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Alt 11.09.2013, 16:37   #8
der_knipser
 
 
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Naja, bei Blende f/32 hast Du 8 sec und ISO 80 belichtet.
Bei diesen Kombinationen wäre das Bild genauso hell geworden, aber die Schärfentiefe jedesmal ein wenig knapper:

f/22 - 4 sec
f/16 - 2 sec
f/11 - 1 sec
f/8 - 1/2 sec
f/5,6 - 1/4 sec
f/4 - 1/8 sec
f/2,8 - 1/15 sec

Studiere diese Reihe, dann wirst Du sehen, dass es dort gegenläufige Regelmäßigkeiten gibt. Das Schließen oder Öffnen der Blende um einen vollen Wert verändert die Blendenzahl um den Faktor √2. Das bedeutet, die Lichtöffnung hat jeweils die halbe/doppelte Fläche, und dementsprechend wird die Belichtungszeit gegenläufig verdoppelt/halbiert.

Das gilt, solange der ISO-Wert konstant bleibt.
Bei doppeltem ISO-Wert halbieren sich die Belichtungszeiten.
Bei noch mehr ISO werden die Zeiten noch kürzer.
Um das Bild heller oder dunkler zu machen, brauchst Du nur einen dieser Werte zu ändern.
Wenn Du den Zusammenhang einmal begriffen hast, kannst Du mit diesen 3 Werten jonglieren, wie Du willst. Wenn Du immer 2 Werte gegenläufig änderst, erhältst Du immer ein Bild, das genauso viel Licht bekommt.

Nur wirken sich alle 3 Einstellmöglichkeiten anders auf das Bild aus.
- Eine höhere ISO-Einstellung macht den Sensor (scheinbar) lichtempfindlicher. In Wirklichkeit werden die Lichtsignale rechnerisch verstärkt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man mit kürzeren Belichtungszeiten auskommen kann, wenn man z.B. kein Stativ verwenden kann. Der Nachteil ist, dass nicht nur das Bild, sondern auch seine Fehler verstärkt werden. Daher kommt das sogenannte Rauschen, das Bild erscheint also sehr grieselig und fleckig. Deshalb sollte man mit hohen Isowerten nicht über ein erträgliches Maß hinausgehen.

- Die Belichtungszeit kann man von sehr lang bis sehr kurz einstellen. Bei unbewegten Motiven und bei Verwendung eines stabilen Stativs auf ruhigem Boden ist die Belichtungszeit völlig egal. Man sieht so einem Bild nicht an, ob es 30 sec oder 1/4000 sec belichtet wurde, solange die anderen Parameter für eine ausgewogene Belichtung sorgen. Lange Belichtungszeiten werden zum Problem, wenn sich das Motiv bewegt. Dieses Motiv wird dann verwischt und unscharf abgebildet, während die unbewegten Motive scharf bleiben.
Lange Belichtungszeiten kann man auch nicht gut freihändig fotografieren, denn niemand kann eine Kamera so lange regungslos stillhalten. Ohne Stativ führen lange Belichtungszeiten zu verwackelten Bildern. Wo die Grenzen liegen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.
Wenn man seine Kamera beherrscht, kann man diese Regeln gezielt einschränken, und die Bewegung als gestalterisches Mittel einsetzen. Dann sollte man aber genau wissen, wie man die Zeiten dosiert, und wann es für das Motiv förderlich ist.

- Bleibt noch die Blende. Ich nenne sie zwar hier zuletzt, aber sie ist für die Bildgestaltung oft wichtiger als die anderen Einstellungen. Die Blende regelt durch ihre Öffnungsfläche nicht nur den Lichtanteil, der auf den Sensor gelangen kann, sondern sie ist für den Fotografen eines der Mittel, um die Ausdehnung der Schärfentiefe zu bestimmen. Es gibt Motive, die sollen scharf werden, wobei der Hintergrund jedoch in sahniger Unschärfe verschwimmen soll (z.B. Porträts). Andere Bilder sollen dagegen möglichst viele Details in aller Deutlichkeit zeigen (z.B. Produktfotos oder Landschaftsaufnahmen).
Der Blendenwert ist nichts anderes als das Verhältnis der Lichtöffnung zur Brennweite. Nehmen wir als Beispiel ein 100mm-Objektiv. Bei Blende f/2 wäre der Durchmesser 50 mm, bei Blende f/8 nur 12,5 mm, und bei f/22 nur knappe 5 mm.
Die größte Öffnung lässt das meiste Licht durch, und sorgt für kurze Belichtungszeiten. Der Schärfentiefebereich ist dabei nur sehr klein. Wieviel das genau ist, hängt auch von der Brennweite, der Sensorgröße und einigen anderen Faktoren ab. Je weiter man die Blende schließt, um so mehr wächst der Schärfentiefebereich. Es gibt allerdings das Phänomen, dass ein Lichtstrahl beim Auftreffen auf eine (Blenden-)Kante gebeugt wird, und auf dem Sensor einen Unschärfekreis erzeugt. Je weiter die Blende geschlossen ist, um so größer ist der Kantenanteil im Verhältnis zur Durchlassfläche. Die Beugungsunschärfe nimmt also zu, je weiter die Blende geschlossen wird. Nun arbeiten zwei Kurven gegeneinander. Die Schärfentiefe nimmt zu, und die Beugung macht das Bild wieder unschärfer. Dazwischen gibt es einen Punkt, an dem die optimale Schärfe erreicht wird, die sogenannte förderliche Blende. Dieser Punkt hängt von mehreren Faktoren ab, und befindet sich grob gesagt im mittleren Blendenbereich eines Objektivs. Bei hochauflösenden Kameras auch schon im weiter geöffneten Bereich. Sowas muss man nicht berechnen können, aber man sollte darum wissen, um erklären zu können, dass ein Bild mit f/32 nicht die Schärfe erreichen kann wie bei f/5,6.
Das Fotografieren mit völlig geöffneter Blende ist ebenso nicht immer empfehlenswert, weil (insbesondere preisgünstige) Objektive in diesem Bereich weicher zeichnen als wenn man die Blende um 1-2 volle Werte schließt.
Mit der Zeit lernt man seine Objektive kennen, und weiß, bei welcher Blende sie so abbilden, wie man es gerne haben möchte. Das geschieht jedoch nicht automatisch, sondern nur, wenn man bewusst auf diese Feinheiten achtet, und sich durch Blendenreihen die Unterschiede vor Augen führt.

Ich hoffe, dass Du Dich von so viel Text nicht erschlagen fühlst. Lies diese Abschnitte ruhig mehrmals, und versuche sie Punkt für Punkt nachzuvollziehen. Da steckt eine Menge Grundwissen drin, das Dir später helfen wird, Deine Motive mit den optimalen Einstellungen aufzunehmen.

Viel Spaß beim Lernen und Ausprobieren!
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Gruß
Gottlieb

Geändert von der_knipser (11.09.2013 um 21:17 Uhr)
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