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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tienschan 2005, ein Traum der fast zum Alptraum wurde


HWG 62
05.02.2018, 01:46
Wie versprochen, habe ich mal in meinen Gedanken gekramt und versuche hier mal das Geschehende in einen Bericht zu packen. Es ist jetzt schon mehr als 12 Jahre her und das erste Mal das ich was darüber schreibe. Viele Bilder gibt auch nicht, denn fast alles ist in Rauch aufgegangen.

Hier ist mein Bericht

Was mache ich hier eigentlich…?

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Der 7439m hohe Pik Pobeda im Tienschan

Der Pik Pobeda überragt alle anderen Gipfel des Majestätischen Tienschan. Seine Ausmaße und seine Höhe bieten ein Panorama, das es auf der Welt nur ganz selten gibt. In den dreißiger Jahren, wurde er von russischen Bergsteigern erstbestiegen. Die Besteigung wurde damals angefochten, bis 1943 ein zweites Team den Gipfel erreichte und die Besteigung bestätigte. Hier bekam er auch seinen Namen: Pik Pobeda, der Gipfel des Sieges. Er ist technisch anspruchsvoll. Auf Grund seiner Lage, kein 7000er liegt nördlicher, wird er wegen seiner enormen Winde manchmal auch als kältester Berg der Erde genannt. Eine große Zahl meist russischer Bergsteiger sind an diesem Berg ums Leben gekommen. Die normale Route leitet von Nordwesten her über einem vielen Kilometer langen Grat auf den Gipfel. Ein großer Teil des Weges verläuft dabei in einer Höhe über 7000 m.

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Aufstiegsroute auf der Pik Pobeda

Was mache ich hier eigentlich…?

Jeder Bergsteiger oder auch Alpinist träumt davon, irgendwann mal in seinem Leben auf einen hohen Berg zu stehen. Ein 7000er, ja das wäre schon etwas Besonderes. Im Jahr 2005, bot sich meinem Bergfreund Jens und mir die Change, im Rahmen der medizinischen Tienschan Expedition der Sektion Halle Teil eines siebzehnköpfigen Teams zu sein. Ziel war die Besteigung des7439 m hohen Pik Pobeda, und wenn alles passte würde der Eine oder Andere von uns am Ende auf dem Gipfel des Berges stehen.
Am 30. Juli startete die Mannschaft, und flog von Frankfurt über Moskau nach Bischkek (700m). Anschließend ging es mit dem Auto weiter nach Karakol (1770m) und einen Tag später ins Alpinisten Lager Maya-Adyr (2500m). Von dort war ein 4 bis 5 tägiger Fußmarsch zum Basislager des Pik Pobeda geplant. Bei dieser Art der Annäherung an den Berg kann sich der Körper besonders gut akklimatisieren.

Ich war am 30. Juni noch mit meiner Familie im Urlaub. So kam es das Jens und ich zwei Tage später von Berlin Schönefeld aus über Moskau nach Bischkek flogen, und dann auf denselben Weg wie die Anderen, das Lager Maya Adyr erreichten. Zwei Tage später sollte uns hier der Hubschrauber abholen und ins Basislager auf 4000 m Höhe fliegen.

Viel Zeit zum Akklimatisieren hatten wir nicht. Deshalb starteten wir gleich am nächsten Morgen eine Tour, und bestiegen die Bergkette Engiltschek-Tau. Einige Stunden später erreichten wir eine Höhe von ca. 4100 Metern. Der Aufstieg war anstrengend. Es gab keine Wege wie man sie von den Alpen kennt. Den muss man sich hier schon selbst suchen und einen geeigneten Aufstieg zu finden, ist manchmal gar nicht so leicht. Noch nie im Leben habe ich so viele Edelweißblüten zertrampelt. Das tat mir so leid aber was sollten wir machen, sie waren einfach überall. Der Abstieg ging dann bedeutend schneller, denn wir sind auf den Hacken unserer Bergschuhe, dem kleinsplittrigen Schotter der riesigen Schuttfelder abgefahren.

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Aklimatisierungstour auf die Bergkette Engiltschek-Tau

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Lagerleben im Camp Maya Adyr

Nach einer weiteren Nacht im Lager warteten wir am nächsten Vormittag sehnsüchtig auf das Eintreffen des Hubschraubers der uns ins Basislager fliegen sollte. Dort würden wir die Anderen treffen und das Abenteuer konnte beginnen. Irgendwann vernahmen wir aus Richtung der Berge ein leises Dröhnen das kontinuierlich anschwoll. Es dauerte aber noch eine Zeit bis wir in der Ferne die Mi 8 sahen, die langsam auf das Lager zu schwebte und unter ohrenbetörenden Gedröhn zur Landung ansetzte.

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Nachdem der Heli gelandet war, wurden die Heckklappen geöffnet und eine vom Berg kommende Mannschaft entlud ihre Ausrüstung. Der Hubschrauber wurde betankt und mehrere kleine Kanister befüllt. Diese wurden anschließend im Inneren verstaut. Jetzt durften wir unsere je 25 Kg schweren Rucksäcke und die beiden großen Packsäcke verladen. Wir waren neben dem Personal, die einzigen Passagiere. So hatte jeder von uns seinen Fensterplatz. Schnell noch die Gehörschützer aufgesetzt denn die Maschine vibrierte bereits schon ordentlich und hob schließlich mit anschwellenden Turbinengeräuschen vom Boden ab. Jetzt ging es richtig los. Ich war euphorisch und freute mich riesig, denn 4 Wochen Bergabenteuer lagen vor uns. Kurze Zeit später flogen wir, dem 60 km langen Inylchekgletscher folgend zum Basislager des Pik Pobeda.

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An der Merzbacher Wiese, die ihrem Namen dem deutschen Geografen, Asienforscher und Alpinisten Gottfried Merzbacher, verdankt, legten wir einen Zwischenstopp ein und nahmen ein deutsches Kamerateam an Bord, die hier einen Film über den Tienschan drehten. Hier wachsen zahlreiche Enziane, Edelweiß und Orchideen. Die Wiese ist die letzte Oase in dieser endlosen Stein-und Eiswelt. Wir genossen den Flug über den gewaltigen Gletscher der sich hier seinen Weg durch die beeindruckenden Eisriesen bahnt.

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Schließlich kommen die bunten Zelte des Basislagers in Sicht. Die Mi 8 landete auf einen kleinen erhöhten Platz mit roten Fähnchen. In unmittelbarer Nähe sicherte der Rest unserer Mannschaft am Boden kauernd die Ausrüstung vor dem aufwirbelnden Wind der Rotorblätter. Bei laufender Turbine, die einen gewaltigen Lärm erzeugte, luden die Anderen nach einer kurzen Begrüßung ihre Ausrüstung in den Hubschrauber. Jens und ich sollten laut Plan eine Nacht hier im Lager bleiben und später dann unserer Mannschaft folgen. Wir standen deshalb etwas abseits bei unserem Gepäck und schauten dem Treiben zu. Wir fühlten uns gut, und beschlossen nach kurzer Absprache mit unserem Expeditionsleiter gemeinsam mit den Anderen ins vorgeschobene Basislager zu fliegen. Durch die geöffneten Heckklappen luden wir unser Gepäck in den Hubschrauber.

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Der war schon richtig voll beladen so dass wir uns auf die Gepäckstücke setzen mussten. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen das wir so bepackt noch abheben konnten. Es wurde ohrenbetäubend laut, alles vibrierte aber wir hoben nicht ab. Das Geräusch nahm ab und vorne mussten fünf Leute aussteigen. Ich saß ganz hinten an der Heckklappe und hatte das nicht mitbekommen, auch weil der Hubschrauber bis fast unter der Decke bepackt war. Das Turbinengeräusch schwoll ein weiteres mal an, wir hoben ab – ganz langsam zwar aber immerhin waren wir schon mal in der Luft.

Mit gesenkter Nase flogen wir kurz in Richtung Gletscher kippten dann seitlich nach hinten. Diesen Moment werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Ich nahm meinen Kopf zwischen die Arme und dachte… Scheiße das war’s. Es krachte gewaltig und alles flog durcheinander. Nach mehreren harten Schlägen, knallten wir seitlich auf den Gletscher. Stille…. Sekunden später rief vorne jemand raus, raus, schnell raus hier. Vorne brannte es schon lichterloh und schwarze Rauchschwaden durchzogen den Heli. Raus, Raus… die Schrecksekunde war vorbei. Eine einzige offene runde Fensterluke…! Gleichzeitig mit einem Mannschaftskameraden versuchte ich ins Freie zu gelangen. Das funktionierte natürlich nicht, so dass ich laut rief „einer nach den anderen, ich zuerst!“ ICH ZUERST! Diese beiden Worte verfolgen mich bis heute. Ich zuerst, mit welchem Recht. Er hat mich schließlich rausgeschoben und ich habe ihn dann rausgezogen. Ich rutschte das geborstene Blech herunter und lief vom Wrack weg auf eine Gletscheranhöhe.

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In meinen Rücken waren die ersten Explosionen zu hören. Das Cockpit brannte lichterloh und eine nicht enden wollende Serie von Detonationen war zu hören. Wir hatten weit über hundert Gaskartuschen an Bord die jetzt, eine nach der anderen detonierten. Mit einem dumpfen Knall zerbarsten schießlich die Kerosintanks, dann stand alles in Flammen. Ich starrte fassungslos auf das bizarre Schauspiel und fragte mich…

Was mache ich hier eigentlich…

ich habe eine Frau und einen 10-jährigen Sohn zu Hause. Und wo ist Jens? Wo ist Jens? Ich starrte in die Flammen und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir es da alle lebend herausgeschafft hatten. Den Gedanken, seinen Eltern diese schreckliche Nachricht überbringen zu müssen, machte mich fassungslos. Ich suchte und erkannte ihn schließlich auf der anderen Seite des brennenden Hubschraubers, auf dem Gletscher. Grenzenlose Erleichterung. Es gibt Momente im Leben, da dürfen auch Männer weinen.

Im Basislager wurde sofort von den Teilnehmern der anderen Expeditionen die Notfallversorgung organisiert und mit dem Satellitentelefon eine Notfallmeldung abgesetzt. Das Küchenzelt wurde ausgeräumt und zum Lazarett umgestaltet. Jeder im Lager half wie er nur konnte um die Verletzten zu versorgen. Jens, selbst Arzt, versorgte unermüdlich bis zur Erschöpfung die Verletzten so gut es nur ging. Gegen Abend kam dann endlich der sehnsüchtig erwartete Militärhubschrauber und flog die Schwerverletzten nach Karakol.

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Die Leichtverletzten und die Unversehrten, ich hatte zu meinem Glück nur einige schmerzhafte Prellungen und ein paar Kratzer abbekommen, blieben die Nacht über im Lager. Ausrüstung hatten wir keine mehr und erst recht keine warmen Sachen. Die Hilfsbereitschaft im Lager war groß. Jeder brachte was er entbehren konnte, und so konnten wir die Nacht halbwegs warm überstehen. An Schlaf war eh nicht zu denken. Mein Puls raste, zu ungeheuerlich war das zuvor Erlebte.

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Viel ist nicht übrig geblieben...

Am Vormittag des nächsten Tages kam der Hubschrauber der die leichter verletzten und den Rest unserer Mannschaft ins Tal bringen sollte. Mit gemischten Gefühlen bestieg ich den Heli, schließlich weiß man ja nie was alles so passieren kann. Passieren kann viel, gerade hier in den Bergen. Die virtuelle Liste die ich mir vor meiner Reise hierher in Gedanken notiert hatte war dem entsprechend lang. Das der Hubschrauber abstürzen könnte, auf diese Idee wäre ich nie gekommen!

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Am 9. August waren wir alle wieder im Deutschland. Ein Teilnehmer verblieb mit Verbrennungen in einem Krankenhaus in Berlin. Wir fuhren nach Hause zu unseren Familien. Monatelang hatten wir uns vorbereitet, zigmal den Rucksack ein und umgepackt, weil einfach nicht alles reinpasste was mitmusste. War schließlich alles drin, war der Rucksack zu schwer. Also von vorn. Nach der Rückkehr hatte ich meine Jacke an den Haken gehängt. Das war’s. Manchmal geht alles ganz einfach.

Eine kleine Anekdote zum Schluss.

Kurz nach unserem Absturz durften wir mit dem Satellitentelefon telefonieren. Nur kurz denn es ist teuer. Ich rief meine Frau an und sagte ihr: „Hallo, wir sind hier im Basislager, wir sind gerade mit dem Hubschrauber abgestürzt, mir geht es gut und wir leben alle“. „Ich muss jetzt Schluss machen, die anderen wollen auch…“

Wieder zu Hause erzählte sie mir, dass sie das meinen damals 10-jährigen Sohn gesagt hat. Seine Reaktion war… geil!

Was mache ich hier eigentlich…

Ich habe übrigens meinen Absturz auf DVD und kann ihn mir jederzeit ansehen. Unter den fünf Personen, die nach dem ersten Startversuch aussteigen mussten, war auch der Kameramann vom dem Team das wir an der Merzbacherwiese eingesammelt hatten. Als Profi hat er natürlich die Kamera laufen lassen.

Zwei Jahre später stand ich auf dem höchsten Gipfel Europas, dem 5642m hohen Elbrus. Abgesehen von alljährlichen Wanderungen im Alpenraum, habe ich meine alpinen
Ambitionen eingestellt. Ein Vierteljahrhundert Bergsteigen und Kletten reicht mir. Und wer weis schon wieviel Kredit man bei seinem Schutzengel noch hat. Jetzt ist die Naturfotografie dran. Und die ist nicht weniger spannend.

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Auf dem 5642m hohen Ostgipfel des Elbrus

Eine Erkenntnis habe ich auf jeden Fall gewonnen. Es gibt soviele nichtige Sachen, worüber wir Menschen uns streiten. Sie sind es nicht wert!

JvN
05.02.2018, 03:23
Wahnsinn.
Ich bin fast sprachlos.

Vielen Dank für diese Einblicke, dein Erlebtes, deine Gedanken dazu - und meinen allergrößten Respekt, das hier alles genau so aufzuschreiben.

Man kann mitfühlen, wie einschneidend dieses Erlebnis sein muss.

awdor
05.02.2018, 07:50
Hans-Werner,
ich sitze seit über einer Stunde nichts tuend vor dem Bildschirm und habe Deine letzten Sätze im Blick. Wie wahr!
Ich selbst habe mich seit dem letzten Sommer mit jetzt 79 von den alpinen Touren verabschiedet. Eine normale Hüttentour zeigte mir meine Grenzen auf.
Was bleibt? Die Naturfotografie ist mehr als ein hundertprozentiger Ausgleich.

Viele Grüße
Horst

Dana
05.02.2018, 08:42
Lieber Hans-Werner,

ich mag mir nicht ausmalen, wie das für euch war, mich nimmt deine Geschichte sehr mit. Ich bin sehr, sehr froh, dass das alles so glimpflich abgelaufen ist und "nur" Fotos und Equipment drauf gegangen sind. Da haben die Schutzengel ihre Kollegen zu Hilfe gerufen.

Danke für dein vertrauensvolles Teilen und die so genaue Schilderung deiner Gefühle. Das geht richtig tief.

Schön, dass du bei uns bist! Was hätten wir verpasst, wäre dort etwas noch Schlimmeres geschehen...

:umarm:

aidualk
05.02.2018, 08:43
Was soll man dazu schreiben!?
Ein Ereignis das man nie vergisst. Man kann nur hoffen, dass man es verarbeitet.
Ich hoffe und wünsche dir, du hast es verarbeitet. Vielleicht hilft ja dein Bericht hier ein kleines Stück dazu beizutragen.

Vielen Dank für diesen offenen und auch intimen Bericht.

Eine Erkenntnis habe ich auf jeden Fall gewonnen. Es gibt soviele nichtige Sachen, worüber wir Menschen uns streiten. Sie sind es nicht wert!

Genau so ist es.

Tafelspitz
05.02.2018, 08:54
Wow, unglaublich :shock:
Vielen Dank für diesen eindrücklichen Bericht, da bleibt einem glatt die Sprache weg :|

Norbert W
05.02.2018, 09:05
Hallo Hans-Werner,

diesen Bericht habe ich mir jetzt Buchstaben für Buchstaben, Foto für Foto in aller Ruhe durchgelesen und mir standen wirklich die Haare zu Berge. Was für ein Erlebnis und es muss wie Dana schon schrieb eine Heerschar an Schutzengeln über euch gewacht haben. Welch' dann doch glücklicher Ausgang dieses schockierenden Tages.

Sag' bist du mit deinem Freund Jens noch in Kontakt und ist er das auf dem Foto vom Elbrus?

hlenz
05.02.2018, 09:15
Uiuiui... :shock:

About Schmidt
05.02.2018, 09:15
Junge, junge, da schüttelt es einen.
Deine Gründe, es etwas langsamer angehen zu lassen, waren für mich die Gründe, das Motorradfahren an den Nagel zu hänge. Bin dich doch fast 200.000 km ohne größere Unfälle fast 20 Jahre durch die Lande gefahren. Dabei vier Freunde bei unverschuldeten Unfällen verloren. Irgendwann ist genug und ich freue mich mit dir, dass ihr da alle mehr oder weniger heil raus gekommen seid.

Wolfgang

gpo
05.02.2018, 11:35
Was mache ich hier eigentlich…?

Was mache ich hier eigentlich…?

Was mache ich hier eigentlich…


Moin

drei Fragen von dir selbst...hast du nun eine Antwort :shock:
Mfg gpo

ExDreamFoto
05.02.2018, 11:55
Das macht einen betroffen und der Satz Deines Sohnes hat mich ziemlich erschüttert.

Man
05.02.2018, 14:13
Danke für die Schilderung deiner Erlebnisse - ich habe sie sehr genossen.

Vermutlich hat jeder Schlüsselerlebnisse, die ihn verändert haben - so spektakulär wie dein hier Dokumentiertes wird aber kaum ein zweites sein.

Ich hoffe, es hatten alle Insassen das Glück, die Maschine lebend zu verlassen.

vlG

Manfred

walter_w
05.02.2018, 17:06
Deinen interessanten Bericht habe ich anfänglich mit positivem Interesse gelesen. Aber zunehmend kamen mir Zweifel und Schaudern beim Beschrieb des Heliflugs. Bei Bild 19 bekam ich den Eindruck, das kommt so nicht gut. Ich habe aufgrund deiner Schilderungen den Eindruck, dass die Piloten überhaupt keine „Weight and Balance“ Berechnung gemacht haben. Einfach mal probehalber abheben und weils nicht gereicht hat, einfach 5 Personen wieder ausladen. Das ist höchst unprofessionell. Zu bedenken ist auch, dass die Starthöhe auf 4‘000 Meter stattfand, der Mi8 hat, je nach Typ, eine Dienstgipfelhöhe von 4‘000 bis 5‘000 Meter. Er operierte somit bereits im Grenzbereich und wahrscheinlich zusätzlich mit Ueberlast.

Und beim Start kaum aus dem Bodeneffekt heraus; sackte das Heck (Hecklastigkeit?) mit noch geringer Vorwärtsgeschwindigkeit ab , bremste dadurch die geringe Vorwärtsgeschwindigkeit weiter ab und geriet dadurch ins Wirbelwindsstadium (Vertex) und damit war der Heli definitiv verloren. Glück im Unglück war die noch geringe Flughöhe, so war der Absturz überlebbar.

Deine Schilderung sollte nachdenklich machen; wenn man sein Leben in die Obhut fremder Menschen geben soll.

ha_ru
05.02.2018, 17:48
Hallo Hans-Werner

eine sehr eindrückliche Schilderung. Danke fürs Teilen.


Das funktionierte natürlich nicht, so dass ich laut rief „einer nach den anderen, ich zuerst!“

Das war vermutlich in dem Moment die klarste Ansage die Du machen konntest und in dem Moment übernehmen Instinkte das Kommando, es blieb keine Zeit für Abwägungen. Draußen hast Du ihm geholfen rauszukommen, da hat der Verstand schon wieder eingesetzt. Alles im grünen Bereich.

Hans

neffets
05.02.2018, 17:51
krass ..... mir fehlen die Worte.

Ellersiek
05.02.2018, 17:57
Was für ein Erlebnis, was für ein Bericht. Ich wollte das eigentlich zur Entspannung lesen*, aber nachdem deine Schilderung sich immer mehr um die Anreise drehte wurde mir langsam mulmig zu mute - zu recht, wie ich dann lesen durfte.

Vielen, vielen lieben Dank für deinen Bericht. Über solch ein Erlebnis so offen zu schreiben beeindruckt mich sehr - mir fehlen die Worte. Nochmals vielen lieben Dank.

Gruß
Ralf

* muss noch ein wenig arbeiten, aber das fällt mir jetzt schwer.

DiKo
05.02.2018, 19:13
Den Text habe ich heute morgen schon gelesen, danach musste ich das erstmal sacken lassen.
Schwere Kost zum Frühstück.

Das muss eine heftige Erfahrung für Dich gewesen sein.
Umso größer mein Respekt, dass Du das nochmal für uns aufgeschrieben hast, denn Du hast beim Schreiben sicherlich vieles nochmal durchlebt.

Danke, dass Du von diesem beeindruckende Ereignis hier berichtet hast.

Gruß, Dirk

cf1024
05.02.2018, 20:02
Eine Erkenntnis habe ich auf jeden Fall gewonnen. Es gibt soviele nichtige Sachen, worüber wir Menschen uns streiten. Sie sind es nicht wert!

Ja, mit so manchen Erfahrungen relativiert sich einiges im persönlichen Leben. Da macht jeder seine eigenen Erfahrungen. Auf solche persönlichen Erfahrungen bin ich jetzt nicht unbedingt scharf... aber... SIE prägen unser bzw. Dein Leben. Ich danke Dir für diesen mutigen Bericht.

Je mehr wir aus unserem persönlichen Bereich hier im Forum preisgeben, umso mehr kann ich mit den geposteten Beiträgen, der Person, dem Menschen, anfangen und verstehen.

Danke!

conradvassmann
05.02.2018, 21:51
Ja, es gibt so Momente, da wird man zum 2. mal geboren.
Bin auch mal mit dem Gleitschirm relativ schwer "eingedübelt", das ändert einiges...

HWG 62
06.02.2018, 22:01
Hallo zusammen und vielen Dank an alle die hier etwas geschrieben haben. Durch Dana´s Vorfreude über ihren Heliflug in Afrika, musste ich gleich wieder an meinen Flug denken und hatte alles im Kopf als wäre es gesten gewesen. Vergessen kann man das wohl nie, es kommt immer wieder mal hoch, auch wenn es schon Jahre her ist, aber das aufschreiben der Geschichte hat mir aber gutgetan.

Hallo Hans-Werner, Sag' bist du mit deinem Freund Jens noch in Kontakt und ist er das auf dem Foto vom Elbrus?

Hallo Norbert
Ich bin mit Jens immer noch in Kontakt. Zuvor und auch danach, hatten und haben wir noch so einiges erlebt. Das verbindet. Auf dem Gipfel des Elbrus stand ich mit einem Bergfreund.
Wir waren zu viert, aber oberhalb von 5000 Metern hatte einer von uns Probleme und konnte nicht mehr weiter. Jens ist mit abgestiegen. Wir hatten damals gemeinsam beschlossen, zu Zweit weiter aufsteigen. Keine leichte Entscheidung, wenn man bis her alles gemeinsam gemacht hat.

Moin drei Fragen von dir selbst...hast du nun eine Antwort :shock: Mfg gpo

Hat sich diese Frage nicht jeder von uns mindestens schon einmal gestellt. Ich habe meine Antwort gefunden. Sie heißt: Leben, und zwar viel entspannter als davor.

Das macht einen betroffen und der Satz Deines Sohnes hat mich ziemlich erschüttert.

Das muss es nicht, es war nur der spontane, unüberlegte Ausspruch eines Zehnjährigen. Und das sollte man ihm in diesem Alter noch zugestehen.


@cf1024 Je mehr wir aus unserem persönlichen Bereich hier im Forum preisgeben, umso mehr kann ich mit den geposteten Beiträgen, der Person, dem Menschen, anfangen und verstehen.

Das sehe ich genau so. Der Deckmantel der Anonymität im Netz sorgt leider nicht immer für ein friedliches Miteinander.


Ja, es gibt so Momente, da wird man zum 2. mal geboren.
Bin auch mal mit dem Gleitschirm relativ schwer "eingedübelt", das ändert einiges...

Eingedübelt hört sich auch nicht gerade nach einer weichen Landung an. Wichtig ist wieder aufzustehen, nachdem man gefallen ist.

hpike
06.02.2018, 22:19
Das ist schon eine Geschichte die du uns da erzählt hast. Sowas muss man wirklich nicht erleben. Aber es prägt einen auch mit Sicherheit. Ich hatte auch zwei Geschichten die mich beide mal fast das Leben gekostet haben. Allerdings war es beide Male nicht so etwas spektakuläres wie ein Hubschrauberabsturz. Aber es sind Einschnitte im Leben die einen verändern. Ob man das nun unbedingt braucht will ich gar nicht beantworten, ich hätte es nicht gebraucht. Aber danke für deine offenen Worte.

XG1
07.02.2018, 17:12
Eine einzige offene runde Fensterluke…! Gleichzeitig mit einem Mannschaftskameraden versuchte ich ins Freie zu gelangen. Das funktionierte natürlich nicht, so dass ich laut rief „einer nach den anderen, ich zuerst!“ ICH ZUERST! Diese beiden Worte verfolgen mich bis heute. Ich zuerst, mit welchem Recht.Mit dem Recht der Vernunft! Es musste schnell eine Entscheidung getroffen werden und selbige schnell ausgeführt werden. Nur dadurch, dass Du die Entscheidung 1. schneller als der Kamerad und 2. für Dich selbst als zuerst agierenden (nicht geretteten!) getroffen hattest, hast Du insgesamt die Überlebenschance für euch beide verbessert.

kiwi05
07.02.2018, 18:01
Hans-Werner, danke fürs Teilen dieses Erlebnisses. Trotz der vielen Jahre seitdem, spürt man durch deine Schilderung eine unglaubliche Intensität. Ich kann gut nachvollziehen, daß für dich viele Details nicht im Dunst der Vergangenheit entschwinden.
Gut, daß du/ihr soviel Glück hattet, und du hier im SUF als akribischer Naturfotograf, der keinen Aufwand scheut, einen Platz gefunden hast.

HWG 62
09.02.2018, 20:40
Vielen Dank auch an euch für eure Kommentare. Es war eine intensive Zeit mit vielen Erfahrungen in beide Richtungen. Die positiven überwiegen.

walt_I
10.02.2018, 07:26
Vielen Dank für Deinen Bericht.
So ein Erlebnis ist einfach irre, ich kann mir gut vorstellen, dass Dein Leben danach ein anderes war.
So etwas zu verarbeiten ist sicher nicht einfach, doch Dein Bericht hier zeigt, dass es Dir zumindest teilweise gelungen ist, wenn auch erst nach etlichen Jahren.
Ich staune, dass Du unmittelbar nach dem Unfall noch in der Lage warst solch eindrückliche Bilder zu schießen.
Der grenzenlose Leichtsinn des Heli- Piloten macht einen sprachlos.

Viele Grüße
Walt

Reisefoto
10.02.2018, 11:13
Danke, dass du die ganze Geschichte und auch die Bilder geteilt hast!

Mainecoon
10.02.2018, 16:23
Hallo Hans-Werner,

welch ein Erlebnis, was für eine Geschichte! Ich bin tief berührt und froh, dass es offenbar alle geschafft haben, dort rauszukommen.

Es spricht für dich, dass dich dein Ausruf bis heute verfolgt, aber wie es schon zwei Vorredner gesagt haben: Du warst der Handlungsfähigste in diesem Moment und konntest dadurch Andere retten.

Es grüßt

Mainecoon

BeHo
10.02.2018, 17:09
Das Ergebnis zeigt, dass die Entscheidung richtig war. Dass einen so eine Situation in seinem Leben immer wieder mal beschäftigt, ist mehr als nachvollziehbar.

Danke für den bebilderten und sehr intensiven Bericht über den schweren Unfall, der dankenswerterweise noch relativ glimpflich verlaufen ist.

P.S.: Die Nachrichtenlage war damals wohl sehr dünn: Klick! (http://www.explorersweb.com/everest_k2/news.php?id=500)