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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vogelsterben


hd-ali
05.09.2017, 20:16
Hallo zusammen,
gerade komme ich von meinem Balkon rein und bin ziemlich besorgt. Ich hab zwischen 17 Uhr und 19.30 Uhr so gut wie keinen Vogel mehr gesehen. Bis heuer Juni, Juli war das mit unserer Wildnis im Garten ein Paradies für die gefiederten Freunde. Sperlinge, Meisen, Amseln, Krähen, Stare, Grünfinken, Distelfinken, Zeisig, Specht, Kleiber, Zilpzalp, Elster usw. waren hier reichlich vorhanden.
Ich wohne hier am südlichen Ortsrand von Ingolstadt, also schon relativ naturnah.
Mir ist im Frühsommer schon aufgefallen, dass unsere Hauskrähen keinen Nachwuchs hatten und das Amselnest recht früh ohne Bruterfolg aufgegeben wurde.
Außerdem fallen Stare in Schaaren normalerweise über die Holunderbeeren her. Die reifen diesmal ohne gefressen zu werden vor sich hin.

Heut hab ich zwei Krähen, eine Elster, einen kleinen mir nicht bekannten Vogel und einen Buntspecht gesehen. Das wars.
Wie siehts bei euch aus? Als Fotograf hat man das ja doch oft recht gut im Blick.
Einzig die Katzenpopulation explodiert bei uns förmlich. Aber die können doch nicht alle gefressen haben?
Grüße
Alex

Rudolfo
05.09.2017, 21:00
Dies hat viele Ursachen:

- Insektensterben
siehe hierzu Parallelthread:
http://www.sonyuserforum.de/forum/showthread.php?t=180444
Viele Jungvögel benötigen in ihren ersten Lebenswochen Eiweiß in Form von Insekten, Würmern usw. Erst später können sie auch Sämereien verdauen. Wenn nicht genug Nahrung vorhanden ist, dann ... :flop:

- Krankheiten:
siehe z.B. Amselsterben, dass von Stechmücken übertragene Usutu-Virus ist schuld. Die Amseln sterben innerhalb kurzer Zeit. Auffällig ist bei uns in Recklinghausen, dass seit zwei, drei Wochen keine einzige Amsel mehr zu sehen ist, obwohl wir vorher reichlich im Garten hatten. Wir hatten bereits 2016 ein Amselsterben.

- das verrückte Wetter
sinnflut artiger Regen und dann große Trockenheit im stetigen Wechsel setzt auch den Bruten zu. (Sieht man auch an den Feldfrüchten und der Obsternte. Hängt ja alles zusammen.)

- Die undurchdachten und teilweise strohdummen Aktivitäten des Menschen:
Alles Zupflastern, anhaltender Häuserboom, obwohl Zweit-, Drittwohnungen und Ferienhäuser längst leerstehen.
Spassgesellschaft: die Natur ist nur zum Spasshaben da. Das Wild ist auf der Flucht. Aber Wölfe müssen für die wiederkehrende Natur herhalten. Alles Fake !?!
Ökokraftstoffe: Nahrungsmittel und Grünzeug dienen der Herstellung von E10-Sprit. Unsinn hoch drei! Aber die Natur wird sowas von ausgeräumt. Da bleibt vieles auf der Strecke. In der Nahrungskette höher angesiedelte Vögel bleiben nicht verschont.
Holzbrennöfen: Ständig wird über Luftverschmutzung fabuliert und populiert, aber in Baumärkten dürfen die größten Dreckschleudern samt schwefelhaltige Braunkohlebriketts völlig legal verkauft werden. Feinstaub Pustekuchen. Ein Glück, dass sie nur im Winter massenweise in Betrieb sind.
usw. usw. usw.

Du siehst es gibt viele Gründe, warum es irgendwann auch die Vögel erwischt. Der Mensch glaubt, er kann sich die Natur untertan machen. Dies ist sein größter Irrtum. Sauerstoff zum Atmen und seine Nahrung kommen nunmal aus der Natur und werden von der Natur immer wieder auf neue erzeugt. (Von ein paar Chemietütensuppen mal abgesehen. :crazy:) Der Mensch ist halt derjenige, der als letzter die Tür zumacht. Aber Gott spielen kann er nicht und wird er auch nie können. Um so weiter machen zu können, wie bisher, braucht er eine zweite Erde und die gibt es in unserem Sonnensysten nicht.

Crimson
05.09.2017, 22:23
wir haben hier bei uns im Garten wie in den vergangenen Jahren: Amseln, diverse Meisen, Stare, Spechte, Rotkehlchen, Kleiber, Elstern, Tauben, dazu aus der wässrigen Nachbarschaft hi und da Enten und Reiher sowie diverse Greifvögel - wohnen allerdings mit einer Ausnahme ohne Nachbarn und außerhalb des Ortes im Grünen. Ich habe bestimmt noch einige in der Aufzählung vergessen.

ingoKober
06.09.2017, 09:06
Die von Rudolf genannten Gründe sind relevant.....

Dennoch muss man vorsichtig sein, die aktuelle Situation allein aus dieser Sicht zu interpretieren.
Wir hatten im April 2017 einen harten späten Wintereinbruch....mitten in der Brutzeit für viele Vögel.
Populationseinbrüche bei Kleinvögeln bis weit über 50% können in solchen Situationen absolut vorkommen - die hohe Vermehrungsrate gleicht das meist schon im nächsten Jahr weitgehend wieder aus.
Für Insekten gilt das gleiche.
Ich will die Situation nicht verharmlosen, aber diese Betrachtungen gehören zur Beurteilung ebenso dazu, wie die anderen.

Viele Grüße

Ingo

Butsu
06.09.2017, 14:28
Beitrag von Prof. Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung:
http://www.windwahn.com/wp-content/uploads/2017/07/DIE-WELT-am-SONNTAG-wenn-die-lerche-nicht-mehr-singt.pdf

BeHo
21.10.2017, 13:37
Vorhin kam auf arte die interessante zweiteilige Dokumentation Singvögel in Not.

Auf arte.de ist die Doku anscheinend nicht mehr abrufbar, aber mit den Suchworten Singvögel in Not Doku lässt sie sich in guter Qualität auf youtube finden.

RoDiAVision
21.10.2017, 13:56
Die Doku wird nochmal am 17. November wiederholt: Klick (http://programm.ard.de/TV/Programm/Alle-Sender/?sendung=28724359049623)

BeHo
21.10.2017, 14:38
Bei dem Beitrag über FLAP (http://www.flap.org/bird-rescue.php) kamen mir unwillkürlich die Tränen, obwohl die Doku grundsätzlich Fakten liefert und weniger Emotionen bedient.

Die Doku zeigt sehr viele Facetten auf, seien es globale oder lokale Einflüsse.

Das Ansehen lohnt sich meines Erachtens sehr.

Irmi
21.10.2017, 14:40
Unsere Vögelchen scheinen schon Hunger zu haben. Sie kommen schon zum Futterplatz, obwohl ich den Sommer über nicht gefüttert habe.

Muss doch bald Futter kaufen gehen.

Meinen Ansitzast, den ich mir bauen wollte zum fotografieren, habe ich nun leider nicht bauen können. Vielleicht nächstes Jahr.

Oswald74
21.10.2017, 15:00
Wer etwas gegen den Vogelschwund tun möchte, dem lege ich die Ganzjahresfütterung ans Herz.

In meinem Garten wimmelt es von Vögeln.

Futtermittel gibt es günstig in 25KG Gebinden im Internet, man wird also nicht arm dabei. ;-)

Sehr gut Beschrieben warum und wieso, ist das Ganze in Peter Berthold's Buch: "Vögel füttern, aber richtig."


Wer noch mehr über den Artenrückgang und die Wichtigkeit unserer gefiederten Freunde wissen möchte, dem sei noch Peter Berthold's Buch: "Unsere Vögel: "Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können." ans Herz gelegt.


Gruß Lars

BeHo
21.10.2017, 15:13
Zum letztgenannten Buch gibt es auch einen längeren Radiobeitrag von SR2 als freien Download: Fragen an den Autor (http://www.ardmediathek.de/radio/Fragen-an-den-Autor/Peter-Berthold-Unsere-Vögel-Warum-wir-/SR-2-KulturRadio/Audio-Podcast?bcastId=1122&documentId=45874200)

Millefiorina
21.10.2017, 16:01
Vorgestern und gestern wurde ja in den Medien viel über das Thema berichtet. 12.7 Millionen Brutpaare - also nach Adam Riese und Eva Zwerg 25.4 Millionen Vögel ...
weniger. Da können einem wirklich die Tränen kommen.

hpike
21.10.2017, 17:13
Du vergisst dabei die erbrüteten Jungvögel und zusätzlich vergisst du, dass das ganze innerhalb von 12 Jahren passierte. Das bedeutet das vom ersten Jahr angerechnet, die erbrüteten Vögel, im nächsten Jahr ja selber ihre erste eigene Brut hatten und im nächsten zusätzlich zu den alten Brutvögeln, die dritte Brut mehr oder weniger erfolgreich brütete. Ich denke da bist du im Laufe von 12 Jahren, locker über 100 Millionen Singvögel die uns da verloren gingen. Ein furchtbares, schreckliches Drama.

About Schmidt
21.10.2017, 17:28
Wir haben regelmäßig ums Haus etwa 5-6 Brutpaare. Blaumeise und Kohlmeise, Kleiber und Hausrotschwanz. Letzter brütet fast jedes Jahr in unserer Garage.

Bei vielem trägt, wie auch bei der Nitratbelastung des Trinkwassers, die Landwirtschaft die Schuld. Aber das ist kein Einzelfall. Die Bergbau AG wird in den nächsten Jahren das abpumpen von Grubenwasser einstellen oder einschränken. Dabei steigt der Wasserspiegel in den Gruben auf 300m unter NN an, was bedeutet, dass möglicherweise in Tallagen das Wasser an die Oberfläche tritt, ins Grundwasser gelangt, Gas und Wasserleitungen und Kanäle unterspült usw. Welche Auswirkungen das auf uns, die Teich, See und Flussbewohner hat, kann jeder sich ausdenken. PCB und andere Giftstoffe lagern in Kohlegruben in Tonnenmengen. Das hat man einfach alles da unten drin gelassen. Nun gelangt es irgendwann in unser Trinkwasser, in unsere Bäche und Flüsse und somit in die Nahrungskette auch der Singvögel, denn man glaubt es kaum, unser Rotkehlchen geht auch auf "Angeltour". Und auch die Wasseramsel ist, soweit ich weiß, ein Singvogel.

Es ist schon ein trauriges Bild
Gruß Wolfgang

Rudolfo
21.10.2017, 20:38
Die Bergbau AG wird in den nächsten Jahren das abpumpen von Grubenwasser einstellen oder einschränken. Dabei steigt der Wasserspiegel in den Gruben auf 300m unter NN an, was bedeutet, dass möglicherweise in Tallagen das Wasser an die Oberfläche tritt, ins Grundwasser gelangt, Gas und Wasserleitungen und Kanäle unterspült usw.
Gruß Wolfgang
Auch wenn ich deine sonstigen Ausführungen als richtig empfinde, muss ich hier doch mal einhaken.
Auch wenn es offtopic ist:
Meines Wissens nach gibt es nur in den Niederlanden und bei uns an den Küsten durch Eindeichungen und Leerpumpen Landesoberflächen, die unter dem Meeresspiegel und damit auch unter NormalNull (NN) liegen. Oder anders ausgedrückt, es gibt in den Bergbaugebieten bei uns keine Tallage unter NN, denn dann müsste die Flüsse ja bergauf zum Meer fließen oder gepumpt werden. Wenn der Wasseranstieg in den ca1000m tiefen NRW-Bergwerken auf 300 m unter NN begrenzt wird, bedeutet dass ewiges Leerpumpen dieser 300m tiefen Löcher (+ die paar Meter von NN bis zur Rasenhängebank=Erdoberfläche am Schacht). Da die oberen 300m unter NN wichtige Grundwasser führende Schichten enthalten, die man durch die Begrenzung der Flutung schützen möchte. In die Diskussion, ob das ausreicht, möcht ich nicht einsteigen, da erst recht OFFtopic.

BeHo
21.10.2017, 20:56
[...]Da können einem wirklich die Tränen kommen.

Die Tränen kamen mir angesichts der globalen Zahlen ganz irrational, als "nur" hunderte vor verspiegelten Hochhäusern aufgefundende tote Singvögel auf dem Boden ausgebreitet wurden.

About Schmidt
21.10.2017, 21:12
Auch wenn ich deine sonstigen Ausführungen als richtig empfinde, muss ich hier doch mal einhaken.
Auch wenn es offtopic ist:
Meines Wissens nach gibt es nur in den Niederlanden und bei uns an den Küsten durch Eindeichungen und Leerpumpen Landesoberflächen, die unter dem Meeresspiegel und damit auch unter NormalNull (NN) liegen. Oder anders ausgedrückt, es gibt in den Bergbaugebieten bei uns keine Tallage unter NN, denn dann müsste die Flüsse ja bergauf zum Meer fließen oder gepumpt werden. Wenn der Wasseranstieg in den ca1000m tiefen NRW-Bergwerken auf 300 m unter NN begrenzt wird, bedeutet dass ewiges Leerpumpen dieser 300m tiefen Löcher (+ die paar Meter von NN bis zur Rasenhängebank=Erdoberfläche am Schacht). Da die oberen 300m unter NN wichtige Grundwasser führende Schichten enthalten, die man durch die Begrenzung der Flutung schützen möchte. In die Diskussion, ob das ausreicht, möcht ich nicht einsteigen, da erst recht OFFtopic.

Nur kurz zur Info, (http://www.bergbau-unser-erbe.de/was-sieht-das-grubenwasserkonzept-vor/) wobei hier alles natürlich als "Ganz Toll" dargestellt ist. Die belastete Wirklichkeit sieht anders aus. Einfach mal googeln, ich will das hier auch nicht weiter ausbreiten.

Rudolfo
21.10.2017, 21:21
Ich habe in meinem Posting #15 deinen objektiv falschen Satz jetzt noch extra rot markiert. Wenn du das nicht verstehen willst, kann dir keiner helfen. Du wirfst das Ansteigen des Grubenwassers bis zur Tagesoberfläche=Tallage mit dem Flutungspegel in 300m Teufe unter NN durcheinander. Zwei verschiedene Paar Hosen und Endstadien eines Bergwerks egal ob an der Saar oder in NRW.

About Schmidt
21.10.2017, 21:32
Vielleicht was ungeschickt formuliert.
Wenn das Wasser so weit in den Gruben ansteigt, kann es ins Grundwasser gelangen und von dort mit an die Oberfläche gelangen. Von allein nur dann, wenn das Abpumpen komplett eingestellt wird, was irgendwann so sein wird. Da es hier aber um das Vogelsterben geht, sollte es damit wohl gut sein.

Gruß Wolfgang