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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Portraits von fremden Menschen


capote
17.10.2005, 10:22
Hallo liebe Gemeinschaft,

ich bin immernoch auf der Suche nach meinen "richtigen" Motiven.

Bisher habe ich meist tote Gegenstände, Pflanzen oder Tiere abgelichtet. Dieses Wochenende wollte ich mich dank Tele an Portraits versuchen.

Freitag im Hauptbahnhof zur Hauptverkehrszeit und am Sonntag bei schönem Wetter am Mainufer.

Beim ersten Versuch haben mich sicherlich 10% für einen Spion oder Dedektiv gehalten, bei zweiten 80% für einen Spanner. ;-)

Aus den Erfahrungen vom Freitag hatte ich mir für den Sonntag Visitenkarten mit Name und I-Net-Adresse ausgedruckt, um sie den Leuten in die Hand zu drücken. Da ich aus gesetzlichen Gründen keine Bilder von Personen ohne Einwilligung veröffentlichen darf, habe ich auf den Karten die Bildnummer und die Uhrzeit notiert, damit sich die "Opfer" einloggen und die Bilder anschauen können und mir evtl. freigeben.

Insgesamt war ich überrascht von den meist positiven Reaktionen. Nach einer Weile hatte ich einen Großteil meine Hemmung verloren. :twisted:

Was mich noch stört ist die Qualität der Bilder. Ein paar davon sind ganz interessant und geben gut die Stimmung wieder, meistens sind es schöne Erinnerungsfotos, die nur für die entspr. Personen interessant sind.

Mich würde interessieren, was ihr von dieser Aktion haltet, wie ich die Qualität meiner Bilder steigern kann und was ihr mir noch für Tips geben könnt.


Vielen Dank und

newdimage
17.10.2005, 10:54
Die Idee, Dir per Netzkontakt die Freigabe zu holen, finde ich gut.
Wie sich das rechtlich verhält kannst Du evtl. hier finden:

www.fotorecht.de

Zur Qualität:
Mit welcher Ausrüstung?
Um Dir direkte Tipps zu geben, bräuchte es einige Beispielbilder.

BadMan
17.10.2005, 11:02
Was stört dich an der Qualität?
Sind es die Abbildungseigenschaften des Objektivs (wenn ja, welches), ist es der Bildaufbau, das Licht, die fehlende Aussage ...?
Um Dir direkte Tipps zu geben, bräuchte es einige Beispielbilder.
Vielleicht kann man die Personen ja so unkenntlich machen, daß man trotzdem etwas zu den Bildern sagen kann.

Dimagier_Horst
17.10.2005, 11:14
Ein paar davon sind ganz interessant und geben gut die Stimmung wieder, meistens sind es schöne Erinnerungsfotos, die nur für die entspr. Personen interessant sind.
Hallo Philip,
das gibt sich. Mit der Zeit bekommst Du eine andere Sichtweise, welche Personen und Augenblicke aufnehmenswert sind - und das sind oft weniger, als man zunächst denkt. Du bekommst auch ein Gespür, wenn sich Situationen entwickeln. Erst aus solchen Situationen entwickeln sich die stimmungsvollen Bilder, weil Du nicht mehr überrascht wirst. Wenn Du eine interessante Mimik siehst, ist sie oft schon weg, wenn Du auslöst. Wenn Du sie erwartest, hast Du noch Zeit zur Gestaltung.

capote
17.10.2005, 11:23
Zur Qualität:
Mit welcher Ausrüstung?
Um Dir direkte Tipps zu geben, bräuchte es einige Beispielbilder.
Zur Ausrüstung:
Dynax 5D
Sigma 70-300 APO Super II

Beispielbild:
http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/data/thumbnails/844/PICT2617.JPG (http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/details.php?image_id=20114)

Und danke für den Link, hatte mir sowas schon gedacht - ohne Genehmigung darf ich Bilder von "normalen" Menschen nicht veröffentlichen. Ich hoffe, das ist bei obigen noch OK.

newdimage
17.10.2005, 11:57
Ich habe mir erlaubt, das Foto geringfügig zu bearbeiten:

http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/data/thumbnails/6/capote001.jpg (http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/details.php?image_id=20127)

Das was ich unten abgeschnitten habe, täte evtl. oben als Wasser ganz gut :roll: .

capote
17.10.2005, 12:01
Was stört dich an der Qualität?
Sind es die Abbildungseigenschaften des Objektivs (wenn ja, welches), ist es der Bildaufbau, das Licht, die fehlende Aussage ...?
Was ich erreichen will ist, dass die Bilder mehr hat als nur Erinnerungswert haben (Urlaubsfotos, Bilder der eigenen Kinder etc.).
Interessant werden sie M.E. erst, wenn Emotionen beim Betrachter geweckt werden, er in die Situation "hineingezogenen" wird.
Was ich noch gemerkt habe ist, dass gestellte Bilder auf mich keinerlei Anziehung haben.

Bsp:
http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/data/thumbnails/844/PICT2554.jpg (http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/details.php?image_id=20125)

gestellt:
http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/data/thumbnails/844/PICT2569.jpg (http://www.d7userforum.de/phpBB2/4images/details.php?image_id=20126)

Außerdem ist mir aufgefallen, dass bei Sonne die Belichtung schwierig ist und dass die Leute bei direkter Sonne die Augen zusammenkneifen. :?

Sollte ich dann lieber Gegenlicht in Kauf nehmen?

Vielen Dank nochmal für eure Kommentare. :top:

capote
17.10.2005, 12:03
Das was ich unten abgeschnitten habe, täte evtl. oben als Wasser ganz gut :roll: .

Danke, sehr interessant.

Ich hatte mich an die 1/3-Regel gehalten: 1/3 Vordergrund, 1/3 Hauptmotiv und 1/3 Hintergrund.

Was ist nun besser?

newdimage
17.10.2005, 12:12
Was besser und was schlechter ist, keine Ahnung.

Deine Bilder zeigen aber grundsätzlich ein Problem der dig. Fotografie:
Geringer Kontrastumfang. Die dunklen, schwarzen Bereiche sind ohne Struktur, also in den Bereichen unterbelichtet. Es ist für Digi-Knipsen z.Zt. draussen einfach zu hell um den gesamten Kontrastumfang von Sonne bis schwarz wiedergeben zu können.

Am gestellten Motiv solltest Du mal mit den Einstellungen der Kamera (Belichtungskorrektur) spielen.

Suchst Du bewusst zwischenmenschliche Situationen oder fotografierst Du auch interessante Einzelpersonen?

BadMan
17.10.2005, 12:20
Sollte ich dann lieber Gegenlicht in Kauf nehmen?

Das wäre eine Möglichkeit, dann aber auf jeden Fall mit Aufhellblitz.
Die Tageszeit hat natürlich auch einen großen Einfluß auf die Lichtstimmung und v.a. das Schattenspiel. Die Mittagszeit z.B. produziert i.d.R. unschöne harte Schatten, während morgens oder abends ein weicheres und wärmeres Licht herrscht. Da können dir die Experten aber sicher mehr zu erzählen.

PauloG
17.10.2005, 13:16
Moin,

schon interessant, daß hier nur über die photographischen Aspekte diskutiert wird. Anscheinend sieht kaum einer der Lesenden ein Problem darin, wildfremde Leute abzulichten. Nach meinem persönlichen Empfinden, halte ich es für ziemlich fragwürdig, mit einer Telekanone bewaffnet durch die Lande zu laufen und fremde Leute abzuschießen, was im Fotografenslang wohl als Street-Fotografie bezeichnet wird. Wenn man dazu aufgefordert wird, sei es per Auftrag oder Ansprache auf der Straße, und alle beteiligten Personen darüber informiert sind, daß man im Auftrag handelt, dürfte dies in Ordnung sein. Aber sonst? Handelt es sich bei dem Vorgang um einen korrekten Umgang mit seinen Mitmenschen? Nur weil ich kein Problem damit habe, von Fremden fotografiert zu werden, gilt dies auch für den Anderen? Weiß der Andere, was mit den Bildern geschieht, daß die Bilder u.a. ins Web gestellt werden? Für mich einige kritische Fragen, die die so genannte Street-Fotografie in Frage stellen.
Mich würde interessieren, was gegen die kritischen Fragen für diese Art der Fotografie spricht.

Gruß
Paulo

Pedi
17.10.2005, 13:19
Wenn du das erste Posting gelesen hättest wüßtest du das Capote die Personen nach der Aufnahme darauf hinweist und ihnen eine Karte gibt wo sie sich die Bilder ansehen können vor der Freigabe. Für meine Begriffe ein guter Weg.

PauloG
17.10.2005, 13:24
Warum hab ich das erwartet? :lol:
Ich habs natürlich gelesen :roll:
Trotzdem möchte ich die Frage in den Raum stellen, den nicht alle sind "Capote". Dann möchte ich die Frage erweitern: wann drückt Capote den Leuten die Karte in die Hand, davor oder danach? Davor wird wohl kaum gehen, da i.d.R. die Stimmung zerstört ist.

newdimage
17.10.2005, 13:24
Und wenn Du auf capotes Website schaust, findest Du unter Strassenbilder ein entsprechendes Log-In.
Desweiteren hat Philip den link zu www.fotorecht.de zur Kenntnis genommen und setzt sich mit der Thematik auseinander.

capote
17.10.2005, 13:32
Danke Pedi.

Nicht nur, dass ich sie darauf hinweise, ich gebe ihnen auch einen Zugangscode, mit dem nur sie sich die Bilder ansehen können.

Trotzdem verstehe ich PauloG's Einwand. Der ist sicher nicht ganz grundlos. Irgendwie fühle ich mich auch unwohl...

Rechtlich gesehen ist das allerdings kein Problem, da ich Fotos machen darf, nur nicht veröffentlichen (auch nicht privat).

Ich frage auch jedes Mal, ob ich die Bilder gleich löschen soll, was bisher aber niemand wollte. ;-)

Wenn ich nicht hingehen kann/will, lösche ich sie auf der Stelle (soweit Personen erkennbar sind), da nichts damit anzufangen ist.

PauloG
17.10.2005, 13:39
ich will hier keinen persönlich angreifen, falls es so aufgefasst wird, schon gar nicht Capote. Er hat bewiesen, daß er zu den Mitmenschen gehört, die mitdenken ;)
Ich will ganz generell fragen, an die große Web-Gemeinde sozusagen.
Ich frage auch aus einem ganz bestimmten Anlaß, wo ich selber zugegen war und ein Teil der Fotografenhorde wie bei einer Safarie auf wildfremde Leute einfach drauf hielt. Ich habe mich da gefragt, muß das ein, welchen Zweck erfüllt es, horten die die Bilder nur auch ihren Rechnern, wenn wozu, oder wollen die sich mit den Bildern in irgend welchen FC´s profilieren?
Ich habe jetzt nur Capote´s Thema zum Anlaß genommen, die Fragen an die Web-Gemeinde zu stellen ;)

Gruß
Paulo

Dimagier_Horst
17.10.2005, 15:02
Naja, wenn Philip das Thema freigibt:

Ich habe mich da gefragt, muß das ein
Und für Dich, so vermute ich, eine Antwort gefunden.

Warum soll das fotografieren von Leuten etwas besonderes sein?

Es ist eine Auseinandersetzung mit einem spezifischen Mittel, der Fotografie. Andere benutzen dazu die Sprache, dort nennen wir es ratschen und tratschen. Wieder andere benutzen die Schrift, dort nennen wir es Skript, aus dem dann ein Roman, ein Drehbuch oder sonstwas wird. Genauso, wie ich ein Individuum mit Bildern exakt beschreiben kann, kann ich es auch mit Worten oder Gesten oder Zeichnungen. Verwerfen wir das Foto, verwerfen wir auch die Reportage oder das Kabarett oder das Theater usw. Denn auch dort beschreibe ich eine Szene, ein Individuum (Portrait-Einzelperson) oder Gruppe.

In der Öffentlichkeit schränke ich durch Teilnahme an der Öffentlichkeit meine Privatsphäre ein!

Denn anders könnte ich an der Öffentlichkeit gar nicht teilnehmen, ich schaue und fixiere automatisch andere Menschen: wegen einer auffälligen Krawatte, einer krummen Nase, weil sie mir gerade gegenübersitzen oder anders auffallen. Oder ich auffalle: zum dritten Mal hintereinander ohne Krawatte um elf aus dem Haus gegangen - ob ich arbeitslos bin oder gerade zu meiner Freundin gehe? Ob das die Frau weiss? Meine Nachbarn wissen es ganz bestimmt. Habe ich einen Anspruch, es ihnen zu verbieten, darüber nachzudenken? Bestimmt nicht....

Es kommt darauf an, was wir damit tun.

Sie verarbeiten es, sie verarbeiten etwas, was sie visuell aufgenommen haben. Nichts mehr und nichts weniger, und deswegen ist es auch ok. Ich mache ein Bild von einem verliebten Paar, zeige es meiner Frau und wir freuen uns, dass junge Menschen zueinander finden. Das ist ok, weil ich dieses Bild in der Öffentlichkeit mache, und das Paar sich so in der Öffentlichkeit zeigt. Ich mache ein gleich-verliebten-Bild durch ein Fenster in eine Wohnung, und es nicht ok - denn es ist jetzt ein Geschehen in einer Privatsphäre, die ich zu respektieren habe. Dazwischen lässt es sich schwierig abgrenzen: Frau Müller öffentlich in der Nase popelnd würde ich löschen, Thomas Gottschalk vielleicht nicht ;)

Nimm mir mein Bild, und Du nimmst mir meine Sprache!

Interessant finde ich einen ganz anderen Ansatz, den wir in einer Gruppe am Beispiel der Bettler diskutiert haben. Es gibt Menschen, die können sich an einem Bild mit einem Thema auseinandersetzen, Armut zum Beispiel. Diese Menschen fotografieren Armut, Verfall, Gewalt, assoziale Auseinandersetzungen. Es ist ihre Art, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, sie drücken sich mit ihren Bildern darüber aus. Sie fassen ihre Gedanken nicht in Worte, sondern in Bilder. Sie lesen keine Bücher darüber, weil ihnen Bücher nichts sagen. Sie gehen nicht ins Theater, weil sie gesprochene Bilder nicht empfinden können. Aber die Fotografie ist ihre Sprache.

Die Realität lässt sich nicht verbieten.

Und real scheint zu sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, die sehr stark medienorientiert ist. Und die Visualität der digitalen Fotografie wird zu einem beachtlichen Bestandtteil werden. Der vorgegebene Konsens liegt in etwa in dem, was das jeweilige "Fotorecht" des jeweiligen Kulturraumes ausdrückt. Wo sich jeder selber positionieren sollte ist nicht einfach zu beantworten. Der eine legt 5 Meter vor dem Zebrastreifen eine Vollbremsung hin, der andere signalisiert schon 15 Meter früher, dass er anhalten wird, um dem Fussgänger den Übergang zu ermöglichen.

Und die Reaktion folgt in der Regel prompt.

Und wer 2 Meter vor einem fremden Menschen seine Linse voll auf dessen Nase hält, sollte akzeptieren, dass er auf seine eigene etwas bekommt. Andererseits wehre ich mich gegen Menschen, die von mir verlangen, eine Aufnahme zu löschen, weil sie gerade über einen von mir aufgenommenen Platz gelaufen sind und eventuell als Punkt auf dieser Aufnahme erscheinen könnten. Der Vielfältigkeit der Ausdrucksweise sind halt keine Grenzen gesetzt.....

Jan
17.10.2005, 15:22
Wohlgesprochen Horst!

Ich empfinde PauloGs Hinweis aber als wertvoll, grade auch weil capote zeigt, dass er sich auch mit dem Thema auseinandersetzt hat, dies aber sicher nicht selbstverständlich ist.

LG Jan

capote
17.10.2005, 15:31
Naja, wenn Philip das Thema freigibt
Na klar doch!

Interessanter Ansatz, dem ich voll und ganz zustimme.

Bekannte, die ich zufällig dabei getoffen habe, meinten, dass sie sich freuen würden, wenn sie in dieser Situation, schönes Wetter, am Mainufer faullenzend, ungezwungene, schöne Aufnahmen geschenkt bekommen.

Ich werde das nächste Mal weitere Interviews führen. Mal sehen, was dabei rauskommt.

tatius
11.02.2006, 22:23
Ich weiß alter Thread aber trotzdem interessant :)

Die große Aufregung herrscht ja nur, wenn hier in Deutschland "fremde" Personen einfach so abgelichtet werden.

Aber schaut euch mal die Reisegalerien einiger (auch hier ansässiger) User an.
Einmal durch Indien und 30 Leute dort fotografiert.
Da glaubt man doch nicht im ernst, dass die alle eine Visitenkarten mit Angaben über den Fotografen und das Foto erhalten haben.
Und auch nicht dass sich vorher mit jedem verständigt wurde ob er einwilligt.

Funster
11.02.2006, 22:53
Was ist eigentlich so schwer daran, sich mit Takt und Einfühlungsvermögen einem Menschen zu nähern und mit offenen Augen und Ohren herauszufinden, ob er/sie/es fotografiert werden mag oder nicht? Das funktioniert in allen Ländern der Welt und vor einer (Foto-)Reise sollte man sich eh mit Land und Leuten auseinandergesetzt haben, um nicht wie Dummtouri durch die Gegend zu stolpern.
Visitenkarten, ein kleines Portfoliobuch oder ähnliches helfen natürlich, Common Sense hilft aber noch viel mehr.

Ansonsten verweise ich auf Horsts Artikel.

Cheers,
F.

tatius
11.02.2006, 23:28
Stimme dir ja zu.
Meine nur, dass bei solch einem Thema desöfteren mit zwei Waagen gemessen wird.

In diesem Sinne...