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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was darf der Fotograf


kay
13.02.2005, 21:20
Liebes Forum,

weil's aus der Diskussion über James Nachtwey (hier (http://www.d7userforum.de/phpBB2/viewtopic.php?t=16752)) etwas OT war, mich aber immer noch beschäftigt, fange ich mal einen neuen Thread an.
Trotzdem habe ich einen "Profi" verscheucht der emotionale Fotos machen wollte (Am Boden zerstörter Fahrer vor dem Auto)...
Bin vollkommen deiner Meinung, Bilder aus lauter Sensationsgier ekeln mich ebenfalls an.

das erinnert mich an ein Bild aus Irland, wohl rund 20 Jahre alt, (find's grad nicht): Da kniet ein Priester neben einem sterbenden, der gerade von einer Bombe buchstäblich zerfetzt wurde. Es sind außer dem Priester noch ein paar Leute da, auch ein Fotograf. Der Fotograf macht die Bilder. Anschließend wird er von der Menge scharf angegriffen, aber der Priester schreitet ein: "er macht nur seinen Job, genau wie ich!".

Hey, jetzt könnte man sagen: Wie taktlos von dem Fotografen. Die allgemeine Stimmung entsprach jedenfalls diesem Standpunkt.
Oder man stellt sich auf den Standpunkt, den der Priester formuliert hat. Immerhin ist das Foto ein Mittel, dem Rest der Welt die sinnlose Gewalt zu zeigen und so zu einer Besserung beizutragen.

Was denkt ihr ? Sensationsgierige und taktlose Fotografen "vertreiben" (auch so jemanden wie Nachtwey?) oder ihren "Job" machen lassen?

Und Gewissensfrage: was macht man, wenn man plötzlich selber in so eine Lage kommt , der Priester mit dem sterbenden vor einem kniet, und die D7D einsatzbereit um den Hals hängt ?

Bon Dimage

Cougarman
13.02.2005, 21:52
Ich fange mal an.

Und Gewissensfrage: was macht man, wenn man plötzlich selber in so eine Lage kommt , der Priester mit dem sterbenden vor einem kniet, und die D7D einsatzbereit um den Hals hängt ?

Drauf halten, so lange es nur geht.

erich_k
13.02.2005, 22:20
Ich fange mal an.

Und Gewissensfrage: was macht man, wenn man plötzlich selber in so eine Lage kommt , der Priester mit dem sterbenden vor einem kniet, und die D7D einsatzbereit um den Hals hängt ?

Drauf halten, so lange es nur geht.

Und was willst du mit so einem Bild?
Bist du Profifotograf, und musst von diesem Beruf und damit von den Einkünften leben?

Cougarman
13.02.2005, 22:24
Und was willst du mit so einem Bild?
Bist du Profifotograf, und musst von diesem Beruf und damit von den Einkünften leben?

Na ja, einmal muß man ja anfangen. ;)
Mit Bildern von dem heimischen Kätzchen kommt man in keine Galerie.

Photopeter
13.02.2005, 22:49
...Und Gewissensfrage: was macht man, wenn man plötzlich selber in so eine Lage kommt , der Priester mit dem sterbenden vor einem kniet, und die D7D einsatzbereit um den Hals hängt ?

Bon Dimage

Was ich machen würde??? Kotzen vermutlich.

Cougarman
13.02.2005, 22:53
Was ich machen würde??? Kotzen vermutlich.

Aber Pfui, Peter.
:shock:

artmano
13.02.2005, 23:09
Viele Bilder, die um die Welt gegangen sind, wären anders nicht entstanden. Die schreienden vietnamesischen Kinder, die entsetzt aus ihrem Dorf rennen, hat ein Kriegsberichterstatter fotografiert, statt ihnen zu helfen oder diskret wegzusehen (klick) (http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/fotoserien/_575804/vietnam_ap_299.jpg). Der Vietnamese, der (auf einem anderen Foto) von einem Kommandanten mit der Pistole erschossen wird, ist wahrscheinlich überhaupt nur erschossen worden, weil der Fotograf dabei war.
So schrecklich das ist, das zuerst erwähnte Bild hat bekanntlich mit dazu beigetragen, den Vietnamkrieg zu beenden, weil die Stimmung der breiten Bevölkerung in den USA dadurch gekippt ist.

Bei dem Attentat auf das Worldtradecenter ebenso wie bei der Tsunami-Katastrophe haben Amateur-Videofilmer sehr indiskrete Bilder aufgenommen, die einerseits die Privatsphäre der Gefilmten einschneidend verletzt haben (vom Tower in die Tiefe springende Menschen, lachend auf die herannahende Welle deutende Urlauber) andererseits der Welt das Unglaubliche erst verdeutlicht haben.

Die Beispiele zeigen: Damit können Fotografen das große Geld machen, andererseits muss man manchmal schon abgebrüht sein, um in einer solchen Situation "einfach draufzuhalten".

U.Schaffmeister
14.02.2005, 00:23
Generell darf der Fotograf erst einmal alles, es sei denn es handelt sich um ein Grundstück in Privatbesitz. Was er mit den Bildern anschließend macht ist allerdings etwas anderes.

1. Er ist Fotograf und verdient sein Geld damit. Dann wird er die Fotos verkaufen, da es eine Menge Leute gibt die sich für das Leid anderer interessieren. Ohne Markt keine Chance das Bild zu verkaufen.

2. Er behält die Bilder für sich und die Presse schreibt einen kurzen Artikel im Lokalteil. Ohne Bild keine Chance in den Medien große Beachtung zu finden.

3. Er hat Bilder gemacht die keine Aussage haben, z.B. den Priesterkopf gegen den Himmel fotografiert, herausgelöst aus der Situtation. Niemand interessiert sich hierfür, da das Bild beliebig ist, es hätte an jedem anderen Ort zu jeder anderen Zeit aufgenommen werden können. Also muss der Fotograf versuchen das Passierte im Bild festzuhalten, und genau das ist die Arbeit des Fotografen (der Rest ist Technik).

4. Im Unterschied zum Profi macht der Amateur persönliche Erinnerungsaufnahmen, die erst durch den Zufall des Ereignisses eine größere Bedeutung finden.
Ein amerikanischer Soldat in einem irakischen Gefängnis ist erst einmal ein Erinnerungsfotos, erst die Handlung die zusätzlich auf dem Bild ist macht es zum Ereignis.
Ein Videofilm aus einem Amüsierviertel-Hotel in Südostasien ist erst einmal eine private Sache, von der niemand während der Aufnahmen davon ausgeht das dies auch noch in der Heimat an die große Glocke gehängt wird. Erst das zufällige Ereignis macht aus diesem Film eine Dokumentation.

5. Ohne unterstützende Bilder wird geschriebenes schwer glaubbar. Das gilt für Nachrichten genauso wie für die Werbung.


Bilder sind eine der Möglichkeit die Botschaft zu unterstützen, und darin sind sie sehr gut den 1 Bild sagt mehr als 1000 Worte.

artmano
14.02.2005, 12:29
Generell darf der Fotograf erst einmal alles, es sei denn es handelt sich um ein Grundstück in Privatbesitz. Was er mit den Bildern anschließend macht ist allerdings etwas anderes.
...
Bilder sind eine der Möglichkeit die Botschaft zu unterstützen, und darin sind sie sehr gut den 1 Bild sagt mehr als 1000 Worte.

Alle diese Aussagen (auch die unter 1-5 aufgezählten) kann ich unterschreiben, allerdings vorbehaltlich des Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Personen.
Ich möchte aber die Aufmerksamkeit mal nicht auf die juristische und auch nicht auf die pragmatische Seite lenken, sondern auf das menschliche und moralische Dilemma, in dem der Fotograf stecken kann bei einem Ereignis, das für andere entsetzliche Folgen und schreckliches Leid bedeutet. Sozusagen die Skala von Paparazzi-Mentalität bis hin zu tiefer Betroffenheit.

Ich persönlich empfinde es als beschämend, da zu fotografieren, wo es meine spontane Reaktion ist zu helfen oder wenigstens Mitgefühl und Respekt zu zeigen.

peter-ge
14.02.2005, 14:06
Hallo artmano,
grundsätzlich gebe ich dir Recht, ganz besonders, was deinen letzten Absatz angeht.
Aber es sollte die Frage erlaubt sein, ob nicht auch unter gewissen Umständen ein Foto eventuell eine noch größere Hilfsbereitschaft auslösen kann.

eac
14.02.2005, 14:14
Ich persönlich empfinde es als beschämend, da zu fotografieren, wo es meine spontane Reaktion ist zu helfen oder wenigstens Mitgefühl und Respekt zu zeigen.

Grade die Bilder von Kriegsberichtserstattern helfen aber häufig viel mehr, als es eine direkte Hilfe für eine Person könnte. Nicht umsonst waren beispielsweise die Amerikaner in ihren Golfkriegen und auch noch danach darauf bedacht, jegliche Berichterstattung zu unterbinden, die Ihnen nicht in den Kram paßt. Bilder von heimkommenden Särgen dürfen beispielsweise nicht gemacht werden - nicht aus Pietät vor den Toten, sondern einzig und allein, um die Stimmung im Land nicht kippen zu lassen.

Für Krieg und Gewalt sind ja nicht die Fotographen verantwortlich, sondern die Regierungen, die diese Kriege anzetteln. Heute wird gern ein Image von chirugisch sauberen Kriegen aufgebaut, wo man aus der Luft ausschließlich "die Bösen" lasergesteuert auslöscht. Man kann nur froh darüber sein, daß es immer noch Fotographen gibt, die im Bild dokumentieren, daß dieses aufgebaute Bild vom sauberen Krieg nicht existiert. Das sie dafür auch gut bezahlt werden finde ich selbstverständlich bei einem Job, bei dem sie jederzeit ihr Leben verlieren können.

erich_k
14.02.2005, 14:28
Ich denke eher, dass es die Sensationsgier der Menschen ausmacht, warum solche Bilder veröffentlicht werden (und natürlich Verkaufszahlen, Einschaltquoten etc.).

Ich für meinen Teil kann auf solche Fotos getrost verzichten! (Und selber machen werde ich so was ganz bestimmt nicht)

A2Freak
14.02.2005, 15:32
Ich denke eher, dass es die Sensationsgier der Menschen ausmacht, warum solche Bilder veröffentlicht werden (und natürlich Verkaufszahlen, Einschaltquoten etc.).

Ich für meinen Teil kann auf solche Fotos getrost verzichten! (Und selber machen werde ich so was ganz bestimmt nicht)

Liest Du keine Zeitung? Schaust Du kein TV?

Ich fotografiere selber Feuerwehr-Fahrzeuge und auch gelegentlich Einsätze. Bei den Einsätzen achte ich schon darauf, daß keine Geschädigten zu sehen sind. Oft sind Feuerwehren auch froh, Einsatzfotos zu bekommen, u.a. auch zu Schulungszwecken.

Wäre ich in der Situation, an einer Einsatzstelle vor Polizei und Feuerwehr einzutreffen, würde ich es abwägen, ob ich mit meinen Mitteln helfen kann. Wenn nicht, würde ich ehrlich gesagt auch zur Kamera greifen, im Rahmen des oben beschriebenen.

Ich denke, die Einsatzfotos auf meiner HP sprechen da eine deutliche Sprache. Allerdings stehe ich auch nicht unter dem Druck, die Einsatzfotos verkaufen zu müssen.

Cougarman
14.02.2005, 16:03
Ich denke eher, dass es die Sensationsgier der Menschen ausmacht, warum solche Bilder veröffentlicht werden (und natürlich Verkaufszahlen, Einschaltquoten etc.).

Richtig !

Ditmar
14.02.2005, 16:08
Ich denke eher, dass es die Sensationsgier der Menschen ausmacht, warum solche Bilder veröffentlicht werden (und natürlich Verkaufszahlen, Einschaltquoten etc.).

Richtig !

So einfach sollte man es sich auch nicht machen!
Beispiel Naturkatastophe in S/O-Asien, ohne Bilder hätten die Menschen sicherlich weniger gespendet, davon bin ich überzeugt.

Cougarman
14.02.2005, 16:36
Ich denke eher, dass es die Sensationsgier der Menschen ausmacht, warum solche Bilder veröffentlicht werden (und natürlich Verkaufszahlen, Einschaltquoten etc.).

Richtig !

So einfach sollte man es sich auch nicht machen!
Beispiel Naturkatastophe in S/O-Asien, ohne Bilder hätten die Menschen sicherlich weniger gespendet, davon bin ich überzeugt.

Das bestreite ich auch nicht.
Alles hat eine gute und eine böse Seite. ;)

Sunny
14.02.2005, 17:16
Ich meine, ich würde es wie A2Freak machen

A2Freak
14.02.2005, 17:30
Ich meine, ich würde es wie A2Freak machen

Ich auch :cool:

A2Freak
14.02.2005, 17:32
Aber ich finde, Ditmar und Hannes haben beide Recht.

Katastrophen-Fotos können auch Gutes bewirken. Und Sensationsgier befriedigen.

TheMaxx
14.02.2005, 19:38
Wäre ich in der Situation, an einer Einsatzstelle vor Polizei und Feuerwehr einzutreffen, würde ich es abwägen, ob ich mit meinen Mitteln helfen kann. Wenn nicht, würde ich ehrlich gesagt auch zur Kamera greifen, im Rahmen des oben beschriebenen.

Hi, nachdem ich ja auch irgendwie Threadauslöser bin auch noch eine kurze Wortmeldung von mir zu dem Thema:
grundsätzlich war ich vielleicht durch das das mein bester Freund bei dem Unfall direkt beteiligt war (anfangs dachte ich, er sitzt noch im brennenden Auto und kommt nicht raus) subjektiv beeinflusst. Ich habe mir eigentlich keinen Gedanken über Fotos gemacht - erst nachdem alles uns/mir mögliche getan war, habe ich wieder über Fotos nachgedacht.
Ich denke (und dieses Denken hat bei mir zu einem grossen Teil auch der Herr Nachtwey beeinflusst) das man zuerst Mensch sein sollte und dann Fotograf - und der von mir verwiesene Fotograf war eben nicht aufs Helfen sondern nur auf die guten Bilder aus.

Und ich hoffe mal niemand von euch würde (dieses Beispiel ist jetzt extrem und aus der Luft gegriffen) ein Kind das auf einer Eisplatte eingebrochen ist, ertrinken lassen (obwohl man irgendwie sicher helfen könnte) - nur weil er so mit Sensationsfotos beschäftigt ist.

Maxx

kay
14.02.2005, 22:54
Und ich hoffe mal niemand von euch würde ein Kind das auf einer Eisplatte eingebrochen ist, ertrinken lassen (obwohl man irgendwie sicher helfen könnte) - nur weil er so mit Sensationsfotos beschäftigt ist.

Das ist ein gutes Beispiel, wo der Fotograf seine "Beobachterrolle" aufgeben muss. Schließlich hat auch Satzwey von einer Situation berichtet, wo er auf Knien eine wütende Bande um das Leben eines Unschuldigen gebeten hat. Allerdings erfolglos. Und mit einem erhöhten persönlichen Risiko, weil er sich einmischte und nicht neutral blieb.
Katastrophen-Fotos können auch Gutes bewirken. Und Sensationsgier befriedigen.
Ich finde Sensatiosgier nicht von von vornherein "schlecht". Ich hab auch n-tv geguckt, als 9/11 das WTC brannte.

Bon Dimage
Kay