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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Alles Rechtens oder was?


Porty
02.04.2014, 22:24
Bei uns kam heute in der Firma eine Rundmail an, die für sagen wir mal, einige Diskussionen gesorgt hat. Dieses Meisterwerk bundesdeutscher Rechtsprechung möchte ich Euch nicht vorenthalten:

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=4&ved=0CDYQFjAD&url=http%3A%2F%2Fwww.bghw.de%2Fmedienangebot%2Fbgh w-aktuell%2Fausgabe-1-februar-2014%2Fkein-versicherungsschutz-nach-autounfall%2Fat_download%2Ffile&ei=Nm88U4XUGoLPtAbwsICoDQ&usg=AFQjCNFkwE-FD4V8Xd6yW9J0QxsGWnKOXw&bvm=bv.63934634,d.Yms

Irgend wie verliere ich langsam jede Achtung vor unsere Justiz :evil::flop:
Oder wie sagte mein Kollege: Entweder ich verliere meinen Versicherungsschutz oder ich riskiere eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung......

Michael

steve.hatton
03.04.2014, 00:52
Böse Zungen würden sagen, der Staat braucht Geld...da ist "fast jedes Mittel" recht,

Allerdings verstehe ich nicht weshalb der Arzt bei der "Bedutachtung" des verunfallten Verkehrsteilnehmes nicht "innerhalb der Ausübung" seines Berufes gewesen sein soll - muss er gemäß hypokratischem Eid als Mediziner nicht immer helfen. Wie soll es die Notwendigkeit einer Hilfe bei einem Unfall von der Ferne aus beurteilen - gar nicht, somit war der Weg zum Fahrzeug und zurück Arbeitsweg.

Aber dies ist nur meine laienhafte Meinung und nicht die eines Juristen.

eac
03.04.2014, 07:53
Auch die gesetzliche Unfallversicherung ist letztlich eine Versicherung und deren Hauptzweck besteht bekanntlich darin, so viel Geld wie möglich einzusammeln und möglichst nie wieder rauszugeben. Die Versicherten sind doch dabei eh nur Kollateralschäden.

makro
03.04.2014, 07:56
Also ehrlich gesagt sehe ich das genau so wie der Richter sich entschieden hat.
Der Weg zur Arbeit war nach dem ersten Unfall unterbrochen und somit bestand auch kein Versicherungsschutz mehr.
Ist zwar moralisch gesehen unverständlich, aber rechtlich ist das korrekt.

fhaferkamp
03.04.2014, 08:05
Jeder Unfallhelfer ist doch auch gesetzlich versichert.

Beispiel:
http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/unfall-helfer-ist-auf-jeden-fall-versichert-aid-1.2591276

Aus diesem Grund müsste im konkreten Fall eine Absicherung trotzdem gegeben sein, wenn auch aus anderem Grund.

makro
03.04.2014, 08:18
Jeder Unfallhelfer ist doch auch gesetzlich versichert.

Beispiel:
http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/unfall-helfer-ist-auf-jeden-fall-versichert-aid-1.2591276

Aus diesem Grund müsste im konkreten Fall eine Absicherung trotzdem gegeben sein, wenn auch aus anderem Grund.


Davon gehe ich auch mal aus, dass in dem Fall die gesetzliche / private Versicherung in Kraft tritt.
Es ist aber egal ob Unfallhelfer, Arzt oder sonst wer. Auch wen er nach dem ersten Unfall sich gleich auf den weg zum Telefon macht um die Polizei zu rufen ist der Weg zur Arbeit unterbrochen.
Ich denke dass es in dem Fall darum ging ob die Versicherung des Arbeitgeber bezahlen muss.Ohne Versicherungsschutz war der Arzt in dem Moment nicht.

fallobst
03.04.2014, 08:22
Ich bin der festen Überzeugung, dass der Fall noch nicht beendet ist.
Wenn die Betroffenen Familie einen guten Rechtsanwalt hat oder findet und den Willen dieses Urteil anzufechten, sehe ich gute Aussichten den Fall zu drehen.
Warum? Unstrittig ist, dass der Mann sich auf einem Arbeitsweg befand.
Um sein Ziel zu erreichen, muss er all dafür notwendigen Handlungen unternehmen und auch durch allerlei Ursachen unterlaufene Fehler korrigieren. Zum Beispiel könnte er durch kurze Unachtsamkeit eine Ausfahrt verpassen und muss einen Umweg fahren. Das würde auch keine Unterbrechung bedeuten.
Nun hat er durch einen Fehler einen Unfall verursacht, daraus folgt, dass er zur Hilfeleistung verpflichtet ist. Diese Handlungen dienen eindeutig dazu, einen Fehler zu korrigieren oder Folgen abzuwenden. Seine Handlungen stehen ursächlich mit seiner Fahrt im Zusammenhang und einem dabei unterlaufenem Fehler.
Wenn er einen Unfall beobachtet hätte und aus Verantwortungs- und Pflichtgefühl Hilfe leisten wollte, dann könnte man der Argumentation folgen. Aber nicht, wenn er eigene Fehler korrigiert oder Folgen abwenden will.
Das kann unmöglich ein neues Handlungsziel darstellen. Da sehe ich den Ansatz das Urteil zu drehen.

Matthias

Jan
03.04.2014, 08:26
Vielleicht ist es dem Betroffenen egal, welche Versicherung zahlt, aber nicht den Versicherungen, die sich untereinander einigen müssen.
Jan

Itscha
03.04.2014, 08:30
Jede Bezugsberechtigung einer staatlichen Leistung braucht ihre Grenzen.
Diejenigen, die dieses Urteil nicht verstehen, dürfen gerne mal ausführen, wo SIE die Grenze in Bezug auf das Ende des Unfallversicherungsschutzes ziehen würden.

Das ist leider nicht so einfach. Macht man auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg, ist es meist schon aus mit "Arbeitsunfall", es gibt aber auch Ausnahmen, z.B. der Umweg über die KiTa, um die Brut abzuliefern. Der Weg zum Kiosk wegen Zeitungsbezug ist aber ein Ausschlusskriterium.

Niemand hat dem Mann irgendwelche Vorwürfe gemacht. Es wurde lediglich festgestellt, wo die Grenze für die Absicherung von "Verhalten" durch die gesetzliche Unfallversicherung ist.

Das kann unmöglich ein neues Handlungsziel darstellen. Da sehe ich den Ansatz das Urteil zu drehen.
Durchaus möglich...

eac
03.04.2014, 08:36
Vielleicht ist es dem Betroffenen egal, welche Versicherung zahlt, aber nicht den Versicherungen, die sich untereinander einigen müssen.

Dem Betroffenen ist es ohnehin egal, er ist nämlich tot. Seinen Hinterbliebenen ist es sicherlich nicht egal, da die gesetzliche Unfallversicherung Teile der Beerdigungskosten übernehmen müßte, eine private Unfallversicherung aber nur, wenn das vorher vertraglich vereinbart wurde.

Diejenigen, die dieses Urteil nicht verstehen, dürfen gerne mal ausführen, wo SIE die Grenze in Bezug auf das Ende des Unfallversicherungsschutzes ziehen würden.

Als juristischer Laie würde ich behaupten, daß der Unfall untrennbar mit dem Arbeitsweg verbunden ist und daher auch alle Maßnahmen, die im Rahmen des Unfalls nötig waren, zum Arbeitsweg im weiteren Sinne zu zählen sind.

Offenbar sieht das Gericht das aber anders und daraus ergibt sich für mich jetzt die Frage, was man in Zukunft selber bei einem Unfall auf dem Arbeitsweg tun sollte, um sich konform zur Rechtssprechung zu verhalten. Ich fahre selber jeden Tag fast 200km. Wenn schönes Wetter ist, lasse ich den Dienstwagen auch mal zu Hause stehen und fahre nicht Autobahn sondern mit dem privaten Cabrio über die Landstraße. Da ist dann klar, daß ich auf den Versicherungsschutz verzichte, aber ich würde natürlich begrüßen, daß alle Handlungen auf dem normalen Arbeitsweg, die der gesunde Menschenverstand anrät, auch juristisch soweit gedeckt sind, daß für mich oder eventuelle Hinterbliebene dadurch kein existenzielles Risiko entsteht - und genau das sehe ich nach so einem Urteil nicht mehr gegeben.

Jan
03.04.2014, 08:55
Ups Stefan, danke für die Korrektur,
das passiert, wenn man nur die Überschrift liest,
Jan

chefboss
03.04.2014, 14:48
Andere Länder, andere Sitten.
Bei uns ist einerseits ab einer Beschäftigung von 8h/Woche der Nichtberufsunfall mit versichert.
Andrerseits leisten die Ärzte keinen Hippokratischen Eid (@Steve).

Gruss, frank

BeHo
03.04.2014, 15:30
Das kann unmöglich ein neues Handlungsziel darstellen. Da sehe ich den Ansatz das Urteil zu drehen.

Durchaus möglich...

Leider wohl nicht.

Das Urteil vom 14.05.2013 kam schon von der zweiten Instanz und eine Revision wurde nicht zugelassen: Klick! (https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=161392)

Itscha
03.04.2014, 17:19
(...)Da ist dann klar, daß ich auf den Versicherungsschutz verzichte, aber ich würde natürlich begrüßen, daß alle Handlungen auf dem normalen Arbeitsweg, die der gesunde Menschenverstand anrät, auch juristisch soweit gedeckt sind, daß für mich oder eventuelle Hinterbliebene dadurch kein existenzielles Risiko entsteht - und genau das sehe ich nach so einem Urteil nicht mehr gegeben.

Gesunder Menschenverstand und Justiz - nunja, das geht nicht immer überein, das muss sogar ich als Mitglied in diesem Verein zugeben. Hier finde ich die Grundüberlegung der Richter aber durchaus klar nachvollziehbar.

Du kannst ja für "Extratouren" auf dem Weg zur Arbeit eine private Unfallversicherung abschließen. Die sichert dich dann permanent ab. Hier ging es doch nur um die gesetzliche Unfallversicherung (wenn ichs richtig überflogen habe).

Die Richter haben hier natürlich oberflächlich betrachtet in den "Krümeln gesucht". Wenn man sich aber immer mehr der Grenze annähert, ist man irgendwann automatisch bei den Krümeln. Das geht nicht anders.

ha_ru
03.04.2014, 17:23
Offenbar sieht das Gericht das aber anders und daraus ergibt sich für mich jetzt die Frage, was man in Zukunft selber bei einem Unfall auf dem Arbeitsweg tun sollte, um sich konform zur Rechtssprechung zu verhalten.

1. Im Auto sitzen bleiben (damit kein neues Handlungsziel entsteht).
2. Wenn man aufgefordert wird auszusteigen zu verkünden: Ich tue das nur um meine Weg zur Arbeit fortzusetzen.

Eigentlich ist das Thema aber zu ernst um sich darüber zu mokieren.

Der Mann ist doch nur deshalb in die Situation geraten, weil er auf dem Werg zur Arbeit war. Und es ist in meine Augen keine neue Situation entstanden. Für mich ist der ursächliche Zusammenhang immer noch gegeben Ich - und ich behaupte die Mehrheit der Bevölkerung - sieht die Kausalkette - Fahrt zum Arbeitsort - Unfall - Folgeunfall nicht unterbrochen. Die Richter hier aber doch.

Wenn man mal den Fall variiert und annimmt der Folgeunfall trifft das Opfer in seinem Wagen - wäre dann anders zu entscheiden? Wenn ja gibt es eine Zeitspanne, wie lange die beiden Unfälle auseinanderliegen dürfen?


Wenn man sich aber immer mehr der Grenze annähert, ist man irgendwann automatisch bei den Krümeln. Das geht nicht anders.


Das verstehe ich, aber hier sehe ich die Grenze falsch festgelegt.

Hans

steve.hatton
03.04.2014, 17:32
...
Das ist leider nicht so einfach. Macht man auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg, ist es meist schon aus mit "Arbeitsunfall", es gibt aber auch Ausnahmen, z.B. der Umweg über die KiTa, um die Brut abzuliefern. Der Weg zum Kiosk wegen Zeitungsbezug ist aber ein Ausschlusskriterium.......

Aha, bei Kindern ist das was anderes, hat man keine , hat man Pech gehabt ?:crazy:
Klingt zynisch - ist es auch.
Ich habe langsam das Gefühl, dass in diesem Land Kinder und Fussball über alles gehen, wenn es um die Neugung des Rechts geht (s.a. Lärmemissionen)

Diese "Krümel" will man dann wohl nicht finden...

steve.hatton
03.04.2014, 17:34
...
Andrerseits leisten die Ärzte keinen Hippokratischen Eid (@Steve).

Gruss, frank

Danke für den Hinweis, hast wohl recht ! (warum schrieb ich nur Hypo....realestate)

Porty
03.04.2014, 19:21
Leider hat die Sache für die Hinterbliebenen tragische Auswirkungen.
Wäre die Berufsgenossenschaft verurteilt worden, hätte diese an die Familie (Frau + 4 Kinder) vermutlich eine ordentliche Rente zahlen müssen und das viele Jahre (Arbeitsunfall gleichgestellt). Was von der Versicherung des Unfallverursachers zu holen ist?.
Aber heute kam mir in einer Fuhrparkzeitschrift ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes unter, welches der Sache die Krone aufsetzt:
Ein Fahren hart auf dem Nachhauseweg gebremst, da auf der anderen Straßenseite ein Erdbeerstand war. In diesem Moment krachte dem Fahrer ein anderes Auto hinten rein.
Das BVG hob das Urteil des Landesgerichtes auf (dort war die BG verurteilt worden), mit der Begründung, die Bremsung sei ursächlich mit dem Interesse an den Erdbeeren verbunden gewesen und nicht mit der Fahrt nach Hause.........
Als wenn euch so was passiert, da war ein Kind am Straßenrand, euch war schlecht oder sonst was, Einkaufen geht jedenfalls nicht.
Langsam zweifle ich an der Unparteilichkeit der entsprechenden Richter :evil::flop::flop::flop::flop:
Habe den Artikel leider noch nicht im Netz gefunden, wen es interessiert , kann ich es als PN senden

Michael

WB-Joe
04.04.2014, 08:49
Ich weiß gar nicht was ihr habt.....
Die BG ist doch nicht dafür da den Versicherten was gutes zu tun.
Die sind zum reinen Selbstzweck da, wenn man sich so manchen Protzbau der BG anschaut (z.B. in Dresden) ist doch klar wohin das Geld fließt.
Die Versicherten stören da nur.

Dieser Beitrag kann Spuren von Sarkasmus enthalten!

dey
04.04.2014, 09:45
Leider hat die Sache für die Hinterbliebenen tragische Auswirkungen.
Wäre die Berufsgenossenschaft verurteilt worden, hätte diese an die Familie (Frau + 4 Kinder) vermutlich eine ordentliche Rente zahlen müssen und das viele Jahre (Arbeitsunfall gleichgestellt). Was von der Versicherung des Unfallverursachers zu holen ist?.
Genau hier liegt die Crux.
Besteht eine Bezugsberechtigung in dem Zusammenhang. Oder ist der Berufsweg unfreiwillig beendet und eine neue, anders versicherte Situation ist entstanden.
Moralisch betrachtet: eindeutig pro Bezugsberechtigung.
Neutral betrachtet finde ich die Argumentation des Gerichts nachvollziehbar.
Was mir fehlt, ist eine Verhaltensempfehlung. Da sehe eine Verpflichtung auf Seiten der Versicherung, des Gerichts oder des Gesetzgebers.
Ich bin mit 160km täglich auch potentieller Kandidat.

Ein Fahren hart auf dem Nachhauseweg gebremst, da auf der anderen Straßenseite ein Erdbeerstand war. In diesem Moment krachte dem Fahrer ein anderes Auto hinten rein.
Das BVG hob das Urteil des Landesgerichtes auf (dort war die BG verurteilt worden), mit der Begründung, die Bremsung sei ursächlich mit dem Interesse an den Erdbeeren verbunden gewesen und nicht mit der Fahrt nach Hause.........


Schlechtes Vergleichsbeispiel. Hier ist die private Aktion sogar Ursache des Verkehrsunfalls.
Das das Abliefern der Kids versichert ist, ist auch nur ein freundliches Entgegenkommen. Denn es ist definitiv eine Privatfahrt.
Hier stellt sich dann die Frage der Zumutbarkeit einer zusätzlichen kompletten Fahrt Home/ Arbeitsplatz.

bydey

steve.hatton
04.04.2014, 10:19
Genau in der Bevorzugung der KiTa-Fahrten, würde ich die grundsätzliche "Unberechenbarkeit" der Vertragsklauseln sehen und demnach die Versicherung kündigen!

Leider wird Big Brother & Co in der Presse mehr hofiert, als die realen Probleme der normalen Bürger.

BeHo
04.04.2014, 10:26
[...] und demnach die Versicherung kündigen![...]

Wie willst Du denn eine Pflichtversicherung kündigen?

Itscha
04.04.2014, 10:50
...grundsätzliche "Unberechenbarkeit" der Vertragsklauseln ...

Die Vertragsklauseln findest Du im Sozialgesetzbuch VII ;)

Die gesetzliche Unfallversicherung gibt es, um Risken abzufedern, die mit der Ausübung deines Brotwerbs in Zusammenhang stehen, nicht dafür, jegliches Lebensrisiko aufzufangen. Da kann man über Einzelheiten und Berechtigungen sicher streiten.

Allerdings sehe ich hier in der Diskussion doch langsam eher populistische Stilelemente anstatt von Argumenten und lasse das daher jetzt lieber sein.