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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Expose to the Right (ETTR) Bilder


KunstAusLicht
15.11.2012, 15:11
Ola, ich schon wieder :-)

Nachdem ich ja in meinem ISO25600-Thread die "ETTR-Methode" erwähnte (ich kannte die Technik, wusste aber nicht, dass sie einen Namen hat) , wollte ich austesten, wie sich ETTR (Expose to the Right) in der Praxis verhält und ETTR-Bilder mit nicht-ETTR-Bildern vergleichen.



Wer's noch nicht kennt, hier ein stark vereinfachter Abriss dieser Methode :

ETTR ist eine Technik, bei der ein Bild gewollt um einen bestimmten Wert überbelichtet wird und diese Überbelichtung nachher in einem Programm wie Lightroom wieder zurückgenommen wird. Wozu? Um das Bildrauschen in den dunklen Bildbereichen mit Belichtungsinfos zu "überlagern". Je heller eine Stelle im Bild, desto mehr Informationen liegen dort vor und desto weniger kann sich dort das Rauschen breit machen. Wenn ich als eine helle Stelle abdunkle, entsteht dort weniger Rauschen.

... So weit die Theorie. - Aber man könnte auch gerechtfertigterweise der Meinung sein, dass man statt der Überbelichtung auch gleich einen niedrigeren ISO-Wert wählen könnte....

Ich wollte es genau wissen und habe gestern Abend ein Motiv auf drei unterschiedliche Weisen aufgenommen und die Resultate anhand von Crops verglichen.

Wem die Leserei des ganzen Artikels zu viel ist, der möge einfach bis ans Ende durchscrollen (ist ein wenig textlastig )

Expose to the Right - Super oder Bullshit? (http://münchenphoto.de/reviews/expose-to-the-right-ettr/)

Ich bin jetzt erstmal AFK und kann daher an der Diskussion, die evtl entbrennen wird, nicht teilnehmen. Ist also nicht meiner Feigheit geschuldet ;)

Kritik, andere Ansichten oder Tipps nehme ich gerne auf jedem Wege entgegen. Email, PN, hier als Kommentar oder auf meiner Homepage. Tobt euch aus :top:

Dat Ei
15.11.2012, 16:04
Moin, moin,

bevor man in die Tiefe geht, sollten wir vielleicht erst einmal klären, was ETTR ist. Mit Deiner Definition von ETTR bin ich nicht einverstanden. ETTR hat m.E. nichts mit einer systematischen Überbelichtung zu tun, die man dann in der EBV wieder zurücknimmt - sofern das überhaupt geht.
ETTR ist m.E. eine Methode, um den maximalen Dynamikbereich der Kamera auszuschöpfen. Dazu gilt es, eine Belichtung zu finden, die in allen drei Farbkanälen zu einer nahezu vollständigen Sättigung führt, ohne dass es zu einem Clipping (Informationsverlust) kommt.
Das ist ein deutlicher Unterschied zu Deiner Auffassung. Unterstellt man beispielsweise ein Motiv, dessen Histogramm eh schon am rechten Rand klebt, dann führt eine weitere Korrektur um +1EV zwangsläufig zu Clipping. Eine Korrektur der Überbelichtung in der EBV kann dann aber nicht mehr die Zeichnung in den hellen Bildteilen zurückholen. Die Lichter sind ausgefressen.


Dat Ei

Elric
15.11.2012, 16:27
Unterstellt man beispielsweise ein Motiv, dessen Histogramm eh schon am rechten Rand klebt, dann führt eine weitere Korrektur um +1EV zwangsläufig zu Clipping. Eine Korrektur der Überbelichtung in der EBV kann dann aber nicht mehr die Zeichnung in den hellen Bildteilen zurückholen. Die Lichter sind ausgefressen.

Ja und nein. Ist es nicht so, dass sich das Histogramm auf das 8-Bit JPEG bezieht? Im RAW aber durchaus noch Reserven sind. Es ist aber schwierig sich im Rahmen dieser Reserven zu bewegen.

Dat Ei
15.11.2012, 16:45
Hey Eric,

Ja und nein. Ist es nicht so, dass sich das Histogramm auf das 8-Bit JPEG bezieht? Im RAW aber durchaus noch Reserven sind. Es ist aber schwierig sich im Rahmen dieser Reserven zu bewegen.

da liegt eines der Probleme: welches Histogramm ist das richtige und adäquate? Wir kennen das Luminanz und das RGB-Histogramm, die Histogramme in der Kamera oder die in der EBV, mal auf jpg-, mal auf RAW-Basis bzw. dem Ergebnis der RAW-Wandlung. Der richtige Wert steckt m.E. in dem binären Wert der einzelnen R-, G- oder B-Zelle; demnach bräuchte es ein R-G-B-Histogramm für diese Werte.

Aber selbst auf diesem Wege liesse sich eine Überbelichtung nicht verhindern, weil noch weiß man nicht, welcher Weißabgleich letztendlich in der EBV gewählt wird, und ob das gewnadelte Bild nicht in meinem Zielfarbraum wiederum Clipping zeigt, weil der Farbraum kleiner ist.


Dat Ei

ha_ru
15.11.2012, 17:08
Hallo,

Jim Martin hat in seinem (Jim's) Fotoblog im Dezember/November 2011 das ganze mit der A77/A700 behandelt.

Sein Fazit:
- auf keinen Fall ISO tief halten und unterbelichten, denn das ist der Weg um Rauschen zu verstärken
- lieber ISO hoch und moderat überbelichten (+0,3-0,7 EV)


Ich habe zuvor denselben Fehler gemacht und mich dann umgestellt (beim Handball in der Halle mit der A55).

Hans

Sofian
15.11.2012, 20:41
Beim Blende 8 Podcast wird das anhand eines Beispiels ganz gut erklärt. KLICK (http://foto-podcast.de/ipod/blende8-77/)

Ich habe mit ETTR in der Landschaftsfotografie gute Erfahrungen gemacht. Wenn man in LR noch mit einen Verlaufsfilter oder Dodge & Burn nachhilft, lässt sich da einiges an Dynamikumfang rausholen.

Dat Ei
15.11.2012, 22:17
Moin, moin,

Beim Blende 8 Podcast wird das anhand eines Beispiels ganz gut erklärt. KLICK (http://foto-podcast.de/ipod/blende8-77/)

nur schade, dass er einige ziemliche Schenkelklopfer in den Podcast eingebaut hat, die ein wenig an der Kompetenz zweifeln lassen:

1.) Die RAW-Aufnahme mit 12bit besitzt nicht 4bit je Farbkanal, sondern 12bit je Farbkanal (ab ca. 2:55min).

2.) 12bit entsprechen 4096 Abstufungen, nicht 4032 (mehrfach, erstmals 3:40min).

3.) Wenn 1EV (Blendenstufe) mehr einer Verdoppelung der Belichtung entspricht (oder eine weniger einer Halbierung), warum entsprechen dann 12bit nur 6 Blendenstufen, wenn man doch 11mal verdoppeln bzw. halbieren kann?

Ein paar andere Aspekte läßt er komplett aussen vor.


Dat Ei

Sofian
15.11.2012, 23:15
Hallo Dat Ei,

ja deshalb auch die Einschränkung "ganz" gut. Wobei ich ehrlich gesagt nicht so sehr auf die Zahlen geachtet habe. Bei Blende 8 ist das so ne Sache: Im Grundsatz immer sehr gut und hilfreich um ins Thema rein zu kommen. Bei den Details hapert es dann stellenweise. Hinzu kommt, dass die Moderatoren einen eher geringen Unterhaltungswert besitzen. Ich will jetzt mal zu Gunsten der innerdeutschen Freundschaft nicht vermuten, dass es daran liegt, dass Herr Kuhn eher ein kühles Nordlicht ist. ;)

tino79
15.11.2012, 23:57
Ich finde das ISO-800 Bild am besten weil mich Rauschen kaum stört aber mich Detailverlust ärgert. Beim ISO-800 Bild sieht man noch Details im Rollo.

dey
16.11.2012, 12:53
Ich finde das ISO-800 Bild am besten weil mich Rauschen kaum stört aber mich Detailverlust ärgert. Beim ISO-800 Bild sieht man noch Details im Rollo.
sehe ich genauso!
komplett unbearbeitet entwickelt, um einer eventuellen Verfälschung der Bilder durch einen Rauschfilter vorzubeugen.
und hier wären dann noch Reserven versteckt. Nur bei dem 1600ETTR sind die Reserven schon gebügelt.

bydey

Alison
16.11.2012, 14:04
Ich denke das Problem liegt in dem Begriff „richtig belichtet“. Was ist denn richtig? KunstAusLicht geht stillschweigend davon aus (wenn ich das richtig verstanden habe), dass das was die Kamera vorschlägt „richtig“ ist. Das ist eine durchaus praxistaugliche und weitverbreitete Definition, auch wenn ich es eher „empfohlene“ Belichtung nennen würde.

Diese unscharfe Defintion findet man auch in vielen Büchern, beispielsweise wenn gesagt wird, dass man bei Schnee 1-2 Blenden überbelichten müsse. Das ist in meinen (und wohl auch in Dat Eis Augen) keine Überbelichtung, sondern einfach eine Anpassung die dafür sorgt, dass eine Fläche im gewünschten Tonwertbereich dargestellt wird, und der ist bei Schnee eben nicht grau sondern fast weiß.

Eine Überbelichtung würde ich auch erst dann sehen, wenn Farbkanäle in die Sättigung laufen. Ein mit ETTR aufgenommenes Bild ist also in diesem Sinne nicht überbelichtet. Dennoch werden natürlich Bildbereiche und eventuell auch das ganze Bild zunächst zu hell dargestellt und muss in der EBV angepasst werden.

Ich hab mir übrigens schon öfter gewünscht, das meine Kamera einen ETTR Knopf hätte.

Neonsquare
16.11.2012, 14:40
@Alison
Du hast schon recht, dass man "Überbelichten" manchmal als falscher Begriff für eine positive Belichtungskorrektur benutzt wird - allerdings handelt es sich bei ETTR trotzdem um eine Überbelichtung (aus "technischen" und nicht "gestalterischen" Gründen!), da ja im Nachhinein eine negative Belichtungskorrektur im Post-Processing notwendig ist um die eigentlich gewünschte Anmutung zu erhalten.

Ein Problem bei ETTR ist natürlich, dass die Kamerahersteller anhand der ISO-Stufe auch unterschiedliche Verarbeitungsschritte durchführen. So kann mancher Hersteller eben bei ISO1600 eine stärkere Rauschfilterung einsetzen als bei z. B. 800. Dann ist der theoretische Vorteil über die Tonwertverteilung wieder dahin. ETTR ist eben normalerweise kein Verfahren, das im Sinne der Kamerahersteller liegt. Es hängt also schlicht vom Kameramodell ab, ob dieses Verfahren Vorteile bringt oder nicht.

Trotzdem finde ich den Tipp, eher eine ISO-Stufe höher zu gehen und dafür z. B. +0,7Ev einzustellen durchaus nicht schlecht - denn viele neigen bei wenig Licht einfach zur Unterbelichtung, um ja noch halbwegs kurze Belichtungszeiten zu erreichen. Ebenfalls problematisch ist, statt einer höheren ISO-Stufe mit zu langer Belichtungszeit zu fotografieren - dann gibt es neben Rauschen auch noch Verwacklungsunschärfe und die ist in Kombination tödlich für jegliche Details.

Alison
16.11.2012, 14:54
Ich wollte auch nicht sagen, dass der Ansatz oder Bericht darüber falsch ist - ich habe eher laut überlegt, ob man es eindeutiger formulieren könnte.

Ich mache in der Regel auch kein ETTR, weil es mich nervt, dass viele Bilder erstmal zu hell sind - und dass obwohl ich komplett in Raw arbeite. Du hast also recht, sie sind über belichtet in dem Sinne, dass das Bild heller ist als es sein sollte, aber nicht in dem Sinne, dass Information fehlt. Hmmm, gar nicht so einfach ...

robd
13.01.2013, 22:22
Ich hatte das auch mal ausprobiert, nachdem ich das Blende 8 Video dazu gesehen hatte. Das Bild, das ich mit dieser Methode aufgenommen hatte, war schon wesentlich Detailreicher als das "normale" Foto.
Im Blende 8 Video meint er ja auch das ist am besten für grundsätzlich dunkle Motive geeignet.

Was mir aber noch aufgefallen ist, ist dass schwarz eben kein wirkliches schwarz mehr war, sondern eher ein dunkles grau. Also eine Methode mit Vor- und Nachteilen.

Wenn ich jetzt an ein Sportfoto im freien denke, stell ich mir das schon schwierig vor. Heller Hintergrund, dunkles Motiv (z.B. schwarzes Trikot). Da läuft man eben Gefahr, dass der Hintergrund zu schnell zu hell wird - und dann gibts in dem Bereich keinerlei Bildinformationen mehr.

Aber mal ne andere Frage.. geht die DRO Automatik der A77 nicht genau in so eine Richtung, oder ist das einfach nachträgliches aufhellen dunkler Stellen im Bild?

Dat Ei
13.01.2013, 23:09
Moin, moin,

Was mir aber noch aufgefallen ist, ist dass schwarz eben kein wirkliches schwarz mehr war, sondern eher ein dunkles grau. Also eine Methode mit Vor- und Nachteilen.

welch' Überraschung! :shock:
Wenn man ein dunkles oder schwarzes Motiv auf ein 18%iges Grau einmißt, brauche man sich doch nicht wundern, daß hinten auch ein 18%iges Grau raus kommt. Gleiches gilt für die ETTR-Methode: wenn man fetter belichtet, ist der Bildeindruck schlicht zu hell. Das muß man dann wieder in der EBV nach unten korrigieren.


Dat Ei

Neonsquare
13.01.2013, 23:20
Ich hatte das auch mal ausprobiert, nachdem ich das Blende 8 Video dazu gesehen hatte. Das Bild, das ich mit dieser Methode aufgenommen hatte, war schon wesentlich Detailreicher als das "normale" Foto.
Im Blende 8 Video meint er ja auch das ist am besten für grundsätzlich dunkle Motive geeignet.


Wenn eine Zeichnung in den Schatten für ein Bild enorm wichtig ist, dann ist es durchaus sinnvoll per ETTR zu fotografieren. Der Grund ist ganz einfach. Für Schattentonwerte stehen bei der linearen Tonwertverteilung des Sensors viel weniger Tonwerte zur Verfügung. Dunkle Schatten werten also mitunter nur in 2-8 Stufen wiedergegeben. Wenn man per ETTR nun z. B. 2 Ev länger belichtet, so werden dieselben Schattentonwerte mit 8-32 Stufen gezeichnet. Statt ein Foto ohne ETTR zu belichten und danach die Schatten aufzuhellen kann man also auch per ETTR fotografieren und dann Lichter und Mitteltöne absenken - bei letzteren dürften aber die Schatten eine bessere Zeichnung haben.


Was mir aber noch aufgefallen ist, ist dass schwarz eben kein wirkliches schwarz mehr war, sondern eher ein dunkles grau. Also eine Methode mit Vor- und Nachteilen.


Naja Du musst das ETTR-Bild natürlich von der Belichtung danach wieder anpassen. Tonwerte die schwarz sein sollen sollten per Schwarzpunktregler auf ebendiesen gelegt werden und erscheinen dann wieder Tiefschwarz.


Wenn ich jetzt an ein Sportfoto im freien denke, stell ich mir das schon schwierig vor. Heller Hintergrund, dunkles Motiv (z.B. schwarzes Trikot). Da läuft man eben Gefahr, dass der Hintergrund zu schnell zu hell wird - und dann gibts in dem Bereich keinerlei Bildinformationen mehr.


Absolut - dann ist es aber kein ETTR mehr. Man muss es aber auch nicht gar so eng nehmen mit "ETTR" - in schwierigen Situationen geht es ja auch einfach, dass man z. B. um 0,7 Ev (oder entsprechend) mehr belichtet, um mehr Zeichnung in die Schatten zu kriegen ohne die Lichter zu gefährden.


Aber mal ne andere Frage.. geht die DRO Automatik der A77 nicht genau in so eine Richtung, oder ist das einfach nachträgliches aufhellen dunkler Stellen im Bild?

DRO sorgt dafür, dass bei Beibehaltung der Mittelwerte Details aus Lichtern und Schatten geholt werden, wobei für jeden Pixel des Bildes eine eigene Tonwertkurve berechnet wird. Ich benutze es ab und zu wenn ich fertige JPEGs out of cam haben möchte - ansonsten finde ich die entsprechenden Regler in Aperture besser.

mrieglhofer
14.01.2013, 02:13
Eigentlich hat ETTR ja nichts mit Überbelichtung oder Unterbelichtung um klassischen Sinne zu tun. Bei Film gabs das ja nicht und da wurde gezielt anders belichtet, um den Helligkeitseindruck zu korrgieren.
Digital spielt ja die Belichtung keine Rolle, solange beide Enden des Histogramms nicht abgeschnitten sind. Der Helligkeitseindruck kann ja durch Verschieben der Kurve ohne Verluste angepasst werden. Da aber der Helligkeitsumfang des Motivs meist kleiner als der Dynamikumfang der Kamera ist, kann man sich überlegen, an welches Ende man die Kurve hinlegt. Bei grossem Helligkeitsumfang fehlt die Wahlmöglichkeit.
Die Kameras selbst wählen meist links, damit man kürzere Zeiten erreicht. ETTR erhöht das Nutzsignal im Vergleich zum etwa gleichbleibenden Grundrauschen und vermindert dadurch das Rauschen. Das logarithmische Verhalten der Belichtung bei linearem Verhalten der Fotodioden spielt zusätzlich rein und verbessert die Schattenzeichnung.
M.E. hellt man in beiden Fällen die Schatten auf.
DRO oder HDR sind dann sinnvoll, wenn die Tonwertkurve durch den hohen Ungang ausgereizt wird, dann geht ETTR eh nicht.