der Fotografie keine
Regel ohne einen Fall gibt, in dem sie genau umzukehren ist oder völlig ins
Leere führt!).

Jödel.

PS.: Ich überlege, ob ich daraus nicht ein Buch machen soll - Jödels Anti-
Fotolehre oder so!? [;-))

Jödel.
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footos
26.01.2007, 19:14
schöner langer Text... :shock:


Aber sehr interessant, entspricht doch ziemlich genau meiner Auffassung.
Leider fehlt mir als Student jedoch das nötige Kleingeld für schöne Lichtstarke Objektive :flop:

Aber man kann auch mit dem was man hat schon sehr schöne Bilder machen, denn wenn man mal ehrlich ist, schlägt eine durchschnittliche SLR-Ausrüstung Kompaktknipsen um Längen (wenn der Typ dahinter ein bischen was davon versteht).

Dennoch sollte man auch Kompaktknipsen nicht verdammen. Auch diese haben ihre Berechtigung. Nicht jeder kann/will den Künstler mimen und manchmal ist es auch einfach unnötig. Ausserdem will ich nicht wissen was DSLR kosten würden ohne den Massenmarkt der Knipser.

Tobi

harumpel
28.01.2007, 02:39
So ... geschafft ...


Tolle Anleitung :top:

schwarzvogel
28.01.2007, 12:45
Spiegelbild - passt, wackelt und hat Luft !!

eipe59
28.01.2007, 19:51
Ist zwar sehr viel zu lesen - aber sehr interessante Ansichten.
Aus meiner Sicht auf jeden fall lesenswert! :top: :top: :top:


bis später sagt
Peter

Wild!
28.03.2007, 21:10
Wunderbarer Text.