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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Monatsthema September 2021: "Die Geschichte hinter dem Bild" (Bilder und Geschichten)


Vera aus K.
01.09.2021, 17:47
Ian`s Masterpiece

Es war auf der zweiten Forenreise nach Südafrika im Dezember 2019. Die erste Safari-Tour führte uns von der Timbavati Lodge morgens um 6 Uhr in einem offenen Toyota in den Kruger Nationalpark. Schon bald hatten wir das Orpen Gate erreicht und voller Vorfreude und Spannung wurden die Kameras schussbereit gemacht. Und sie bekamen mächtig zu tun! Eine tolle Sichtung folgte auf die nächste – ein Gepard, Impalas, Gnus, Zebras, Büffel, Giraffen, Frankoline, viele Elefanten und, und, und... Wir waren alle begeistert von der Vielfalt!

Ian, unser sehr junger und liebenswürdiger Guide machte seine Sache toll. Nach der Mittagspause verfolgte er dann eine besondere Mission: Er wollte uns Löwen zeigen! – Bei dem Gedanken kribbelte es bei uns allen. Aber ein Gamedrive ist kein Zoobesuch … Selbst im wildreichen Kruger Park gehört Glück und unter Umständen auch Können dazu, diese Tiere aufzuspüren.

Nach einer Weile hielten wir neben einem weißen Range Rover dessen Fahrer Ian einen Tipp gab – es waren Löwen gesichtet worden! Wir wendeten und fuhren in die Richtung, in die der andere Guide gewiesen hatte. Jetzt gab Ian richtig Gas! Im tatsächlichen und im übertragenen Sinn. ;)

Nach kurzer Zeit erreichten wir eine kleine Anhöhe, von der aus man auf ein langgezogenes Wasserloch schauen konnte. Zwei weitere Fahrzeuge standen bereits dort, und die Insassen hielten ebenfalls Ausschau. Abgesehen von einer landschaftlich netten Senke und dichtem Buschwerk war absolut nichts zu entdecken. Die anderen Fahrzeuge gaben auf und verließen die Anhöhe.

Wir schauten etwas bedröppelt zum Wasserloch und machten ein paar unambitionierte Landschaftsfotos. Aber wir sahen nichts und wir hörten nichts. Klar – im südafrikanischen Busch hört man ständig Vögel und Insekten und andere für uns undefinierbare Geräusche, aber erst als Ian im entscheidenden Moment die Hand hob und „listen!“ sagte, hörten wir Laute, die nicht nach Vogel klangen. Ian hatte uns auf die Warnrufe von Affen aufmerksam gemacht. „They are still here!“ Nun lauschten wir alle wie gebannt und sehr aufmerksam in die Richtung des dichten Unterholzes. Die Affen waren nicht mehr zu hören, aber nun nahmen wir andere Tierlaute wahr, die wir bereits kannten: Warnrufe von Impalas! Nach wie vor war aber kein einziges Tier zu sehen.

Dann legte Ian seine Hände an den Mund und setzte zum eindrucksvollen Nachahmen des Lockrufes des männlichen Löwen an. Es war ein kehliger, rauher und sehr lauter langanhaltender Ruf – nicht gerade ein Wohlklang, aber sehr eindrucksvoll! Wir waren ehrlich gesagt alle etwas skeptisch. Auch wenn uns ein wenig der Glaube an den Erfolg dieser Aktion fehlte, waren wir doch bis in die Haarspitzen motiviert und starrten konzentriert ins hohe Gras.

Und dann sahen wir sie!!! Eine Löwin verharrte kurz hinter einem Dornenbusch; kurz darauf setzte sie sich ca. 25 m von uns entfernt wieder in Bewegung und kam direkt auf uns zu.


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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=331100)

Wenige Sekunden später tauchte das zweite Weibchen auf. Und wenn man genau hinsah, konnte man vor ihr ein Jungtier erahnen. Nein, nicht nur ein Kleines! Gleich zwei!


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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=331102)


Was für ein magischer Moment!

Nur wenige Augenblicke später bewegte sich das Rudel, das insgesamt aus vier ausgewachsenen Weibchen und drei Jungtieren bestand, quer über die Straße in Richtung Wasserloch.

Wie sahen im Verlauf der Reise noch mehrfach Löwen, aber dieser Moment war einfach ganz, ganz besonders und zauberhaft.

Ich zehre noch heute davon. -

Hans1611
03.09.2021, 23:12
Es war Anfang der 1970er Jahre.

Ich hatte mein Studium begonnen und musste Geld verdienen.

Irgendwie - wie weiß ich gar nicht mehr so genau - kam ich als "Freier Mitarbeiter" zum "Gießener Anzeiger", einer Lokalzeitung aus Mittelhessen. Sportfotografie war meine Aufgabe. Fußball, Handball, Volleyball und was sonst noch so anfiel. Frauenfussball war der Horror.

Bis der fest angestellte Fotograf längere Zeit krank wurde und ich die Aufgabe bekam, sein Ressort zu besetzen.

Unter anderem war meine Aufgabe, jeden Tag das sogenannte "Aufmacherbild" auf der ersten Lokalseite zu machen. Das ist verdammt schwer. Glaubt man kaum.

Hier ist eines meiner ersten "Aufmacher". Geschossen Anfang der 1970er. Ich sah den stadtbekannten Bettler auf der schneebedeckten Einkaufsmeile sitzen. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihn fotografieren darf für ein Bild in der Zeitung. "Hmm... aber einen Heiermann kostet Dich das..." war seine Antwort. (Ein Heiermann waren 5 Mark)

Das war es mir natürlich wert. Immerhin bekam ich für das Bild 12 Mark fuffzig. :-)

Also hier seht Ihr ein ca. 50 Jahre altes Bild, welches 4-spaltig auf der ersten Lokalseite des Gießener Anzeigers erschien.

6/Einkaufsmeile1800.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=357943)

Es war übrigens ein toller Job: Am Montag hatte ich (im Sport) oft 20 bis 25 Bilder in der Zeitung. Auch manche Beilage, wie z.B. die Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums, war geprägt durch meine Bilder. War eine sehr schöne Zeit. Und ich habe sogar überlegt, die Fotografie zu meinem Hauptberuf zu machen.

Dann bin ich aber doch irgendwann Notar geworden.

chefboss
04.09.2021, 01:17
In Geschichte und Geographie hatte ich einen Fensterplatz, so dass ich mich bei meinem ersten Alpha Festival zum Treffpunkt Potsdam in einen Taxi setzte und eine Kurzstrecke in einen Kietz erwartete.

6/DSC02619.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=357949)

embe
05.09.2021, 19:18
1560/DSC04207.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358025)

Diese Aufnahme entstand Anfang der 70er Jahre in der damaligen Bundesrepublik als Teil einer (mehr oder weniger) dokumentarischen Serie.
Für mich persönlich markiert sie einen wichtigen Zeitpunkt der fotografischen Entwicklung.
Die Serie trägt den inoffiziellen Titel: ‚Wer zum Teufel hat den halben Film mit der Wohnzimmeraussicht vollgeknipst?‘

Tatsächlich besteht die genannte Serie aus den ersten jemals von mir gemachten Fotos. Deshalb für mich persönlich ein sehr wichtiger Zeitpunkt bzw. Entwicklungsschritt. :)

Weisser Sonntag. Meine ältere Schwester feierte Erstkommunion. Alle waren unten in der Wohnung unserer Grosseltern für die Kaffeetafel versammelt. Nur ich war noch oben (Mittagsschläfchen?) und auf dem Esstisch lag die Kamera unseres Vaters - geladen und entsichert. Okay: Nur geladen - mit einem Farbnegativfilm.
Also hab ich munter drauflos geknipst. Ich hatte ja gesehen wie mein Vater das macht.

Wie groß war dessen Erstaunen (deutlich größer als die Freude darob), als nach der Entwicklung die Hälfte der Abzüge die obige Ansicht zeigte. :D

DiKo
05.09.2021, 21:52
Ich fange mal mit meinem Zitat aus dem alten Monatsthema Dezember 2014 an:


...
Im Sommer 99 habe ich mit meiner Partnerin eine Radtour durch Schonen in Südschweden gemacht.
Die Negative davon habe ich auf die Schnelle und recht dilettantisch digitalisiert.
...
Während der Tour haben wir ausgiebig das Jedermannsrecht in Anspruch genommen (aber jeden Rastplatz sauber hinterlassen).
Eines Abends haben wir das Gelände eines alten, verlassenen Gehöfts gefunden, das uns zum Übernachten geeignet schien.
Am nächsten Morgen haben wir den Ort genauer erkundet.
...
Da die Fensterscheiben des alten Gebäudes bereits teilweise zerbrochen waren, habe ich ein Fenster geöffnet und bin eingestiegen.
845/IMG_3836_inv_awb_1200x800.jpg
→ Bild in der Galerie (http:../galerie/details.php?image_id=216945)

Das Gehöft musste bereits seit vielen Jahren leerstehen.
Ich fand sauber aufgeschichtetes Holz für einen alten Herd und einen gefüllten Vorratsschrank mit eingeweckten Sachen.
In der Wohnstube waren zum Teil noch Weihnachtsdekorationen zu sehen.
Der Kalender an der Wand war auf einem Wintermonat in den Fünfziger Jahren (welches Jahr und Monat genau hab ich leider vergessen).
Lange habe ich mich nicht im Haus aufgehalten, ich fand es reichlich unheimlich, selbst bei hellichtem Tag.

Dies ist leider das einzige Foto, das ich aus dem Inneren des Hauses habe.
845/IMG_3841_inv_awb_1200x800.jpg
→ Bild in der Galerie (http:../galerie/details.php?image_id=216946)

Warum das Haus verlassen wurde, weiß ich nicht. ...


Etwas, das ich nicht verstehe, ist, dass das Bild aus dem Inneren das Bild in meiner Galerie ist mit den meisten Klicks! :shock:

Aber zurück zu der Geschichte: Vor kurzem habe ich die alte Radwanderkarte von diesem Urlaub wieder gefunden.
Darauf hatten wir die gefahrene Strecke eingezeichnet inklusive Kreuze für die Übernachtungsorte.
Damals hatte ich einen elektronischen Organizer mit, für jeden Urlaubstag habe damals einen kurzen Eintrag gemacht.
Auch daran habe ich mich dann wieder erinnert, wie gut dass ich bei diesem immer regelmäßig die Batterien mal gewechselt habe.

Anhand dessen konnte ich dann den Platz rekonstruieren und lokalisieren.
Neugierig habe ich mir das vor kurzem mit Google-Earth amgesehen.
Der Hof scheint nach wie vor verlassen zu sein.

Kurios ist aber, dass das Dach, welches auf dem Bild ja beschädigt ist, offensichtlich mal ausgebessert wurde.

Verlassen ja, vergessen aber anscheinend nicht ...

Gruß, Dirk

HoSt
06.09.2021, 16:36
Zwischen diesen beiden Bildern liegen mehr als 8 Jahre, eine lange Entwicklung und auch eine lange Geschichte.

Ur-Version von 2013:
972/Hotel-Hill-Alt-Neu_jiw.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=174222)

Gleiche Bilder... heute Bearbeitet
972/013_ji.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358041)

... Heutiges Beispiel...
972/WI306-FINAL_1800pxji.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358037)

Alles fing hier in diesem Forum mit dem ersten Bild an. Ich hatte im Internet irgendwo eine Fotomontage gesehen, in der ein historisches Bild eingebettet in einer heutigen Aufnahme zu sehen war. Das Bild faszinierte mich ungemein und nach kurzer Zeir wollte ich so etwas ähnliches auch ausprobieren.

Ich suchte also ein altes Bild, ging mit der Kamera zu ehemaligen Hotel Hill und machte ein Bild. Dann ging die "Quälerei" am Computer los. Keine Ahnung von Ebenen, Ebenenmasken und Co. begann ich dilettantisch mit dem Radierer und lernte erst nach und nach die richtigen Techniken auch dank viel Unterstützung hier im Forum!

Und heute?

8 Jahre später gibt es nun 6 Kalender mit Bildern dieser Art aus Idstein und Nr. 7 und 8 (und vielleicht 9) werden noch dieses Jahr im Herbst erscheinen... Idstein Wiesbaden und vielleicht noch Fehmarn.

Spannend was ein Bild im Internet so alles auslösen kann, wenn man Spaß daran findet und am Ball bleibt. :top:

Dana
06.09.2021, 21:30
Tolles Monatsthema! :top:

1010/Berlin_Januar_2008_089SF.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=66822)

Ich war in den Hackeschen Höfen in Berlin und ging an diesem Geschäft vorbei.

Vollbremsung.

Diese Art, die Brillen zu arrangieren, fand ich herzallerliebst und ich betrat das Geschäft.
"Entschuldigung, ich würde ZU gerne ein Bild dieser Brillen machen...ich bin Hobbyfotografin und das sieht einfach ZU klasse aus!"
Die Dame hinter dem Tresen musterte mich freundlich aber bedauernd:
"Ach, das tut mir leid...die Innenarchitekten haben Ablichtungen verboten."
Ich sah ungefähr so aus: :cry::|:cry::(:cry::|:cry::(
Sie winkte mich ran:
"Also...Sie dürfen hier INNEN nicht fotografieren. Was sie DRAUSSEN machen...nunja, da kann ich ja absolut GAR nichts tun..."
Sprachs und grinste mich an.
Ich hätte sie abknutschen können. :D

Ich ging also wieder hinaus, schraubte die Geli ab und presste das Objektiv an die Scheibe. Die Dame kam kurz ins Bild, machte das Hinterlicht an, alles andere aus und trat schmunzelnd zur Seite.

So entstand dieses Bild. =)

(Da viele Bilder von mir ne Geschichte haben, wird mir da noch einiges über den Weg laufen. :lol:)

ingoKober
06.09.2021, 21:54
Vor vielen Jahren, als der Arenal in Costa Rica noch aktiv war, verbrachten wir einige Nächte in Rainer Stolls Casa Luna Lodge. Tags rissen ab und zu die Wolken auf und wir sahen den beeindruckenden Vulkan...aber nichts von seiner Aktivität.
An einem Abend ging es unserem Sohn Fabi dann leider richtig schlecht. Montezumas Rache....
Nachts um zwei sprang er unvermittelt aus dem Bett um zu kotzen, was das Zeug hält....
Um den Geruch loszuwerden, öffnete ich danach das Fenster.
Von dem, was wir dann sahen, waren wir alle sehr beeindruckt.

830/CostaRica08___602.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=352731)
(mit damaligen Mitteln habe ich kein besseres Foto hinbekommen, aber die Erinnerung zählt)

Der Arenal war komplett frei von Wolken, an seiner Spitze war das Glühen von Lava zu sehen, eine dünne Rauchwolke entquoll dem Krater und anhaltende polternde Geräusche zeugten von vulkanischen Bomben, die kontinuierlich ausgespuckt wurden und den Berghang herunterkollerten.

Noch heute sagt Fabi, das war eins seiner schönsten Urlaubserlebnisse und er sagt auch, er ist froh, dass er sich in jener Nacht übergeben musste - sonst hätten wir das nicht erleben können.

Viele Grüße

Ingo

chefboss
10.09.2021, 08:59
Ich kenne mein Göttimeitli (Patenkind) seit über 30 Jahre. Nach mehr als 7 Jahre Probezeit mit ihrem jetzigen Ehegatten fand nun endlich ihr Brautstrauss Wurf statt.
Anscheinend gibt es auch noch mehrere andere Hochzeitswillige.
Mein Highlight 2021, welches wegen Corona um ein Jahr verschoben wurde.
(Ich war weder Hochzeitsfotograf noch 2.-Shooter sondern lediglich als Gelegeneitsknipser mit fix 50mm unterwegs).

6/DSC00567-Bearbeitet.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358222)

ingoKober
10.09.2021, 11:58
Ich war mit ein paar Kollegen in Beijing, Kollaborationspartner besuchen. Nach dem interessanten und produktiven langen Tagesprogramm wurden wir in ein lokales Restaurant ausgeführt.
Wir wunderten uns schon etwas, warum die heimischen Kollegen Plastiktüten dabei hatten.
Aber kaum am Tisch, merkten wir bald, was damit los war: Sie hatten sich ein paar Flaschen Reisschnaps mitgebracht. Offenbar trauten sie den Vorräten des Hauses nicht.
Was dann stattfand kann nur als arges Saufgelage bezeichnet werden. In rascher Folge wurde "something red" (Rotwein) und "something clear" (Schnaps) auf ex gekippt. Zwar leerten mein Chef und ich heimlich das eine oder andere Schnapsglas in leere Suppenschüsseln oder andere geeignete Gefäße und ich berief mich auf die Antibiotika, die ich damals gerade einnahm, aber es gab kein echtes Entkommen. Bald waren wir so knülle, dass wir das extrem leckere Essen kaum noch genießen konnten.
Die Partyrunde kann ich hier nicht zeigen, aber zumindest einen der besten Gänge: Fish inside out...bei dem tatsächlich die Innenseite gewissermaßen nach außen gekrempelt wurde.
Ein völlig unverfängliches Bild, aber eine Erinnerung an einen besonders anstrengenden Abend (zwischendurch mussten wir auch noch ein paar Golfbälle schlagen).
6/DSC03272_2.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=221908)

Nett wars irgendwie aber trotzdem. Und auf jeden Fall erinnerungswürdig.
Man muss auch schon ein sehr enges Vertrauensverhältnis zu seinem Chef haben, wenn man sich gegenseitig derart unter den Tisch trinkt, wie die beiden Beijinger Kollegen.

Prost

Ingo

Tom#2
12.09.2021, 16:38
Wenn man den Begriff Tschernobyl hört haben die meisten Leute direkt ein paar Bilder vor Augen, das war bei mir nicht anders.
Die meisten haben vor ihrem geistigen Auge das Riesenrad bzw. den Vergnügungspark der nie eröffnet wurde, den alten oder gar neuen Sarkophag, Bilder der Geisterstadt Prypjat, manche erinnern sich noch an 1986 als die Bilder vom Hubschrauber aus durchs Fernsehen gingen.
Für mich aber ist es ein anderes Bild welches ich mit dem Begriff Tschernobyl verbinde, ein Graffiti, das etwa sechs Meter hohe Graffiti wurde 2016 zum 30. Jahrestag der Katastrophe vom australischen Künstler Guido van Helton (https://www.guidovanhelten.com/projects) angebracht.
Als ich dann am 2.ten Tag unserer Tour davor stand sagte ich zu mir selber:"Jetzt bin ich angekommen!" Weil mit diesem Bild eigentlich alles gesagt ist was darüber zu sagen ist.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358297)

Noringer
13.09.2021, 22:06
830/kirche_andorra.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358344)

Ein flaues Bild, das nicht einmal beim besten Willen als Ansichtskarte durchgehen kann? Was soll das?
Nun, um diese Frage zu beantworten, muss ich weit in der Zeit zurückgehen, genau 50 Jahre. Ich war damals gerade volljährig geworden und wollte einfach ohne festes Ziel per Inter-Rail Frankreich erkunden. Meine erste Anlaufstation war Paris, das ich mir zwei Wochen lang erwanderte. Von dort aus wollte ich entscheiden, wohin die weitere Reise gehen soll. Ich erwanderte mir die Stadt zwei Wochen lang und hatte danach die Nase gestrichen voll von der Sommerhitze, den Abgasen und dem Häusermeer. Aber wohin sollte ich vor all dem flüchten? Da kam mir der Zufall zuhilfe. Mein kleines, billiges Hotel lag genau neben dem Gare de l’Est (Ostbahnhof), in dem sich ein kleiner Zeitschriftenkiosk mit ein paar deutschsprachigen Zeitungen befand. Beim Stöbern fiel mir ein Buchständer mit deutschsprachigen Büchern auf, unter denen ein Buch meine besondere Aufmerksamkeit erregte: Kurt Tucholskys „Ein Pyrenäenbuch“. In ihm beschreibt Tucholsky, auf seine unnachahmliche Art, seine Reise durch die französischen Pyrenäen, die ihn 1927 vom Atlantik bis zum Mittelmeer führte.
Dieses Buch brachte in mir etwas zum Klingen – ich musste in die Pyrenäen. Also ab zum Gare d’Austerlitz, hinein in den Schnellzug nach Toulouse und von dort mit dem Nahverkehrszug weiter bis zur Endstation La Tour de Carol. Pyrenäen, La Tour de Carol, Cerdagne, Andorra. Schon allein diese Namen bargen etwas Geheimnisvolles, zogen mich magisch an.
Es stellte sich heraus, dass ich die richtige Standortwahl getroffen hatte, denn der Bahnhof La Tour de Carol – Enveigt (zwei Ortschaften mit zusammen 4500 Einwohnern) war der Grenzbahnhof nach Spanien, ein Verkehrsknotenpunkt im Gebirge. Von ihm aus konnte ich in jede beliebige Richtung meine Ausflüge starten. Es gab Zugverbindungen nach Perpignan und Barcelona, einen Nachtzug nach Paris und eine Buslinie nach Andorra. Also ideal für meine Bedürfnisse.
Der geneigte Leser mag sich fragen: Viele Worte, aber was ist denn nun mit dem Foto? Kerl, komm endlich zum Punkt!
Gemach, noch zwei Sätze und wir sind mittendrin. Ich wollte ein Gefühl dafür erzeugen, was mir die Pyrenäen bedeuten, was meine Seele zum Klingen bringt und was mir später (überspitzt formuliert) den „Schock meines Lebens“ bescherte.
Ich nahm nach ein paar Tagen den Bus nach Andorra, ein altes Gefährt, das seine besten Tage in Deutschland verbracht haben musste, denn überall waren noch die deutschen Hinweis- und Verbotsschilder angebracht: „Nicht hinauslehnen“, „Nicht mit dem Fahrer sprechen“, usw. Nun denn, der Bus und ich kamen glücklich in Andorra an, nach einer Fahrt über schmale und kurvige Straßen und zwei Pässen, die das Transportmittel gerade noch so bewältigte.
In der Hauptstadt Andorra la Vella suchte ich mir ein billiges Hotel und stöberte als Erstes in den Land- und Wanderkarten, was es denn Sehenswertes gäbe. Dabei fiel mir auf, dass es ganz in der Nähe eine Kirche in einer Schlucht gab, die sehr interessant erschien. Als ich nach relativ kurzem Fußmarsch dort ankam, wurden meine Erwartungen noch weit übertroffen. Dieses Gesamtensemble aus romanischer Steinbogenbrücke, der kleinen Kirche am Grunde der Schlucht, der Heiligengrotte in der Felswand neben der Straße und dem durch sein enges Bett tosenden Fluss zog mich in seinen Bann.
Und damit sind wir bei dem Foto und meinem Einstieg in die Fotografie. Um eine dauerhafte Erinnerung an dieses Erlebnis zu haben kaufte ich gleich am nächsten Tag (zoll- und steuerfrei) meinen ersten Fotoapparat, eine Minolta Himatic 7s und einen Farbnegativfilm. Die Ergebnisse meiner fotografischen Bemühungen waren allerdings alles andere als berauschend, denn ich hatte von Fotografie gerade so viel Ahnung, dass ich wusste: „Hinten sieht man rein und vorne kommt ein Vögelchen heraus.“ Aber immerhin, der Einstieg in die Fotografie war geschafft. Außerdem hatte mich das „Pyrenäenvirus“ gepackt.
Ich war in den nächsten Jahren (Jahrzehnten) immer wieder mal auf Urlaub in den Pyrenäen an unterschiedlichen Orten, aber versäumte nie „meiner“ Kirche und „meiner“ Schlucht einen Besuch abzustatten.
Doch wie heißt es so schön: „Der Frust lauert überall und schlägt irgendwann zu“. So auch hier. In unserem ersten gemeinsamen Urlaub in den Pyrenäen wollte ich meiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau meinen Lieblingsort in den Pyrenäen zeigen. Wir fuhren also los, doch was war das? Wo war meine Kirche? Wir fuhren doch gerade durch meine Schlucht? Aber wo war dann die Heiligengrotte in der Felswand? Was sollte das ganze Geröll, das das Flussbett, den Hang und die Kirche verschüttete? Es war alles weg oder verschüttet, eine einzige Geröllwüste. Welche Barbaren waren hier am Werk? Ich war ins Mark getroffen und stieß die wildesten Verwünschungen aus: Mögen die Verantwortlichen in der Hölle schmoren!
Wütend packte ich meine mittlerweile angeschaffte Minolta SRT 303 und versuchte von den gleichen Standpunkten wie früher zu fotografieren, um damit den Frevel zu dokumentieren. Und dann kam das, was wohl jeder Fotograf kennt – zwei weitere Autos hielten an, die Leute stiegen aus und fotografierten ebenfalls die Bescherung. Denn wo einer mit einer Spiegelreflex zugange ist, muss es etwas zu sehen geben. Trotz meiner Wut konnte ich mir bei diesem Anblick ein leises mitleidiges Grinsen nicht verkneifen. „Ihr armen Seelen, wenn ihr wüsstet, wie es hier vor ein paar Jahren noch ausgesehen hat.“
Ok, die Vernunft gewann die Oberhand, denn es gab ja gute Gründe für diese Straßenbauarbeiten: Die Bevölkerung Andorras war in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Von 5500 zu Tucholskys Zeiten auf jetzt 75000. Diese Straße war die einzige Verbindung zu den anderen beiden Haupttälern und dem entsprechend viel Verkehr. Sie war gefährlich, weil die alte Straße durch ein nicht einsehbar kurviges Tunnel führte.
Das waren alles gute Gründe. Aber weshalb musste es ausgerechnet mein Idyll treffen?
Doch es gibt so etwas wie ein Happy End: Meine Frau und ich waren vor ein paar Jahren wieder in Andorra und wir wollten auch wieder die Schlucht besuchen. Dort nahm ich reumütig meine damaligen Verwünschungen zurück, denn die Andorraner hatten bestmöglich die Schäden beseitigt. Die Kirche und der Brunnen wurden wieder freigelegt und restauriert, das Geröll wurde abgeräumt, irgendjemand legte am Wegrand schmale Gemüse- und Blumenbeete an, statt der in den Fels gehauenen Grotte hat der Heilige nun eine, von Bäumen umgebene, gemauerte Grotte neben der Straße. Ja, ich leiste ganz offiziell Abbitte: Sie haben das bestmögliche aus den Gegebenheiten gemacht.
Leider konnte ich damals nur ein paar Fotos schießen, da die Dämmerung schon weit fortgeschritten war und außerdem eine Kaltfront mit Dauerregen drohte.
Diese Fotografie hat noch eine weitere Funktion, sie erinnert mich daran, dass ich kein Bild habe, das diesem Ort gerecht wird (die meisten Dias gingen bei einem Wohnungsbrand verloren) und dass ich immer noch nicht meinen Traum verwirklicht habe, den ich seit 50 Jahren mit mir herumtrage – auf den Spuren Kurt Tucholskys die Pyrenäen zu erkunden.

Vielleicht klappt es ja in zwei Jahren, wenn meine Frau in Rente geht und wir unbeschwert sechs bis acht Wochen am Stück verreisen können.

embe
24.09.2021, 08:50
Was macht man in so einer Pandemie? Genau, den Keller endlich mal aufräumen.
Und wenn einem dabei ein Karton mit alten Dias mal wieder in die Hände kommt? Digitalisieren, na klar. Also ein paar Abende lang Dias in den Scanner geschoben und die alten Bilder dabei auch mal wieder angeschaut.

Warum ich damals überhaupt mit Diafilm fotografiert habe ist mir nach wie vor ein Rätsel. :lol:
Weder hatte ich je einen Projektor, noch waren meine fotografischen Ergebnisse so, dass sie die Vorteile des Umkehrfilms (Hoher Kontrast, Schärfe und große Farbtreue) bedient hätten. :oops:

Jedenfalls ein paar schöne Bilder wiederentdeckt, unter anderem ein paar von einem Wochenende im Lake District in England von 1993. Aber wo waren wir damals eigentlich?

Nach wochenlangem erfolglosem Brüten über Google Maps und Vergleichen der dort bei Street view eingestellten Fotos mit der Landschaft auf den Bildern, kam dann doch noch die Idee, doch mal die 'Profis' zu fragen. Also Kontakt zur Lake District-Gruppierung der Ramblers (https://www.ramblers.org.uk/) gesucht und dort nachgefragt, ob denn jemand von denen der Ausblick bekannt vorkommt. Die waren auch sehr hilfsbereit.
Und um die Suche etwas weiter eingrenzen zu können, dachte ich, ich nehme einfach mal die Dias alle aus ihren Rähmchen und setze die Filme in der richtigen Reihenfolge der Aufnahmen zusammen, dann gibt es vielleicht ein, zwei Bilder weiter vorne oder hinten weitere Hinweise auf den Ort von damals.
Abgesehen davon, dass ich zwei verschiedene Filme gemixt hatte (der eine war wohl aus dem Peak District vom Jahr davor - sieht ja schon alles ein bisschen ähnlich aus , da in England... :D) habe ich dabei entdeckt, dass ich von dem Gipfel dort sogar mehrere Bilder hintereinander gemacht habe, immer so eine kleine Drehung versetzt:
Ich hatte dort anscheinend Aufnahmen für ein Panorama gemacht!:lol:
Um dann die Ausdrucke passend überlappend zusammenzukleben?

Jedenfalls hatte ich die Aufnahmen ja jetzt digital, und mit Lightroom einfach als Panorama zusammengesetzt:

47/pano4000.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358796)

:D gar nicht so schlecht, und damit, und mit Hilfe der Lake District Ramblers, konnte ich dann auch den Ort bestimmen:
Calf Crag (https://www.google.de/maps/place/Calf+Crag/@54.4850191,-3.0876649,15z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x487cc3d83663b99b:0xa568e afedf169004!8m2!3d54.48502!4d-3.0789101)

Blick nach Osten mit Thirlmere links unten im Tal verborgen, Helvellyn und Fairfield Peak auf der anderen Seite des Tals und nach rechts die recht bekannte Formation 'the lion and the lamb' auf Helm Crag und dann weiter nach Grasmere.
Eine schöne Erinnerung wiederbelebt, und wer weiss, ich könnte zum 30-jährigen ja mal wieder nach England fahren und wandern gehen. :D

kiwi05
29.09.2021, 12:18
Aus Versehen habe ich diese Geschichte zuerst im Diskussionthread eingestellt.
Das habe ich erst heute nach Veras Besprechung bemerkt.:oops::oops::oops:
Nun, jetzt ist er auch an der richtigen Stelle.

Da ich seit knapp 7 Wochen fern meiner Festplatte auf der all meine Bilder ruhen, on Tour bin, und sich gleichzeitig abzeichnet, daß ich diese innerhalb der regulären Laufzeit des aktuellen Monatsthemas nicht mehr erreichen werde, musste ich einen anderen Weg wählen, um hier teilzunehmen.

Es geht um ein Foto des Mont Aiguille, daß mir schon seit unserer Reise 2018 durch Frankreich vorschwebt. Damals sah ich den Berg von der Corniche du Drac aus....weit weg und unfotogen. Aber im Internet gab es Bilder, die dazu führten, daß in diesem Jahr die Route klüger gewählt wurde.

Der Mont Aiguille ist 2087m, liegt in den frz. Alpen, genauer im Vercors.
Lange Zeit galt er als unbesteigbar.
Die Erstbesteigung 1492 gilt heute neben der Erstersteigung des Mont Ventoux durch Francesco Petrarca als eine Geburtsstunde des Alpinismus.

Als wir am Abend den Ort Chichilianne erreichten, war der Himmel klar, aber das Felsmassiv lag grau im Schatten. Die Zeit reichte aber um vor Ort einen geeigneten Standpunkt zu finden, an dem ich am nächsten Morgen "mein Foto" schießen wollte.

Am nächsten Morgen war ich um 7:30 Uhr vor Ort....ohne Frühstück. 15min zu Fuß durch nasses Gras.
Ich war zu früh. Im Tal gab es noch keine Sonne am Berg nur Nebel.
Nach einer Stunde sah es genau so aus:

830/Sonyuserforum_2453_Chichilianne_Mont_Aiguille_7R30 4867.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358844)

Eine weitere Stunde wartete ich ab, dann gings durchgefroren zum Spätstück in den Camper.

Danach zeichneten sich am Himmel immer wieder Wolkenlücken ab, nur an den falschen Stellen. Trotzdem war ich wieder vor Ort....man weiß ja nie.
Aber der Berg machte seine eigenen Wolken. Immer wieder kamen große wolkenfreie Himmelspartien, die am Mont Aiguille Wolken bildeten.
Bis 14.30 Uhr kroch lediglich die Unterkante der Wolken etwas höher.

830/Sonyuserforum_2454_Chichilianne_Mont_Aiguille_7R30 4882.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358843)

Die Pläne für die Weiterfahrt waren längst um einen Tag verschoben. Gut wenn man Zeit zum Warten hat.:D

Ich befürchtete schon, daß sich die Wolken entweder nie oder erst, wenn der Berg wieder im Schatten steht, verabschieden würden.
Doch dann gegen 16:00 Uhr ging alles ganz schnell.
Die Wolken lösten sich auf.
Da stand er, imposant so losgelöst von der Umgebung.
Endlich konnte ich "mein Foto" vom Mont Aigual machen.

830/Sonyuserforum_2455_Chichilianne_Mont_Aiguille_7R30 4938.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358842)

Zufrieden stiefelte ich zum Camper zurück, wo meine geduldige Frau Gabi einen Lesetag verbracht hat.

Unnötig zu erwähnen, daß es am Morgen des nächsten Tages schon um 7:00 Uhr morgens, als ich vor den Camper trat genau so aussah.

830/Sonyuserforum_2456_Chichilianne_Mont_Aiguille_7R30 5031.jpg
→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358841)

What a Difference a Day Makes.

Windbreaker
29.09.2021, 19:49
So kurz vor Monatsende kann und möchte ich mich nun auch noch am Monatsthema beteiligen:

Paris ist das neue Berlin – Ich war dann mal da, und zwar auf Christo’s Spuren

1995 verhüllte der Künstler Christo zusammen mit seiner Frau Jean-Claude den Reichstag in Berlin. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, ob ich damals noch nicht so das Interesse dafür, oder ich als relativ junger Familienvater einfach andere Prioritäten hatte. Jedenfalls war ich damals nicht in Berlin, um mir das Spektakel live anzusehen.
Jetzt, 26 Jahre später sind Christo und Jean-Claude zwar längst tot, trotzdem wurde postum noch ein Projekt der Beiden umgesetzt: Die Verhüllung des Arc de Triomphe de l’Étoile, des Triumphbogens in Paris. Ein Projekt, dass Christo bereits im Jahr 1961 erdachte und das somit genauso alt ist wie ich selbst.

Deshalb kam mir in den Sinn, wenn ich schon nicht in Berlin war, ich doch wenigstens nach Paris reisen könnte, um mir das eingepackte Baudenkmal live anzuschauen.
Paris ist mir entfernungsmäßig näher als unsere Hauptstadt und ich war da fast 40 Jahre nicht mehr dort. Außerdem kann man Paris mit dem TGV erreichen, der gegenüber seinem deutschen Pendant das Prädikat „Hochgeschwindigkeitszug“ tatsächlich verdient.
(Während ich von Freiburg mit dem ICE für die rund 600 Kilometer nach Berlin über sechs Stunden benötige, transportiert mich der TGV in sage und schreibe 1:49 von Straßburg nach Paris Ostbahnhof.)

Nachdem ich meinen moralischen Urlaubsanspruch gegenüber meinem Chef durch eine Fototourenwoche mit Porty im August schon verwirkt hatte, war mit meinem Arbeitgeber zum jetzigen Zeitpunkt höchstens über einen freien Tag zu verhandeln, den er mir dann auch tatsächlich gewährt hat. Ein Ticket war schnell gebucht und ein theoretischer Plan für einen Kurztripp in die französische Hauptstadt ebenso flott ersonnen.

Am Dienstag um fünf Uhr klingelte der Wecker und ich wälzte mich aus dem Bett. Die Beschreibung „Springen“ wäre schlicht und ergreifend gelogen gewesen und wer mich kennt, hätte diese Formulierung sofort als maßlose Übertreibung entlarvt.
Nach einem kurzen Frühstück und einer kreislaufanregenden Dusche setzte ich mich ins Auto um die paar Kilometer nach Kehl zu fahren, wo ich mein Vehikel am dortigen Bahnhof auf dem Park and Ride Parkplatz deponierte. Ein Nahverkehrszug brachte mich ins benachbarte Straßburg, wo ich in einen TGV Inoui umstieg.

Um 9:35 Uhr traf ich pünktlich auf Bahnsteig 25 im Gare de l’Est, dem Ostbahnhof in Paris ein. Übrigens auf die Sekunde genau. Ja bahntechnisch haben die Franzosen schon was los.

Ein Tagesticket für die Pariser Metro war schnell besorgt und dann ging mit der Metrolinie 4 (Umstieg Station Châtelet in die Linie 1) schnurstracks ab in Richtung Triumphbogen. Übrigens kann man sich in Paris super mit der Metro orientieren, weil jede Linie und jede Richtung immer einen eigenen Bahnsteig hat. Wenn man also die Endhaltestelle der Richtung der jeweiligen Metrolinie kennt, muss man nur der Beschilderung folgen und kommt automatisch zum richtigen Zug.

Unterwegs stieg ich am Louvre aus, weil ich mir das Gebäude zumindest von außen anschauen wollte. (Reinzugehen hätte aufgrund der knapp bemessenen Zeit keinen Sinn gemacht.) Danach lief ich durch die Tuilerien, einem wunderschönen Park in Richtung Champs Elysées, an deren höchstem Punkt seit 1806 der Arc de Triomphe auf die Pariser Prachtstraße hinabblickt.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358952)

Zu Fuß war der Weg allerdings in Anbetracht meines geplanten Tagespensums zu weit, so dass ich am Place de la Concorde wieder in die Pariser Unterwelt abtauchte. Drei Metrostationen und vielen Treppenstufen weiter kehrte ich zurück an die Oberfläche und da stand er vor mir.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358951)

Der Triumphbogen eingewickelt in Silberfolie wie ein Bonbon. Rote Schnüre hielten die Stoffbahnen am Platz und wenn man genau hinschaute, schimmerte durch den Stoff auch die Farbe Blau. Damit hatte Christo gedanklich die Farben der Tricolore, der französischen Flagge in sein Kunstwerk integriert.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358953)

Um den Triumphbogen liefen zahlreiche Volotäre rum, die eingekleidet mit blauen Westen auf denen „L‘Arc de Triomphe, WRAPPED“ zu lesen war, für Fragen zum Kunstwerk zur Verfügung standen.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358954)

Wenn man höflich darum bat, schenkten sie einem sogar ein kleines, quadratisches Stückchen von dem Einwickelstoff.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358949)

Das „WRAPPED“ dürfte manchem Franzosen ein bisschen aufgestoßen sein, hassen unsere westlichen Nachbarn Anglizismen mindestens genauso, wie Limonade im Rotwein.

Das Pariser Wahrzeichen so eingepackt zu sehen, war für mich schon ziemlich beeindruckend. Und wie mir, schien es den hunderten anderen Besuchern auch zu gehen. Immerhin waren zu der relativ frühen Uhrzeit ziemlich viele Touristen hier. Neben der obligatorischen, asiatischen Fraktion, auch recht viele Deutsche.

Interessant war, dass viele Schüler und Studenten alleine und in Grüppchen rund um den verhüllten Triumphbogen saßen, um ihn im Gesamten oder im Detail zu zeichnen. Ein oder zwei von ihnen habe ich dabei kurz beobachtet.

Nachdem ich mich sattgesehen und die Sonne einen recht hohen Stand am Himmel erreicht hatte, Machte ich mich mit der U-Bahn in Richtung Trocadero auf. Bei meinem letzten Besuch in Paris hatte ich den Fehler gemacht, direkt zum Eifelturm zu fahren. Fotografieren kann man das Stahlmonstrum (zumindest theoretisch) aber viel besser von der Freifläche des Palais de Chaillot, von der man aus erhöhter Position (normalerweise) den Eiffelturm direkt vor sich stehen hat. By the Way: In der U-Bahn lernte ich einen Sonyfotografen kennen, der mich ein Stückchen begleitete. Am Eiffelturm trennten sich aber unsere Wege wieder, da er, anders als ich, auf den Turm wollte. Da ich da aber schon oben war und meine begrenzte Zeit nicht mit Anstehen verplempern wollte, setzte ich meine Route aber alleine fort.

Leider hat sich die Stadt Paris zurzeit anscheinend vorgenommen, ihre Sehenswürdigkeiten mit allen möglichen Bauzäunen, Festivalzelten oder Lichtinstallationen derart zu verbauen, dass man sie schlecht bis gar nicht fotografieren kann. Diese Erfahrung machte nacheinander eben am Eiffelturm, dem Invalidendom, der Kathedrale Notre Dame oder dem Grand Palais. Lediglich Sacré-Cœur und der Basilisk am Place de la Concorde waren unverbaut.

So ging die Zeit bis zur Rückfahrt mit dem TGV vorbei wie im Flug. Am Abend kehrte ich noch einmal zurück an den Triumphbogen, um ihn in der Abendsonne zu fotografieren.

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=358955)

Zu Beginn der Dämmerung fuhr ich dann zurück zum Ostbahnhof und stieg müde und mit einer riesigen Blase an der Ferse in den TGV Richtung Heimat.

Schlumpf1965
30.09.2021, 08:12
Hallo Jens,
Tolle Idee hattest du da. Schöne Eindrücke und das mit dem Quadrat vom Einwickelstoff ist ja auch eine prima Idee von denen. Der Stoff sieht wirklich schön aus und dürfte eine nette Erinnerung an den Tag sein... da könnte man ja fast eines der Bilder nehmen, rahmen und das Stoffquadrat im Eck integrieren. Freue mich, dass du trotz der Blase einen schönen Tag hattest.

PS.: Wie du schon schreibst ist das mit TGV/ICE von dir aus ein "Katzensprung", ich habe das vor ein paar Jahren mal dienstlich von Mannheim aus gemacht, als wir einen Messestand in Paris hatten. Ist man erst mal mit dem Zug in F, geht es wirklich ratzfatz, etwaige Verspätungen die auf der deutschen Seite entstanden werden mal eben einkassiert. Und auch preislich ist das echt o. K.

DiKo
31.10.2021, 13:13
Passend zum heutigen Halloween die kleine Geschichte zu diesem Bild:

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→ Bild in der Galerie (https:../galerie/details.php?image_id=360213)

In der Straße, in der wir bis vor einigen Jahren wohnten, gab es ein Haus, dass immer liebevoll seinen Eingang dekorierte und mit Theatereffekten den Besuch zu einem Erlebnis machte.

Erst später haben wir erfahren, hier lebte der Entwickler des Theater- und Film-Nebels, so wie man das heutezutage verwendet.
Für seine Erfindung bekam er 1985 dann einen technischen Oscar von der Academy of Motion Picture Arts & Sciences verliehen.

Er ist leider im Sommer dieses Jahres verstorben.

Gruß, Dirk

Robert Auer
31.10.2021, 14:29
OT: Macht man Nebel heute nicht mehr mit Trockeneis?

DiKo
31.10.2021, 15:37
Wohl eher nur für Bodennebel.
Für große Nebelszenerien werden Nebelmaschinen eingesetzt, die ein Fluid verdampfen.
Früher wurde das mit Ölen gemacht, die aber gesundheitlich nicht unbedenklich waren.

Gruß, Dirk